Auf dem Weg zum Cyborg: Warum sich Menschen selbst optimieren
Disruption des Körpers: Künstlerin Moon Ribas, Biohacker Josiah Zayner, und Hugh Herrs Prothesen.
Foto: Getty Images, PR, imago images, CollageSchönheits-OPs, Anabolika, Ritalin – es gibt viele Mittel, seinen Körper aufzumotzen. Für Josiah Zayner ist das aber alles Kleinkram. An diesem Herbsttag hält Zayner, ein Mittdreißiger im schwarzen T-Shirt mit strubbeligen Haaren, einen Workshop. Auf einer großen Biotechkonferenz in San Francisco, Titel: „Wie man sich genetisch modifiziert“.
Rund 150 Zuhörer drängen sich im Raum. Vorne steht Zayner und erzählt davon, wie einfach es in den vergangenen Jahren geworden ist, Gene in menschlichen Zellen gezielt zu verändern. „Es dauert heute nur fünf Minuten, DNA zu erschaffen, mit der ich mein Erbgut umschreiben kann“, sagt der Biologe. „Soll ich’s versuchen?“
Die Zuhörer kichern. Aber dann kramt Zayner aus seinem Rucksack eine Spritze hervor und zieht sie mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus einer Ampulle auf. „Das hier wird meine Muskeln wachsen lassen“, sagt er, legt seinen linken Arm auf den Tisch und sticht sich die Nadel ins Fleisch. „Autsch“, stöhnt er, und die Zuschauer applaudieren.
Wenn es stimmt, was er behauptet, dann hat Zayner gerade seine Gene verändert, mit einer neuen Methode namens Crispr, vielleicht als erster Mensch der Welt. Mit Crispr können Forscher DNA im Körper reparieren, erweitern, austauschen. Und womöglich stärkere Muskeln züchten, biologische Nanoroboter, die Viren im Blut bekämpfen, oder Haut, die im Dunkeln leuchtet.
Zayner zählt sich zu einer Bewegung von Biohackern – Aktivisten, die den menschlichen Körper umbauen wollen. Das Update im Erbgut ist für sie nur eine von mehreren Methoden. Andere pflanzen sich Funkchips in die Hand, mit denen sie elektronische Türen öffnen, am Automaten bezahlen oder ihren Computer entsperren. Die spanische Künstlerin Moon Ribas trägt einen Chip im linken Oberarm, der vibriert, wenn Seismometer irgendwo auf der Welt ein Erdbeben registrieren.
Zayner und Ribas sind die Avantgarde einer neuen Ära. Die letzten 1000 Jahre, sagt der Historiker und Zukunftsforscher Yuval Noah Harari, habe der Mensch damit verbracht, die Macht über seine äußere Umwelt zu ergreifen. „Die größte Umwälzung im 21. Jahrhundert wird sein, dass wir auch die Kontrolle über die Welt in uns selbst gewinnen werden.“
Der Mensch wird zum Cyborg, zum Mischwesen, halb Mensch, halb Maschine. Hunderttausende tragen schon Implantate am Schädel, um wieder zu hören oder die Symptome der Parkinson-Krankheit einzudämmen. Forscher entwickeln künstliche Augen, intelligente Prothesen und Chips, die das Gehirn ans Internet anschließen sollen. An solchen Ideen arbeiten auch renommierte Wissenschaftler und Unternehmer, etwa Harvard-Forscher George Church und Silicon-Valley-Milliardär Elon Musk.
Krankheit, körperliche Mängel und Behinderung, so das Versprechen, können wir bald mit Technik überwinden. Und dann erhält das Ich ein Update: mit künstlichen Sinnen, Chips im Hirn oder einem synthetischen Immunsystem, das Viren wirksamer bekämpft als die natürlichen Abwehrzellen. Sogar den Tod wollen Visionäre mit Technik aus dem Leben wegprogrammieren.
