




Alle wollen weg und wer eben kann, der tut es auch. 80 Prozent der jungen Ärzte und Medizinstudenten beim ärmsten EU-Mitglied Bulgarien wollen möglichst schnell ins Ausland wechseln. Das ergab eine Umfrage im letzten August. Beim EU-Kandidaten Serbien sieht es ganz ähnlich aus. Beim EU-Mitglied Kroatien regte ein Minister wegen des Massenexodus im Herbst an, man solle den „Fahnenflüchtigen“ eventuell einen Teil ihrer Ausbildungskosten in Rechnung stellen.
Die kroatische Ärztekammer sieht trotz der Abwanderung von rund 800 Doktoren bis November letzten Jahres keinen Grund zur Panik. „Das ist ein natürlicher Prozess“, macht Vorstandsmitglied Katarina Sekelj-Kauzlaric gute Mine zum bösen Spiel. Doch was sie weiter sagt, könnte sich am Ende zu einem Riesenproblem auswachsen: Das Durchschnittsalter der Auswanderer liege bei 40 Jahren, daneben kehrten aber auch Top-Spezialisten ihrer Heimat den Rücken. Die Gründe: Höhere Verdienste, bessere Fortbildung, Bereitstellung von Dienstwohnungen, schnellere Karriere, modernere Arbeitsbedingungen und -geräte jenseits der Grenzen.
Medizinerjargon
Über der Nase liegt ein wichtiges Organ des Menschen – das Gehirn. Mit dieser Floskel verheimlichen die Ärzte, dass sie einen Patienten für nicht so intelligent halten.
Will ein Arzt nicht in Anwesenheit des Patienten über einen Befund sprechen, will er dies „außerhalb der Mauern“, also außerhalb des Patientenzimmers tun.
Hält ein Arzt einen Patienten für nicht so intelligent, wählt er diesen Ausdruck. Er attestiert ihm somit, dass er „einen an der Waffel“ hat und ihm auf den Keks geht – abgeleitet vom Namen des Keksherstellers Bahlsen.
So wie die Diarrhoe ist die Logorrhoe eine Art von Durchfall – dieser Begriff trifft auf eine Person zu, die ein unstillbares Redebedürfnis besitzt.
c.p. oder die Langfassung caput piger heißt wörtlich übersetzt „fauler Kopf“. Ärzte nennen so Patienten, die sich in der Therapie ihrer Krankheit nicht richtig einbringen.
Jeder kennt Flatulenzen, weithin als Blähungen bekannt. Spricht ein Mediziner vom Flatus Transversus, attestiert er dem Patienten einen „quersitzenden Furz“ – ihm fehlt nichts.
„Gomer“ ist die Abkürzung für „Get Of Out My Emergency Room“, und bezeichnet zumeist ältere Patienten, die an mehreren Krankheiten leiden und nicht mehr geheilt werden können.
Im armen Nachbarland Bosnien-Herzegowina reden die Ärztevertreter Klartext: Es drohe der „Kollaps des Gesundheitssystems“, sagte Ärztekammer-Präsident Harun Drljevic der Zeitung „Dnevni avaz“ in Sarajevo. Nur im vergangenen Jahr seien 570 Pflegekräfte nach Deutschland abgewandert, berichtet Boris Pupic von der Arbeitsagentur dem Portal klix.ba. Die seien ganz offiziell in Zusammenarbeit deutscher und bosnischer Behörden vermittelt worden. Die Dunkelziffer ist aber viel höher, weil die privaten Abwanderungskanäle von niemandem statistisch erfasst werden.
Rund 500 Ärzte seien im vergangenen Jahr aus Serbien ins Ausland gewechselt, schätzt das Staatsfernsehen. Zwischen 400 und 500 waren es in Bulgarien. Aus Rumänien haben 2450 Ärzte die Seiten gewechselt. Getroffen davon wurden vor allem die Krankenhäuser, wo es mit 13.521 nur halb so viele Mediziner gibt wie vorgeschrieben. Vor vier Jahren wurden noch 20 648 Krankenhausärzte gezählt. Rechnet man die Abwanderung und den Abgang in den Ruhestand gegen die Hochschulabsolventen auf, fehlen Rumänien jedes Jahr 500 Ärzte.
Beliebteste Länder für die Abwandernden sind mit Abstand Deutschland und Österreich, gefolgt von Skandinavien und Großbritannien. In Serbien kann ein Spezialist bis zu 900 Euro im Monat verdienen. In Kroatien beträgt das Durchschnittseinkommen der knapp 20.000 Ärzte 5200 Kuna (680 Euro). Nach 20-jähriger Berufspraxis steigt das Gehalt auf 9000 Kuna (1170 Euro). In Rumänien liegen die Gehälter zwischen 250 Euro und 1500 Euro. Deutsche und österreichische Krankenhäuser locken auf Beschäftigungsmessen und einschlägigen Internetportalen mit Anfangsgehälter von 2200 Euro netto.
Daneben wird die übliche Bereitstellung einer Dienstwohnung von den wechselwilligen Ärzte als zusätzlicher Anreiz betrachtet. Die Auswanderer stören unisono die unattraktiven Gesundheitssysteme ihrer Heimatländer. In Kroatien verdienen alle Ärzte gleichen Alters und gleicher Qualifikation gleich. Und das Hinzuverdienen in einer privaten Praxis ist schwierig: Das Gesundheitsministerium muss dazu jeweils eine Einzelerlaubnis ausstellen.