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Yoshinori OhsumiMit Rotwein zum Medizin-Nobelpreis

Der japanische Wissenschaftler Yoshinori Ohsumi erhält in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin. Ein Forschungskollege erklärt, warum er die richtige Wahl ist und was seine Forschung ausmacht.Susanne Kutter 03.10.2016 - 14:04 Uhr

Yoshinori Ohsumi, Professor am Tokyo Institute of Technology wird in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Foto: REUTERS

Der Japaner Yoshinori Ohsumi wird für in diesem Jahr für die Entdeckung des sogenannten Autophagie-Mechanismus mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet, der unter anderem bei der Zersetzung von Zellbestandteilen eine Rolle spielt. Ohsumi wurde für seine „brillanten Experimente“ zur sogenannten Autophagie gewürdigt. Einem Prozess, bei dem Zellen ihre Inhalte zerteilen und sozusagen recyceln.

Volker Haucke vom Berliner Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie forscht am selben Themengebiet wie der Medizin-Nobelpreis-Gewinner: der Autophagie. Er gibt einen Eindruck von dem Forschungsgebiet und warum Yoshinori Ohsumi ein ehrwürdiger Preisträger ist.

WirtschaftsWoche: Haben die Nobelpreis-Juroren den richtigen Forscher gekürt?

Volker Haucke: Ja. Diesen Preis hat Yoshinori Ohsumi absolut gerechtfertigt verdient, denn er hat seit den 80er-Jahren am Thema des lebenswichtigen Prozesses der Autophagie geforscht. Damals interessierte sich noch kein Mensch dafür.

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Wozu ist dieser Prozess gut?

Autophagie sorgt dafür, dass die Zellen in einem von ihnen gesteuerten Prozess Teile von sich selbst verdauen können. Damit werden zum Beispiel störende Eiweiß-Komplexe entsorgt und deren Grundstoffe für die Zelle gleichzeitig wieder verwertbar gemacht.

Eine Art Recycling also?

Genau. Doch im Alter lässt diese Aktivität nach. Den Prozess mit pharmakologisch aktiven Substanzen wieder anzukurbeln könnte also eine Möglichkeit sein, viele der neurodegenerativen Erkrankungen einzudämmen wie etwa Parkinson, Chorea Huntington oder auch Alzheimer. Denn gerade da spielen störende Eiweißablagerungen eine große Rolle.

Wie lange könnte es dauern, bis solche Therapien erprobt werden?

Gar nicht so lange, denn es sind Naturstoffe wie das Resveratol im Rotwein oder Polyamine, die im Körper selbst oder zum Beispiel in Maggi reichlich vorhanden sind, die zumindest im Labor bei viele Zellsystemen auch die Autophagie wieder in Gang bringen.

Rotwein und Maggi gegen Alzheimer? Hat also der Rotwein heute den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommen?

Nein, natürlich nicht (lacht). Sondern ein sehr bescheidener Grundlagenforscher, der vor vielen Jahren eine wichtige Frage gestellt hat. Nämlich die, wie Hefezellen es schaffen, in widrigsten Lebensbedingungen nicht zu verhungern. Und dabei entdeckte er die Autophagie - also die Fähigkeit, sich teilweise aus sich selbst heraus zu ernähren. Der Preis zeigt, wie wichtig die Grundlagenforschung ist - mit Fragen, die vordergründig gar nicht so spannend klingen. Denn welcher Politiker würde schon für die Erforschung der Anti-Hunger-Strategie von Hefezellen viel Geld ausgeben. Aber wenn dabei Therapien gegen Alzheimer heraus kommen, klingt das schon ganz anders.

Nobelpreis-Verleihung

Es ist die Krönung jeder wissenschaftlichen Laufbahn, aus der Hand des schwedischen Königs den Nobelpreis in Empfang zu nehmen. für eine bahnbrechende Entdeckung den Nobelpreis bekommen. Doch damit das passiert, braucht es neben Talent und Wissen auch sehr viel Glück. Denn selbst wenn die Forschungssensation da ist, warten auf dem Weg zu der Auszeichnung noch etliche Stolpersteine. Hier eine Auswahl. (Foto: dpa)

Foto: DPA

1. Lange Wartezeit

In der Regel müssen Forscher viele Jahre darauf warten, bis ihre Entdeckung oder Erfindung mit dem Nobelpreis geehrt wird. Dann sind sie oft schon sehr alt. Und wer stirbt, bevor er den Nobelpreis bekommen hat, hat Pech gehabt – da mag die Entdeckung noch so groß sein. Denn ein Toter kann laut Satzung der Nobelstiftung den Preis nicht bekommen.