Werden nur einige dieser Träume wahr, dann werden die Menschen vieles überdenken müssen: Wie viel Selbstoptimierung wollen wir uns erlauben, was geht zu weit? Wie viel freien Willen haben wir noch, wenn Hirnchips unsere Handlungen beeinflussen? Was wird bleiben von dem, das uns zum Menschen macht? Historiker Harari macht eine atemberaubende Prognose: „Der Homo sapiens, wie er seit Zehntausenden von Jahren existiert, wird in diesem Jahrhundert verschwinden“, sagt er. „Unsere Nachkommen werden sich so stark von uns unterscheiden wie wir uns von Schimpansen.“
Das Leben nahm für Jason Barnes eine radikale Wende, als ihn vor fünf Jahren ein 22.000 Volt starker Stromschlag erwischte. Damals 23 Jahre alt, war er auf das Dach eines Restaurants in McDonough, Georgia, gestiegen, um es zu reinigen. Dabei kam er einer Hochspannungsleitung zu nahe. In der Notaufnahme sahen die Ärzte keine andere Möglichkeit: Die rechte Hand, schwer verletzt, und ein Großteil des Vorderarms mussten ab. Für den leidenschaftlichen Schlagzeuger, der Profimusiker werden wollte, brach eine Welt zusammen.
Fünf Jahre später sitzt Barnes in einem Labor am Georgia Institute of Technology und kann sein Glück kaum fassen. An seinem rechten Armstumpf ist eine künstliche Hand befestigt, eine Prothese, und Barnes tut, was er seit seinem Unfall nie mehr für möglich gehalten hatte: Er spielt Klavier.
Moderne Armprothesen, wie Barnes eine trägt, sind Wunderwerke der Technik: Sie spüren mit Elektroden, die auf der Haut des Armstumpfes aufliegen, elektrische Signale auf. Signale, die entstehen, wenn sich die übrig gebliebenen Muskeln bewegen. Diese feinen Aktionen des Körpers setzen die Prothesen in Motorbewegungen um, etwa um eine künstliche Hand zu schließen.
Bisher war die Technik nicht fein genug, um einzelne Finger zu kontrollieren. Doch die Forscher am Georgia Tech kamen auf eine originelle Idee: Sie setzen ein Ultraschallgerät, wie es bei Schwangeren eingesetzt wird, an dem Armstumpf auf, um ein Bild der Muskeln zu erhalten. Mithilfe von Algorithmen werten sie die Bilder aus – und erkennen, welche Finger Barnes bewegen möchte.
Noch spielt Barnes auf dem Klavier einen Ton langsam nach dem anderen. Aber Jahr für Jahr werden Prothesen immer besser, davon sind die Wissenschaftler überzeugt. Die Snowboarderin Amy Purdy etwa raste auf ihren beiden Beinprothesen bei den Paralympics die Hänge herab und tanzte sich bei der Fernsehshow Dancing of the Stars auf den zweiten Platz. Und am Massachusetts Institute of Technology baut der Forscher Hugh Herr, der selbst bei einem Kletterunfall beide Unterschenkel verloren hat, künstliche Beine, mit denen er tanzen, Fahrrad fahren und sogar wieder klettern kann. Drei Computer und zwölf Sensoren berechnen feinste Bewegungen, halten das Bein im Gleichgewicht – und sorgen dafür, dass Herr so geschmeidig läuft wie mit echten Füßen.
Nun will Herr 100 Millionen Dollar Forschungsgelder einsammeln, um Maschinen noch viel tiefer mit dem Körper zu verschmelzen. Jede Art von Behinderung, prophezeite er kürzlich auf einer Techkonferenz in Las Vegas, werde sich in diesem Jahrhundert mit Technologien beheben lassen. Dazu will Herr ein künstliches Nervensystem entwickeln, mit digitalen Sensoren, Nervenbahnen aus Kunststoffen und Chips, die Befehle an die Muskeln senden. Gelähmte sollen eines Tages damit wieder gehen können.
