Es dauerte länger. Erst seit Unmengen an Daten in digitalisierter Form vorliegen, können selbstlernende Systeme damit ständig angefüttert werden – und entwickeln sich seither rasend schnell weiter (siehe Kasten Seite 60). Für Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), ist daher klar: „Intelligente Systeme sind die Speerspitze der digitalen Transformation.“
Je früher wir uns mit der Annäherung von Mensch und Maschine auseinandersetzen, desto wirkungsvoller können wir uns ihre disruptive Kraft zunutze machen. Das jedenfalls ist die Kernbotschaft einer Studie von Topwissenschaftlern unter Leitung der Universität Stanford. Darin skizzieren Vordenker wie der Roboterpionier Rodney Brooks das ganze Ausmaß des Wandels – und setzen Zeitmarken. Demnach wird es schon in 15 Jahren so weit sein, dass praktisch in jedem Haushalt Roboter für uns putzen, kochen und das Essen servieren.
Messgeräte überwachen dann unsere Körperfunktionen und schlagen Alarm, wenn diese abweichen. Die Daten werden samt erster Diagnose an den Arzt übermittelt. „Künstliche Intelligenz kann die Gesellschaft gründlich zum Besseren verändern“, so das Fazit der KI-Pioniere.
Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz
Der britische Informatiker entwickelt den nach ihm benannten Test. Er soll ermitteln, ob eine Maschine denken kann wie ein Mensch. Ein russischer Chat-Roboter soll ihn 2014 erstmals bestanden haben.
Experten einigen sich auf den Begriff "Künstliche Intelligenz". Der Rechner IBM 702 dient ersten Forschungen.
Katerstimmung bei den Forschern: Die Fortschritte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Computer sind zu langsam, ihre Speicher zu klein, um die Daten von Bildern oder Tönen zu verarbeiten. Budgets werden gestrichen, erst ab 1980 geht es wieder voran.
Der Supercomputer von IBM siegt im Schachduell gegen Weltmeister Garry Kasparov. Die Maschine bewertete 200 Millionen Positionen pro Sekunde. 2011 siegt IBMs Software Watson in der Quizsendung "Jeopardy".
Der KI-Forscher sagt in einem Buch für das Jahr 2045 den Moment der "Singularität" voraus: Die Rechenleistung aller Computer erreicht die aller menschlichen Gehirne. Seit 2012 arbeitet Kurzweil für Google an KI-Systemen.
Ein Google-Programm beschreibt präzise in ganzen Sätzen, was auf Fotos zu sehen ist. Nahrungsmittelkonzern Nestlé kündigt an, 1000 sprechende Roboter namens Pepper in seinen Kaffeeläden in Japan als Verkäufer einzusetzen. Physiker Stephen Hawking warnt: KI könne eines Tages superschlau werden – und die Menschheit vernichten.
Computer sind schlau wie Menschen – und machen sogar Witze. Fabriken, Verkehr und Landwirtschaft sind nahezu komplett automatisiert.
Ökonomen sehen gar ein goldenes Wirtschaftszeitalter heraufziehen. Laut Prognosen der Berater von Accenture wird alleine die weltgrößte Volkswirtschaft, die USA, bis 2035 dank KI mit jährlich 4,6 Prozent fast doppelt so schnell wachsen wie ohne. KI könnte Japan aus der Stagnation reißen. Dort soll sie das jährliche Wachstum um mehr als das Dreifache auf 2,7 Prozent beschleunigen (siehe Grafik Seite 59), vor allem, weil die Technologie die Wettbewerbsfähigkeit der starken Roboter- und Elektronikindustrie des Landes puscht. In Deutschland soll das jährliche Wachstum von 1,4 auf 3,0 Prozent steigen. Bis 2035 würden rund eine Billion Euro zusätzlich an Staat, Unternehmen und Beschäftigte fließen.
Vier ungewöhnliche Einsatzgebiete für Roboter
Im Deutschen Technikmuseum in Berlin hilft seit November der neue Mitarbeiter Tim aus. Der Serviceroboter führt Besuchergruppen durch eine Ausstellung.
Im OP unterstützen Roboter-Systeme zunehmend die Mediziner - beispielsweise um Röntgenstrahlen exakt auf das zu untersuchende Gebiet zu richten.
Mancher Milchbauer setzt zum Beispiel auf Melkroboter. Außerdem geben Automaten jedem Tier die passende Menge Futter. Sie können auch Alarm schlagen, wenn es zu wenig frisst, weil es vielleicht krank ist und gleich Medikamente verabreichen. Auch fürs Ausmisten gibt es Roboter.
Niedlich, kuschelig und flauschig: Roboter-Robben sollen demenzkranken Menschen helfen - zum Beispiel in Japan, Norwegen und Schweden, aber auch in Deutschland werden die Tierchen genutzt.
Die Ökonomen führen die positive Wirkung auf einen Dreifacheffekt zurück: KI hebe nicht einfach nur als technischer Fortschritt die Produktivität. Sie verbessere auch eklatant die Effizienz der klassischen Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit. Wenn zum Beispiel die Plattform Amelia des US-Anbieters IPsoft selbstständig lernt, mit jedem Auftrag Servicetechnikern noch präziser und zuverlässiger vorzuschlagen, wie sie eine defekte Maschine schnell und preiswert reparieren können, steigert das beständig den Wert der Investition. Zugleich leisten die Techniker immer bessere Arbeit.
Künstliche Intelligenz werde so fast schon „die physikalischen Beschränkungen von Kapital und Arbeit überwinden“, schwärmt Accenture-Cheftechnologe Paul Daugherty. „Damit wird sie selbst zu einem Produktionsfaktor, statt nur ein Produktivitätsbeschleuniger zu sein wie frühere Basisinnovationen.“ Für den renommierten Professor David Autor vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) widerlegen die rosigen Prognosen sogar die Angst, KI sei ein Jobkiller. „Die Leute denken, sie würde das Wachstum befeuern, indem sie Menschen verdrängt. Aber in Wirklichkeit ermöglicht sie neue Produkte, Dienstleistungen und Innovationen. Das ist ihr eigentlicher Wert“, so Autor.