Aldag hat vorerst mit den Kassen eine recht opulente Kostenerstattung von einer Million Euro pro Glybera-Kur ausgehandelt. Der endgültige Preis wird aber erst jetzt, im ersten Jahr der Zulassung, festgezurrt. Aldag kann sich vorstellen, dass die Versicherer die Therapie, die viele Krankenhausaufenthalte erspart und über Jahre wirkt, in Raten bezahlen: „Solange das Gen aktiv ist, ist eine Zahlung fällig.“
Bei der Preissetzung sei in Zukunft noch einiges an Kreativität gefordert, glaubt Aldag. Denn viele Therapien, die jetzt auf den Markt kommen, heilen Patienten mit schwerwiegenden, aber sehr seltenen Erbkrankheiten. Bei ihnen funktioniert ein einziges Gen nicht richtig, das macht sie zu idealen Kandidaten für diese Methode.
So wie bei Blinden mit dem Augenleiden Lebersche Amaurose. Mit einer einzigen Injektion direkt ins Auge konnten Forscher des Children’s Hospital of Philadelphia und der University of Pennsylvania ihnen ermöglichen, wieder wenigstens etwas zu sehen. Je jünger die Patienten waren, desto durchschlagender war der Effekt. Zwei der Wissenschaftlerinnen, Katherine High und Jean Bennett, haben mit Kollegen 2013 die Firma Spark Therapeutics gegründet. Damit „Gentherapie Wirklichkeit wird“, wie sie selbstbewusst verkünden. Innerhalb eines Jahres sammelten sie 83 Millionen Dollar Wagniskapital ein. Der Börsengang im Januar erbrachte 161 Millionen Dollar.
Mit ihrer Therapie ist die Firma bereits in der dritten und damit letzten Versuchsphase am Menschen. Sie erhielt im November von der US-Zulassungsbehörde FDA das Prädikat Durchbruch-Therapie, was eine schnelle Genehmigung wahrscheinlich macht. Die Spark-Leute wollen bis Ende des Jahres die Studie auswerten und die Zulassung Anfang 2016 beantragen.
Zwar ist das Leiden selten: In Europa und den USA leben nur 3500 Patienten. Aber die betroffene Erbanlage ist nur eine von 220, die Augenerkrankungen verursachen. Ein weiteres, weit häufigeres Blindmacher-Gen zu reparieren testen die Forscher bereits in Phase 1/2 am Menschen.
Das junge Start-up hat noch ein weiteres spannendes Projekt in der Pipeline: eine Therapie gegen die Bluterkrankheit, die Hämophilie. Je nachdem welcher der Blutgerinnungsfaktoren den meist männlichen Patienten fehlt, wird die Krankheit in A oder B eingeteilt – und sie betrifft immerhin einen von 5000, beziehungsweise einen von 25.000 Männern. Stoßen sich die Betroffenen auch nur leicht, kann es zu unstillbaren Blutungen kommen. Seit vielen Jahren können sich zumindest Patienten mit der häufigeren A-Variante mit biotechnisch hergestellten Medikamenten behelfen: Faktor VIII gehört zu den Branchenklassikern – ein Milliardenmarkt.
Das lukrative Geschäft, an dem Pharma- und Biotech-Größen wie Amgen, Bayer, Baxter und auch Pfizer gut verdienen, könnte in Zukunft in Richtung Gentherapie abwandern. Deshalb hat Pfizer sich im Dezember bei Spark eingekauft: 20 Millionen Dollar bekam die Gentherapiefirma sofort, 260 Millionen Dollar sollen im Laufe der Kooperation folgen. Noch in diesem Halbjahr beginnen erste Tests an Menschen.