Kombiniert mit Exoskeletten, einer Art Stützkorsett, könnten sie vielleicht sogar schneller laufen und größere Gewichte heben als jeder normale Mensch, glaubt Herr. Er selbst ist das beste Beispiel für Cyborg-Superkräfte: Mit seinen künstlichen Beinen kletterte er schon vor einer Weile seinen Kumpanen an der Steilwand davon. „Sie waren ziemlich sauer“, scherzt er, „und haben mir gedroht, sich auch die Beine amputieren zu lassen.“ Es klingt absurd, aber für Sportler könnten künstliche Beine bald verlockender sein als die eigenen.
In seinen Dreißigerjahren erhielt Larry Hester eine erschütternde Diagnose: Er litt an Retinitis pigmentosa, einer Erbkrankheit, die die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut zerstört. Viele Jahre später, Hester ist 66 und ergraut, nimmt er nervös auf einem Stuhl in einem Labor des Duke Eye Center in North Carolina Platz. Er lässt sich eine Spezialbrille aufsetzen, seine Frau Jerry schaut aufgeregt zu. Ein Forscher in weißem Kittel aktiviert eine Software. „Oh mein Gott“, sagt Hester und grinst: Erstmals seit 33 Jahren kann er Jerry wieder sehen.
Industrie
Schon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“
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Vor allem das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen. „In der Zukunft wird es keine Lokführer mehr geben, vielleicht auch keine Taxifahrer und Lkw-Fahrer mehr“, glaubt etwa Bayerns DGB-Chef Matthias Jena. Studien prognostizieren Ähnliches: Bereits in zehn Jahren könnte jeder dritte in Europa verkaufte Lastwagen etwa auf der Autobahn automatisiert fahren, erwartet etwa die Beratungsfirma McKinsey. Im Gegenzug könnten rund um die Roboter-Autos und -Lkw aber auch neue Service-Dienstleistungen entstehen.
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Schreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig.
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Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab. In stationären Läden aber sitzen meist noch Menschen an den Kassen, obwohl sich auch das Bezahlen automatisch regeln lässt. Das macht auch der Versandriese Amazon vor: In den USA testet er einen Supermarkt ohne klassisches Kassensystem und Verkaufspersonal - abgerechnet wird per Smartphone-App und Kundenkonto.
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Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten. Wo bisher meist viel Arbeit von wenigen Händen erledigt werden musste, sind maschinelle Kollegen eine willkommene Unterstützung. Ausschließlich maschinell wird aber auch der Bauernhof der Zukunft mit seinen vielfältigen Tätigkeiten wohl nicht funktionieren.
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Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen. Doch weil das menschliche Personal knapp ist, könnten Roboter auch hierzulande zur wichtigen Stütze werden. Im Einsatz sind sie teils schon heute bei der Essensverteilung oder beim Transport von Wäsche und Sterilgut - und als präzise Helfer am OP-Tisch.
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Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst, und neue Anwendungen dürften mit dem vernetzten Zuhause hinzukommen. Der Welt-Roboter-Verband IFR erwartet, dass von 2016 bis 2019 weltweit insgesamt rund 31 Millionen Roboter verkauft werden, die beim Rasenmähen, Staubsaugen oder Fensterputzen helfen. Assistenzroboter für Menschen mit Behinderung sind da noch nicht eingerechnet. Die Haushaltshilfe aus Fleisch und Blut aber werden sie nach Einschätzung des Heidelberger Instituts für Trend- und Zukunftsforschung nicht vollständig ersetzen. Manche Hausarbeit kann von Menschen einfach besser und schneller erledigt werden, und der Hilfsbedarf in der alternden Gesellschaft bleibt groß.
