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Billig-Rakete aus ChinaExperten halten neue chinesische Superwaffe für einen Bluff

China behauptet, militärische Hyperschallgleiter für unter 100.000 Dollar bauen zu können. Experten geben Entwarnung – aber nur vorerst.Thomas Stölzel 10.12.2025 - 17:03 Uhr
Ein Screenshot des Gleiters aus einem Werbevideo des Anbieters Lingkong Tianxing. Foto: Bili Bili

Ende November ließ China die westliche Rüstungsbranche mit einer Nachricht aufhorchen: Das private Luft- und Raumfahrtunternehmen Lingkong Tianxing habe sogenannte Hyperschallgleiter entwickelt. Die Waffe solle nur 99.000 US-Dollar das Stück kosten, siebenfache Schallgeschwindigkeit erreichen und schon in Serie produziert werden.

Stimmte das, stünden westliche Streitkräfte vor einem riesigen Problem. Denn die Abwehr solcher Gleiter ist extrem schwierig und, wenn überhaupt möglich, dann ist sie sehr teuer. So kostet etwa ein PAC-3-Flugkörper des unter anderem von Deutschland eingesetzten Patriot-Abwehrsystems mehr als vier Millionen Dollar. Der Abfangkörper eines amerikanischen THAAD-Systems schlägt sogar mit 12 bis 15 Millionen Dollar zu Buche.

Würde Chinas Rüstungsbranche solche Hyperschallwaffen ins Ausland verkaufen, wären kleinere Staaten wie Venezuela und Milizen wie die Huthi-Rebellen in der Lage, teure westliche Kriegsschiffe, Flugzeugträger und Militärbasen zum Schnäppchenpreis anzugreifen und vermutlich schwer zu beschädigen. Das würde die bisherige Ökonomie des Krieges weiter infrage stellen, nach der reiche Nationen mit teuren Waffen noch immer im Vorteil sind.

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Rüstungsspezialisten äußern nun aber massive Zweifel, ob die in chinesischen Medien wie der „South China Morning Post“ und dem Staatssender CCTV kolportierten Zahlen zum YKJ-1000 genannten Gleiter stimmen können. So braucht ein solcher unter anderem einen mit Radar ausgestatteten Suchkopf, der hohe Temperaturen aushalten kann. „Das ist für den genannten Preis absolut nicht machbar“, kommentiert ein auf die Analyse potenziell feindlicher Waffensysteme spezialisierter Experte aus der Industrie. Bei den PAC-3-Flugkörpern von Patriot etwa macht der Suchkopf mehr als 50 Prozent des Preises aus. Selbst wenn China eine solche Technik zum halben Preis fertigen könnte, wäre das immer noch viel zu teuer.

Zement als Hitzeschild

Weiterhin benötigt ein solcher Gleiter ein Navigationssystem, das per Satellit den genauen Standort bestimmen kann. Zwar gibt es solche Chips für das chinesische GPS-Pendant BeiDou heute zum Spottpreis für den zivilen Einsatz, etwa in Hobbydrohnen. Allerdings lassen sich diese Empfänger auch leicht stören. „In einem echten Kriegsgerät würde man eine andere Technik verwenden“, erläutert der Experte. Etwa eine, die immer wieder von Frequenz zu Frequenz springt oder schwer vom Boden störbare Richtfunkempfänger nutzt. Das aber ist Hightech und teurer.

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Der wohl aufsehenserregendste Ansatz beim YKJ-1000 ist die Nutzung von geschäumtem Zement aus der zivilen Bauwirtschaft als Hitzeschild, statt teurer Spezialkeramik. Solche Gleiter werden mit einer Rakete auf einer ballistischen Flugbahn ins Weltall geschossen und fallen wieder zurück zur Erde. Dabei beschleunigen sie durch die Erdanziehung. In der Zwischenschicht zwischen Weltraum und Atmosphäre lenken sie jedoch in eine parallele Flugbahn und gleiten praktisch auf der Atmosphäre entlang bis zum Ziel, das sie dann plötzlich ansteuern können. Die hohe Geschwindigkeit und die flache Flugbahn sorgen dafür, dass diese Geschosse erst sehr spät geortet werden können. Das wiederum reduziert den verteidigbaren Radius einer Luftabwehrstellung massiv.

Der Zementhitzeschild heizt sich beim Hyperschallflug in den oberen Atmosphärenschichten und beim Eintauchen am Ende massiv auf. Dabei darf er allerdings die Form nicht zu sehr verändern, weil das bei den extremen Geschwindigkeiten des Gleiters Auswirkungen auf seine Flugbahn hätte. „Bei Mach 6 oder 7 tut man sich schwer, das über eine Rudertrimmung zu korrigieren“, erklärt der Waffenspezialist.

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Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist die Verwendung von geschäumtem Zement als Hitzeschutz zwar durchaus möglich. Zudem werde wohl ein Bindemittel genutzt. Das könne bei Übertemperatur schmelzen und somit Wärme aufnehmen. Aber auch beim DLR zweifelt man eher an der Zuverlässigkeit einer solchen Lösung.

Und wenn man gar nicht treffen will?

Bei einer Fertigung in Großserie, so das DLR, sei ein sehr niedriger Preis irgendwann denkbar. Um solche Skaleneffekte zu erreichen, müssten allerdings extrem hohe Stückzahlen hergestellt werden. Und für die müsste es Käufer geben. Dazu bräuchte es zudem eine billige Feststoffrakete, die den Gleiter ins All bringt.

Der Experte aus der Industrie, der auch die kolportierte Reichweite von bis zu 1300 Kilometern anzweifelt, nimmt daher an, dass die Ankündigung der Chinesen eher in den Bereich der psychologischen Kriegsführung fällt. China wisse, dass die jetzige US-Regierung vor allem in finanziellen Dimensionen denke, weniger in sicherheitsstrategischen. Meldungen dieser Art könnten daher dem Westen suggerieren, dass die US-Rüstung viel zu teuer und China massiv überlegen sei. Und dass der Westen sich mit dem Land lieber nicht anlegen sollte.

Ein Szenario für eine so billige Waffe gibt es aber in jedem Fall, führt der Industrieexperte aus: „Man könnte alle teuren Komponenten einfach weglassen, weil man gar keine Treffsicherheit braucht.“ Es sei nämlich durchaus denkbar, dass China Hunderte solcher Gleiter auf einmal ins Gebiet des Gegners schickt, allein um dessen Luftverteidigung zu überlasten. Nur zwei oder drei Gleiter wären dann mit der teuren Technik ausgestattet und würden das Ziel ansteuern und dank der überlasteten Abwehr recht zuverlässig zerstören. Denn wenn die Luftverteidigung nicht erkennen kann, welche Gleiter echt und welche nur Täuschkörper sind, ist sie wirkungslos.

Ein im chinesischen Internet kursierendes Video des Herstellers deutet zudem darauf hin, dass das System in einer Art Standardcontainer untergebracht werden soll. Es dürfte dadurch beispielsweise per Satellit nur sehr schwer aufzuklären sein.

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