Hirndoping Mit diesen Drogen pimpen Manager ihr Gehirn

Selbstoptimierung: Ein Mann schüttet sich Tabletten in die Handfläche. Quelle: Pexels

Der Drang zur Selbstoptimierung erreicht das Gehirn. Immer mehr Leistungsträger nehmen Pharmazeutika, um ihre Leistung zu steigern. Macht das schlau – oder nicht doch abhängig?

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Als die Blicke der Kollegen sich verändern, bemerkt er, dass nicht alles in seinem Sinne läuft. Der Mann ist Ende 40, er hat lange in einer Mailänder Bank gearbeitet. Und er hat sie geliebt, diese Blicke, wenn er mal wieder in unglaublicher Zeit unglaubliche Dinge weggearbeitet hatte. Wenn er auch nach zwölf Stunden noch in der Lage war, sich auf letzte Details in einem Zahlenwerk zu konzentrieren. Wenn er sich Dinge einprägen konnte, vor denen die anderen kapitulierten. „Aber dann“, sagt der Mann, der in der folgenden Stunde viel berichten wird, aber seinen Namen nicht öffentlich machen möchte, „änderte sich irgendwann irgendwas in diesen Blicken. Aus der Bewunderung wurde Befremden.“

Als der Mann in einem lichten Moment seine Gegenüber nach diesem Befremden fragte, irritierten ihn die Antworten. „Launisch.“ „Roboterhaft.“ „Maskiert.“ So sahen die anderen ihn plötzlich, der sich selbst für leistungsstark, fokussiert, brillant gehalten hatte. Dafür hatte er das Zeug ja genommen. Modafinil. „Es half am Anfang dabei, dass ich mich sammle, dass ich gleichzeitig angespannt und ruhig war“, sagt der Mann. „Und als ich sah, dass ich damit mit meinen Sachen besser und schneller vorankam, hab ich es eben häufiger genommen. Es schien, als habe ich an mein Hirn eine zusätzliche Festplatte angebaut.“ Nur dass diese Festplatte einige Nebenwirkungen hatte und sich irgendwann abnutzte. So schildert er es jedenfalls.

Und bringt damit ein Dilemma auf den Punkt, das sich in Vorstandsetagen wie Büros gleichermaßen ausbreitet: Getrieben von Leistungsdruck und Selbstoptimierungsparadigma versuchen Manager, Arbeitnehmer und Leistungsträger in immer größerem Ausmaß, nach ihren Körpern nun die Leistungsfähigkeit ihrer Gehirne zu optimieren. Das sogenannte Neuro Enhancement ist Trend wie klinischer Befund gleichermaßen; ein gigantisches Versprechen mit völlig ungeklärten Nebenwirkungen. Und so lange technologische Erweiterungen des Gehirns, wie sie etwa Facebook-Chef Marc Zuckerberg, Google-Vordenker Ray Kurzweil oder Multi-Unternehmer Elon Musk für die nächsten Jahre versprochen haben, noch auf sich warten lassen, greifen immer mehr Menschen zu pharmazeutischen Möglichkeiten der Selbstoptimierung. Mit ungeahnten Folgen.

Leistung, die Leiden schafft
Einfach bei sich zu bleiben, das ist nicht das größte Talent des Menschen. Archäologische Funde aus der Zeit um 2000 vor Christus belegen, dass wir schon lange auf der Suche nach der eigenen Transzendenz sind. Bei einer Ausgrabung in Argentinien entdeckten Forscher kleine Pfeifen, die aus ausgehöhlten Pumaknochen geschnitzt und mit Samenresten des Cohoba- oder Yopo-Baums (Anadenanthera peregrina) gefüllt waren. Diese Samen der Pflanze aus der Familie der Hülsenfrüchtler enthalten das Halluzinogen DMT (Dimethyltryptamin). Bei Genuss tritt man für etwa fünfzehn Minuten in einen Zustand der Bewusstseinsveränderung über, begleitet von Halluzinationen, erotischen Ekstasen oder Flugerlebnissen. Im ungünstigen Falle einer zu hohen Dosierung entstehen Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen und am nächsten Tag ein schnöder Kater. Offenbar waren Menschen sehr früh so findig, die pulverisierten Samen in einer Pfeife zu verdampfen und sich den Rauch zu Kopf steigen zu lassen. Yopo als frühbronzezeitlicher Vorläufer eines Joints.

Über sich hinauszuwachsen, die Grenzen der eigenen Sinneserfahrungen zu überschreiten, dafür haben Menschen oft sogar ihr Leben riskiert. Viele Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass ein Forscher- und Erkenntnisdrang Ursache für gefährliche Selbstversuche war. Albert Hofmann, der Entdecker des LSD, beschreibt seine Experimente mit dem starken Halluzinogen als unglaubliches Erlebnis mit fantastischen Bildern und einem kaleidoskopartigen Farbenspiel: „Ich war mir bewusst, dass der neue Wirkstoff LSD mit derartigen Eigenschaften in der Pharmakologie, in der Neurologie und ganz besonders in der Psychiatrie von Nutzen sein müsse.“

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