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E-Learning gibt es zwar längst. Doch in Kindergarten, Schule oder Ausbildung geht es um mehr als um das reine Vermitteln von Stoff. Überall da, wo Sozialkompetenz, pädagogisches Wissen und Empathie gefragt sind, werden Roboter zumindest auf absehbare Zeit kaum mit dem Menschen mithalten können, ist Katharina Dengler vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung überzeugt.
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Zwar dürften solche Berufe angesichts von Spezialisierungsgrad und Komplexität weniger stark der Automatisierung ausgesetzt sein. In Teilbereichen wird künstliche Intelligenz aber durchaus eine Rolle spielen, wenn es etwa um die Prüfung großer Vertragswerke geht. Tendenziell schütze eine akademische Ausbildung besser davor, ersetzt zu werden, sagt IAB-Expertin Dengler.
Foto: dpa-ZentralbildDas Video von dem Moment geht bald um die Welt. Hester ist einer der ersten Menschen, der ein bionisches Auge des US-Unternehmens Second Sight nutzt. Seine Brille hat eine Kamera im Bügel, vergleichbar mit den Kameras, die in Smartphones eingebaut werden. Deren Bilder werden von einem Computer an Hesters Gürtel in Signale verwandelt, die ein Sender an der Brille per Funk in Hesters Auge beamt. Dort ist ein Chip implantiert, der die Funksignale in elektrische Pulse umwandelt, die wiederum die Nervenzellen in der Netzhaut aktivieren. Dadurch kann Hester wieder graue Schemen erkennen. Er kann eine Tür von einer Wand unterscheiden, einen Zebrastreifen sehen oder die Form eines Gesichts.
Mit dem bionischen Auge, das inzwischen 250 Menschen nutzen, ist Second Sight Pionier bei der Entwicklung künstlicher Sinnesorgane. Im Labor ist das Unternehmen schon einen Schritt weiter: Die nächste Version seines elektronischen Auges soll sich direkt mit dem Gehirn verbinden. Dazu wollen die Forscher Blinden Elektroden direkt auf den visuellen Kortex implantieren – jenen Teil des Gehirns, der die Informationen des Sehnervs verarbeitet. Das würde auch Patienten helfen, deren Sehnerv zerstört ist. Und vielleicht wird der künstliche Sehsinn dank der direkten Anbindung ans Hirn sogar noch besser als per Netzhautchip.
Möglich erscheint das überhaupt nur, weil sich das Gehirn als erstaunlich flexibel herausgestellt hat. Es ist hervorragend darin, in neuen Signalen Muster zu erkennen – ob sie nun von einem natürlichen Auge stammen oder von einem Computerchip. Darum wäre es auch denkbar, Menschen etwa mit einer Infrarotkamera zu verbinden, sodass sie im Dunkeln sehen könnten.
Eine andere Erweiterung der Sehsinns schwebt dem US-Unternehmer Gary Wörtz vor, Gründer von Omega Ophthalmics: Er entwickelt eine künstliche Linse, wie sie inzwischen schon vielen Patienten mit grauem Star ins Auge eingesetzt wird. Der Clou: Wörtz will in seiner Linse Platz lassen für künftige elektronische Bauteile. So ließen sich etwa durchsichtige Bildschirme integrieren, die Navigationspfeile und andere Informationen aus dem Internet anzeigen – Augmented Reality fürs Auge.
Elektronik und Körper werden so mehr und mehr miteinander verschmelzen. Und je kleiner elektronische Bauteile werden, desto tiefer werden Forscher sie in den Körper hineinbauen. Darauf wettet beispielsweise das britische Start-up Galvani – eine Neugründung des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline und der Google-Mutter Alphabet. Ausgestattet mit umgerechnet rund 600 Millionen Euro Startkapital, soll Galvani Implantate entwickeln, kleiner als Reiskörner, die sich an Nerven binden und deren Signale beeinflussen sollen. In Tierversuchen zeigte sich, dass die Technik gegen chronische Krankheiten helfen kann. Ab 2023 wollen die Briten mit ihren Nervenchips beispielsweise die Insulinproduktion im Körper anregen, um Diabetes zu behandeln, oder Muskeln stimulieren und damit gegen bestimmte Lungenkrankheiten angehen.
