
Seit Wochen schon hat sich die Sonne in Deutschland kaum noch blicken lassen. Stattdessen Nebel, Regen, Schnee, Wind und Eisglätte. Dabei wäre Sonne gut für das Gemüt und regt dabei auch die Bildung von Vitamin D in unserem Körper an – und an dem scheint sich die Wissenschaft mit ihren verhärteten Fronten die Zähne auszubeißen. Während Patienten irritiert daneben stehen und sich fragen, ob sie denn nun künstliche Vitamine einnehmen müssen oder nicht.
Aber von vorne: Vitamin D regelt sowohl den Kalzium- als auch den Phosphatstoffwechsel in unserem Körper. Es fördert dadurch die Härtung des Knochens und hat großen Einfluss auf die Kraft unserer Muskeln. Während alle anderen Vitamine über die Ernährung aufgenommen werden müssen, bildet sich das Vitamin D vor allem aus Vorstufen, die im Körper vorhanden sind, selbst. In der menschlichen Nahrung ist kaum Vitamin D enthalten, weshalb sich nur maximal 20 Prozent des benötigten Vitamins auf diesem Weg aufnehmen lassen. Vitaminreich sind nur fetter Seefisch, Eier, Milch und Pilze. Weil wir nicht genug dieser Lebensmittel zu uns nehmen, ist die Sonne so wichtig. Auf der Haut produziert der Körper das Vitamin mit Hilfe der UV-B-Strahlung aus Cholesterin.
Für diese exogene Synthese, wie die Experten die Vitamin-D-Bildung nennen, wird die Sonnenstrahlung ungefiltert gebraucht. „Das UVB-Licht muss ungehindert auf die Haut treffen. Es dürfen weder Sonnencreme - oder auch nur Hautcreme mit Lichtschutzfaktor - noch Kleidung die Sonnenlichtzufuhr bremsen“, sagt Angela Clausen, Expertin von der Verbraucherzentrale NRW. Und genau hier liegt nach Ansicht einiger Experten das nächste Problem. Nur noch wenige Menschen sind genug ungeschützt an der frischen Luft, so dass ihr Vitamin-D-Haushalt auf natürliche Art und Weise aufgefrischt bleibt. Laut Robert-Koch-Institut sind 60 Prozent der deutschen Bevölkerung unzureichend mit Vitamin D versorgt. In den USA ist das Thema inzwischen so allgegenwärtig, dass nahezu jeder Mensch dort sogenannte Supplemente zur Nahrungsergänzung zu sich nimmt.





In Deutschland war das lange verpönt. Das Gros der Experten ging immer davon aus, dass alle nötigen Nährstoffe über eine gesunde Ernährung aufgenommen werden können. Doch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat in der Debatte vor etwa zwei Jahren nachgegeben und die Aufnahmeempfehlung für Vitamin D von fünf Mikrogramm auf 20 Mikrogramm erhöht. Wobei der Wert geschätzt wurde, denn die endogene Vitamin-D-Bildung in der Haut durch die UVB-Strahlen lässt sich nur bedingt pauschalisieren. Sie ist von zu vielen unterschiedlichen Faktoren wie dem Breitengrad, der Jahres- und Tageszeit, der Witterung, der Kleidung, der Aufenthaltsdauer im Freier sowie dem Hauttyp abhängig.
Um auch Menschen in die Empfehlung mit einzuschließen, bei denen die exogene Synthese kaum auftritt, wurden die Werte erhöht. Gemeint sind Personen mit dunkler Hautfarbe, Senioren und allen Personen, die sich wenig draußen aufhalten, legte die Gesellschaft zudem Vitamintabletten ans Herz – zumindest von Oktober bis April.
Ein weiterer Hintergrund für die Kehrtwende sind Studien zur Knochengesundheit gewesen, die gezeigt hatten, dass Vitamin-D-Tabletten bei Senioren das Risiko für Knochenbrüche bei Stürzen um bis zu 30 Prozent vermindern können. Auch dem Muskelschwund im Alter könne mit einer zusätzlichen Portion Vitamin D abgeholfen werden.