SARS-CoV-2 Wie schnell können neue Medikamente auf den Markt kommen?

Juristin Caroline von Nussbaum ist Expertin für Arzneimittelrecht im Münchner Büro der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons. Quelle: PR

Weltweit arbeiten Unternehmen und Universitäten an Medikamenten und Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus. Aber wie schnell können die neuen Mittel auf den Markt kommen? Fragen an eine Expertin für Arzneimittelrecht.

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Unternehmen und Forschungseinrichtungen überall auf der Welt suchen nach Medikamenten und Impfstoffen, um dem Coronavirus entgegenzutreten. Getestet werden nun auch Präparate, die eigentlich für andere Anwendungen gedacht waren – darunter  ein Ebola-Medikament oder ein Bayer-Präparat gegen Malaria. Aber wie schnell können die neuen Mittel auf den Markt kommen? Fragen an die Juristin Caroline von Nussbaum, Expertin für Arzneimittelrecht im Münchner Büro der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons.

WirtschaftsWoche: Frau von Nussbaum, derzeit laufen weltweit Tests, wie sich bereits vorhandene Arzneimittel auch gegen das Coronavirus einsetzen lassen. Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

Caroline von Nussbaum: Grundsätzlich brauchen vorhandene Medikamente, wenn sie für eine weitere Krankheit angewendet werden sollen, eine neue Zulassung.

Das allerdings würde Jahre dauern. Bei der grassierenden Corona-Pandemie würde das nicht weiterhelfen.

Daher gibt es zum Beispiel die Möglichkeit einer bedingten Zulassung: Die Behörden verzichten dabei erstmal auf größere Tests an Hunderten oder Tausenden Patienten, den sogenannten Phase-3-Studien. Es reichen dann Tests an einer überschaubaren Zahl von Patienten. Dafür verpflichtet sich das Unternehmen jedoch, die größeren Tests etwa innerhalb eines Jahres nachzureichen. Gleichzeitig bearbeiten die Behörden natürlich die Zulassungsanträge schneller und mit Priorität. Um Zeit zu sparen, sprechen sich etwa Behörde und Unternehmen rechtzeitig ab, welche Tests überhaupt nötig sind.

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Und wie schnell kommt das Medikament dann auf den Markt?

Bis zur Einführung des Medikaments können dann Monate, ein Jahr oder auch länger vergehen. Im normalen Zulassungsverfahren sind es dagegen in der Regel mehrere Jahre. Solche Schnellverfahren sind allerdings die Ausnahme. Grundsätzlich geht Gründlichkeit vor.

Und wie steht es um die Sicherheit für die Patienten, wenn die Arzneimittel so schnell durchgewunken werden?

Bislang sind die Erfahrungen gut. In der Vergangenheit wurden auch bereits Grippemittel, Krebspräparate oder innovative Antibiotika bevorzugt und beschleunigt zugelassen. Mir ist kein Fall bekannt, in dem sich hinterher erwiesen hat, dass die Patienten dadurch einem höheren Risiko ausgesetzt waren.

Gilt das auch für Impfstoffe?

Bei Impfstoffen sind die Anforderungen an die Sicherheit, auch bei der beschleunigten Zulassung, strenger. Schließlich werden Impfstoffe ja zur Prävention an Gesunde verabreicht und sollen eine dauerhafte Immunantwort im Körper erzeugen. Das ist schon ein großer Unterschied zu klassischen Arznei-Pillen. Hinzu kommt, dass Impfstoffe zuweilen Gegenreaktionen auslösen können, dass der Körper also geschwächt werden kann.

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Mal konkret: Das Tübinger Biotechunternehmen Curevac will im Juni mit Tests zu einem Corona-Impfstoff beginnen, bereits im Herbst sollen große Studien mit Zehntausenden Patienten beginnen. Ist das realistisch?

Curevac und andere Biotechunternehmen arbeiten nach einem völlig neuen Verfahren. Der große Vorteil ist, dass damit Tausende Impfstoffe innerhalb kürzester Zeit produziert werden können. Nur: Bislang ist kein Medikament dieser Klasse genbasierter Impfstoffe zugelassen. Für die Zulassungsbehörden ist das Neuland. Ich kann mir daher vorstellen, dass Corona-Impfstoffe, die durch eher herkömmliche Verfahren hergestellt werden, schneller die Zulassung schaffen. An solchen Impfstoffen arbeiten etwa die britische Universität Oxford sowie der Pharmakonzern Janssen.

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