Kürzlich bauten Forscher der Universität Wyoming sogar ein System, mit dem sich die Aktivität ausgewählter Körperzellen per Handy fernsteuern lässt. Per Genmanipulation brachten sie den Zellen bei, Insulin zu produzieren, sobald rotes Licht auf sie fällt. Sie pflanzten die Zellen in Mäusen ein, zusammen mit einer LED-Lampe. Die Lampe ließ sich über eine Handy-App fernsteuern. Sobald ein Blutzuckermessgerät hohen Blutzucker meldete, aktivierte die App die Lampe und damit auch die Insulin-Zellen. Künftig könnte das System bei Diabetikern via Handy den Blutzucker automatisch regulieren – eine App für den Pankreas also.
Die größten Fantasien aber drehen sich derzeit um ein anderes Organ: das Gehirn. Gelänge es, eine Verbindung zwischen Hirn und Computer zu entwickeln, dann könnten biologische Intelligenz und künstliche Intelligenz miteinander verschmelzen, hofft etwa Tesla-Chef Elon Musk. Dessen Start-up Neuralink entwickelt eine solche Gehirn-Computer-Schnittstelle. Menschen könnten dann mit Gedankenkraft Geräte steuern, E-Mails schreiben oder Erinnerungen teilen. Auch bei Facebook arbeiten Wissenschaftler an dieser Vision. Forscher an der University of California haben dafür schon Drahtlos-Sensoren entwickelt, so klein wie Staubkörner, die künftig zu Tausenden im Gehirn die Aktivität der Neuronen auslesen und die Daten an einen Computer funken könnten.
Der Futurist Ray Kurzweil, der bei Google an künstlicher Intelligenz arbeitet, glaubt, dass wir unsere natürlichen Körperteile nach und nach durch technologische Bauteile ersetzen. Menschen könnten etwa künstliche Blutzellen entwickeln, die sich von selbst durch die Blutbahn bewegen und damit das Herz überflüssig machen. In den 2030er-Jahren schon, glaubt Kurzweil, werden Gehirne direkt mit einer Daten-Cloud verbunden werden und Gedanken dort abspeichern – oder neue intellektuelle Fähigkeiten herunterladen wie Apps. Wir könnten mithilfe von künstlicher Intelligenz unsere Kreativität steigern, unsere Wortgewandtheit, unser Gedächtnis und unsere Empathie. Der Mensch werde dann seine Möglichkeiten viel tiefer ausschöpfen als je zuvor.
Was aber, fragt der Historiker Harari, bleibe noch vom Individuum übrig, wenn sich eines Tages Gehirne und Computer zu einer global vernetzten Superintelligenz verbänden? Wer ist dann noch Ich, wer Du? Wird die Kluft zwischen Arm und Reich noch tiefer, wenn Superreiche ihre Körper viel weitgehender aufrüsten als der Rest der Menschheit? Wird es ein Wettrennen der Selbstoptimierung geben, bei dem auf der Strecke bleibt, wer nicht mitzieht?
Für Biohacker Zayner, der sein eigenes Erbgut manipuliert, gibt es nur einen Weg: den nach vorn. Jeder solle künftig in der Lage sein, DNA zu manipulieren. Mit seinem Startup The Odin verschickt er schon Kits aus Pipetten und Flüssigkeiten mit DNA-Fragmenten, mit denen Laien Bakterien genetisch modifizieren können. Und für 20 Dollar verkauft er in seinem Onlineshop einen Genscheren-Bausatz. Mit ein paar Arbeitsschritten soll es angeblich jeder Nutzer schaffen, seine Muskeln wachsen zu lassen.