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GrippewelleInfluenza kostet Deutschland Milliarden

Seit Wochen hat eine Grippewelle Deutschland im Griff: Büros sind leer, Busse bleiben wegen kranker Fahrer im Depot und die Kliniken überfüllt. Der gesamtwirtschaftliche Schaden übersteigt die zwei Milliarden-Marke. 04.03.2015 - 11:48 Uhr

Deutschland fiebert, hustet und schnupft: Die Grippewelle wandert vom Süden einmal quer durch das Land, Experten sprechen von einem der heftigsten Ausbrüche in den vergangenen fünf Jahren. Eine Grippe meldet sich plötzlich mit raschem Temperaturanstieg, großer Abgeschlagenheit, heftigen Kopf- und Gliederschmerzen. Auslöser sind Influenza-Viren, die meist durch Tröpfcheninfektion - also beim Niesen, Husten oder Sprechen - von Mensch zu Mensch übertragen werden.

Schwere Infektionen wie Lungen- und Herzmuskelentzündung können folgen. Erkältungen, auch grippale Infekte genannt, weisen häufig ähnliche Symptome auf. Der Krankheitsverlauf steigt aber in der Regel weniger sprunghaft an und ist meist weniger schwer. Da es rund 200 verschiedene Erkältungsviren gibt, kann man mehrmals hintereinander erkältet sein.

Grippe nicht überall gleich stark verbreitet

Wie viele Patienten derzeit wegen Influenza im Krankenhaus liegen, ist noch nicht bekannt. Aber allein in der letzten Februarwoche wurden bundesweit über 7000 neue Grippefälle gemeldet. 2013 wurden in Deutschland 14.027 Menschen aufgrund einer Grippe vollstationär im Krankenhaus behandelt, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das waren über 9000 Fälle mehr als im Jahr 2012. „Regional gab es große Unterschiede“, berichtete Destatis-Mitarbeiter Thomas Graf: Während 2013 in Bremen nur fünf Personen je 100.000 Einwohner im Krankenhaus versorgt werden mussten, waren es in Sachsen-Anhalt mit knapp 41 Personen je 100.000 Einwohner mehr als achtmal so viele.

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Auch dieses Jahr hat es einige Regionen heftiger erwischt, als andere. So waren Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen weitaus schlimmer dran, als die östlichen Bundesländer. Derzeit schwappt die Grippewelle in Deutschland gen Norden. Insgesamt kletterte die Zahl der im Labor bestätigten Diagnosen seit Herbst auf bald 27.000. Das teilte die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des Robert Koch Instituts (RKI) mit. Es gibt aber eine hohe Dunkelziffer, da nicht jeder Fall gemeldet wird.

„Stark erhöhte Influenza-Aktivität“, meldet die AGI für alle Teile Deutschlands. Auch die Zahl der Arztbesuche schnellte deutlich nach oben. „Das erlaubt aber noch keine direkten Rückschlüsse auf das Ausmaß der Grippewelle“, betonte Susanne Glasmacher vom RKI. Erst im Nachgang könne die Heftigkeit bewertet werden.

Krankenhäuser sind überlastet

In den besonders von Grippe betroffenen Regionen sind viele Krankenhäuser jedoch bereits komplett dicht. „Die Lage ist regional unterschiedlich, aber teilweise stehen die Krankenhäuser sehr unter Druck“, sagte Holger Mages von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Grundsätzlich versuchten die Kliniken zusätzliche Kapazitäten vorzuhalten. Doch die Lage in den Notaufnahmen werde dadurch verschärft, dass viele Patienten statt zum Hausarzt direkt in die Krankenhausambulanz gingen.

„Die Notaufnahmen in Bayern sind alle komplett voll“, sagte der Sprecher der Landeskrankenhausgesellschaft, Eduard Fuchshuber. „Die Grippe und die Wintergeschichten kommen zu der eh angespannten Situation in den Notaufnahmen nun noch hinzu. So extrem wie dieses Jahr hab ich es noch nicht miterlebt.“ Ähnlich überfüllt ist die Situation in vielen Kliniken Baden-Württembergs, so die dortige Krankenhausgesellschaft.

Auch aus Niedersachsen melden viele Krankenhäuser Land unter. „Es ist ein flächendeckendes Problem, aber besonders stark betroffen sind die Ballungsräume“, sagt Helge Engelke von der Landeskrankenhausgesellschaft in Hannover. So mussten in Braunschweig zwischenzeitlich Patientenbetten auf dem Flur stehen. Eng wird es auch dadurch, dass diagnostizierte Grippepatienten wegen der Ansteckungsgefahr einzeln untergebracht werden müssen. Außerdem werden in vielen Häusern seit Jahren Betten und auch Personal abgebaut.

Kleine Unternehmen stärker von den Folgen betroffen

Doch nicht nur die Krankenhäuser und Ärzte stönen unter der Last der Patienten, auch der Wirtschaft geht es schlecht. Einmal davon abgesehen, dass ein Grippekranker nicht konsumiert, fehlt er auch am Arbeitsplatz. In manchen Regionen wie beispielsweise Koblenz dünnten die Verkehrsbetriebe schon das Busnetz aus, weil die Fahrer krank im Bett liegen. Doch grundsätzlich leiden eher die kleinen Unternehmen als die großen Konzerne, wie auch der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) berichtet. Die Großen können solche Wellen in der Regel abfedern. „Wie immer“ oder „saisonüblich“ seien die Krankenzahlen zuletzt nach oben gegangen, oft wegen der Grippe. „Signifikant“ höher als in den Vorjahren sei der Ausschlag, heißt es etwa beim Chemiekonzern BASF mit 39.000 Beschäftigten in Ludwigshafen. Von Problemen sei ihr aus den Abteilungen „nichts zu Ohren gekommen“, so eine Sprecherin.

Körpergeräusche ignorieren

Lautes Niesen, Husten Schmatzen, Nase hochziehen - wer erkältet ist, gibt viele Körpergeräusche von sich. Das ist nicht nur für den Erkälteten unangenehm, sondern auch für alle, die drum herum sitzen. Benimm-Experten raten dazu, sämtliche Körpergeräusche zu ignorieren. Es ist auch ohne Mitleidsbekundungen, "Gesundheit!"-Rufe und Gejammer schon schlimm genug.

Foto: dpa

Hustenanfälle

Einzige Ausnahme sind Hustenanfälle. Wer sich vor lauter Husten und Keuchen gar nicht mehr beruhigt, darf auch ein wenig Mitleid von den Kollegen erwarten. Vernünftig ist es jedoch, das Büro bei einem lautstarken Hustenanfall zu verlassen und sich zum Beispiel in der Büroküche ein Glas Wasser zu genehmigen, bis das Schlimmste überstanden ist.

Foto: CLARK/obs

Das richtige Taschentuch

Für das Putzen der Nase empfehlen Knigge-Profis und Mediziner aus hygienischen Gründen ein Papiertaschentuch. Um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, sollte man jedoch lieber auf ein Stofftaschentuch zurückgreifen. Wer möchte schon mit Papierkrümeln auf der Stirn in einem Meeting sitzen?

Foto: dpa

Auf den Handschlag verzichten

Der kräftige Händedruck zur Begrüßung ist nur dann höflich, wenn dabei keine Erkältungserreger weitergegeben werden. Wer eine regelrechte Bazillenschleuder ist, sollte darauf verzichten. Erklären Sie zum Beispiel beim Treffen mit einem Geschäftspartner, warum Sie auf den Handschlag verzichten wollen. Ihr Gegenüber wird es Ihnen danken.

Foto: dpa

Linke statt rechte Hand

Lässt sich der Handschlag nicht vermeiden, freut sich Ihr Gegenüber darüber, dass Sie in die linke Hand genießt haben. Die rechte ist tabu! Der Vorschlag, in die Armbeuge zu niesen, wird von Knigge-Kennern abgelehnt, da sich oft nicht vermeiden lässt, dass dabei Flüssigkeit aus der Nase fliegt und die Kleidung beschmutzt. Husten und Niesen Sie am besten in ein Papiertaschentuch, und drehen sich dabei vom Gegenüber weg.

Foto: dpa

Desinfizieren

Wer krank ist, sollte mehrfach täglich gründlich die Hände mit Wasser und Seife waschen und auch desinfizieren. Gerade in Büros bieten viele Arbeitgeber dafür medizinisches Desinfektionsmittel an. Beim Händewaschen gilt es, auch lange genug zu schäumen: seifen Sie sich mindestens 20 bis 30 Sekunden ordentlich ein. Anschließend müssen die Hände gründlich abgetrocknet werden. Denn in feuchtem Milieu gedeihen die Bazillen besser.

Foto: dpa

Arbeitsplatz reinigen

Mit einem Desinfektionstuch sollte der Erkältete von Zeit zu Zeit auch Tastatur und Maus abwischen, um den Arbeitsplatz frei von Bakterien und Viren zu halten.

Foto: AP

Keine Stifte tauschen

"Leihst du mir mal eben deinen Kuli?" - wer krank ist, sollte das höflich verneinen. Denn Stifte sind in der feuchten, warmen - und womöglich angeniesten - Hand ein fröhliches Tummelfeld für Bazillen.

Foto: Fotolia

Essen gehen

Vorsicht bei Essen mit ausländischen Geschäftspartnern. Das Naseputzen am Esstisch ist lediglich in den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz akzeptiert. In anderen Ländern ist dies absolut verpönt. Andere Nationen verlassen zum Schnäuzen den Tisch.

Foto: dapd

Trinken, trinken, trinken

Wer krank ist, sollte viel trinken. Das beugt Kopfschmerzen vor und spült den Körper gut durch. Darüber sprechen sollte man wiederum nicht. Die Kollegen interessiert Ihre Krankheit in der Regel nicht. Einfach stillschweigend einen Liter nach dem anderen trinken.

Foto: gms

Vorbereitungen für den Arztbesuch

Ist ein Arztbesuch doch unvermeidlich, sollte dieser gut vorbereitet werden. Verteilen Sie für die Zeit Ihrer Abwesenheit die ausstehenden Aufgaben an die Kollegen. Dabei sollte darauf geachtet werden, nur die wirklich wichtigen Dinge weiterzugegeben. Eine Übergabe per E-Mail mit wichtigen Links und Informationen macht den Kollegen das Leben leichter.

Foto: ZBSP

Vorsicht bei allem, was man anfasst

Grundsätzlich ist mangelnde Händehygiene ein Problem. Daher sollten Kranke sich bewusst sein, dass sie auf alles, das man anfasst, Erkältungserreger übertragen. Dazu zählen also auch Türklinken, Lichtschalter, der Aufzugknopf, der Bürokopierer, Tische, Armlehnen und so weiter. Ein Päckchen Desinfektionstücher für die Hände sollte man griffbereit haben.

Foto: Fotolia

Hände weg vom Gesicht

Die Erkältungserreger gelangen vor allem über die empfindlichen Schleimhäute in den Körper. Trockene Heizungs- oder Klimaanlagenluft macht sie erst recht zum Einfallstor. Lassen Sie also die Hände weg von Mund, Nase und Augen. Vor allem, wer sich gerade die Grippe-Nase geputzt hat, sollte nicht am Auge herumtatschen - es droht eine Bindehautentzündung.

Foto: Fotolia

Fenster auf!

Apropos trockene Luft: Auch im Büro sollte regelmäßig gelüftet werden, erst recht, wenn die Kollegen im Großraumbüro ein Husten- und Schnupfen-Konzert geben. Frische Luft wirkt der Weiterverbreitung der Erreger entgegen und senkt so das Ansteckungsrisiko.

Foto: REUTERS

Keine gebrauchten Taschentücher anfassen

Ordnungsliebe in allen Ehren - aber fassen Sie keine gebrauchten Taschentücher an, die irgendjemand liegen gelassen hat oder die heruntergefallen sind. Ein vollgeschnäutztes Taschentuch gehört übrigens auch nicht in die Hosentasche! In der warmen Körpernähe gedeihen Bakterien bestens.

Foto: dpa

Wasserhähne mit Papiertuch zudrehen

Auf öffentlichen Toiletten sind berührungslose Systeme wünschenswert - in vielen Büros gibt es das aber nicht. Da hilft ein Trick: Weil auch Wasserhähne und Seifenspender Bakterienhorte sind, sollte man sie mit einem Wegwerf-Papiertuch anfassen.

Foto: dpa

BMW, Daimler oder Siemens, die anderen Industrieriesen im Süden, melden Ähnliches: Der Krankenstand bewege sich in einem für den Winter üblichen Maß. „Das ist für die Jahreszeit nicht untypisch“, sagte ein Siemens-Sprecher. Eine Sprecherin von Daimler in Stuttgart nennt es „saison- und witterungsbedingt“. Seit Jahren biete man kostenlose Grippeimpfungen an, die auch gut angenommen würden. Das die Impfung in dieser Saison nicht so recht greife, und der Schutz nicht so groß sei wie üblich, habe sich herumgesprochen. Besondere Vorkehrungen gebe es dennoch nicht: Die Mitarbeiter würden jeweils im Herbst im Intranet auf die nahende Grippezeit und die Impfungen hingewiesen, heißt es bei Daimler. Auch bei der BASF gehen über ein internes Infosystem regelmäßig Hygienetipps herum.

Wirtschaftlicher Schaden liegt bei über zwei Milliarden Euro

Bei tausenden Mitarbeitern mache sich der krankheitsbedingte Ausfall nicht so bemerkbar wie bei einigen Betrieben mit zehn oder zwanzig Beschäftigten, hieß es beim BWIHK in Stuttgart. Bei einer kleinen Export-Firma seien fünf von sieben Mitarbeitern krank gewesen. „Aber sowas sind Einzelfälle.“ Zahlen vom aktuellen Krankenstand in den Südwest-Unternehmen gebe es nicht. Mancherorts wird von zehn und mehr Prozent gesprochen.

Trotzdem: Hochgerechnet kostet die diesjährige Grippewelle die Bundesrepublik einiges: Laut Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstituts (RWI), die der Zeitung "Die Welt" vorliegen, könnte das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal durch die aktuelle Grippewelle um 0,3 Prozentpunkte zurückgehen. Das entspricht einem volkswirtschaftlichen Schaden von etwa 2,2 Milliarden Euro.

dpa
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