Foto: DPA

Dag Hammarskjöld

Allerdings gibt es eine Ausnahme von dieser Regel: Wer nach Bekanntgabe, aber vor Verleihung des Preises stirbt, bekommt ihn trotzdem. Der wohl bekannteste posthum Geehrte war der damalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld, dem 1961 der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde. Hammarskjöld kam drei Monate vor der Verleihungszeremonie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Foto: DPA

2. Forscherstreit um die Entdeckung

Die Entwicklung der Genschere Crispr-Cas9 gilt als Jahrhundertcoup. Um das Wunderwerkzeug, mit dem Erbgut wie mit einem Skalpell verändert werden kann, liefern sich die Forscherinnen Emmanuelle Charpentier (r.) und Jennifer Doudna auf der einen Seite und der Bioingenieur Feng Zhang auf der anderen Seite bis heute einen erbitterten Patentstreit. Keine guten Aussichten für einen Nobelpreis, denn...

Foto: Dpa

Nobelpreis-Jury

...ein Gerichtsstreit um eine Erfindung ist zwar kein Ausschlusskriterium für einen Nobelpreis, doch wenn die Forscher selbst sich so uneins sind, kann die Jury kaum entscheiden, wer denn nun die Auszeichnung verdient hat.

Foto: DPA

3. Wer zuerst kommt...

Wer hat im Rennen um eine bahnbrechende Entdeckung die Nase vorn? Das Veröffentlichungsdatum einer Studie liefert den Juroren zumindest einen Hinweis. „Man muss die wissenschaftliche Literatur gründlich lesen, um zu sehen, wer über eine Entdeckung wann eine Studie veröffentlicht hat“, sagt Nobeljuror Gunnar Ingelman.

Foto: DPA

Nobelpreis-Medaille

Wer sich nicht genug gesputet hat, riskiert, dass der Konkurrent das Rennen macht. Aber Ingelman betont auch: „Wenn nur kurze Zeit zwischen zwei Veröffentlichungen vergangen ist, könnte es sein, dass man das als gleichzeitig ansieht und beide Forscher den Preis bekommen.“

Foto: DPA

4. Die magischen Drei

Wichtig ist aber vor allem, wer den entscheidenden Anteil an einer Entdeckung hatte. Zu Nobels Zeit waren es meist einzelne Wissenschaftler, die vor sich hintüftelten und eine Entdeckung machten. Deshalb sollte der Preis nach seinem Willen an Einzelpersonen gehen – und zwar höchstens an drei pro Preis. Haben mehr Forscher gleichberechtigt an einem Projekt gearbeitet, hat einer von ihnen deshalb im Zweifelsfall heute noch das Nachsehen. Denn an Nobels Regeln halten sich die Jurys streng.

Foto: Dpa

5. Teamwork unerwünscht

Viel mehr als früher ist Forschung aber heute Teamwork. „Besonders in der Physik gibt es große Kollaborationen“, sagt Ingelman. Deshalb wäre es gerecht, den Preis auch an Organisationen wie etwa das europäische Kernforschungszentrum Cern zu vergeben, finden viele. Doch solche Institutionen sind bisher leer ausgegangen.

Foto: DPA

Peter Higgs (r.) und François Englert

Kritik gab es 2013, als Peter Higgs und François Englert den Nobelpreis für die Vorhersage des Higgs-Bosons bekamen. Viele meinten, dass auch das Forschungszentrum Cern hätte ausgezeichnet werden müssen, das dieses wichtige Elementarteilchen schließlich entdeckte.

Foto: AP

6. Falsches Forschungsfeld

Vor allem in den ersten Jahren hätten die Mitglieder der Nobeljurys am liebsten Wissenschaftler aus ihrem eigenen Forschungsfeld ausgezeichnet, sagt Gustav Källstrand vom Stockholmer Nobel-Museum. „Dafür gibt es sehr berühmte Beispiele.“ Als etwa Albert Einstein zum ersten Mal nominiert wurde, waren schlicht nicht genug theoretische Physiker in der Jury, um seine Arbeit zu würdigen, sagt Källstrand. (Foto: dpa)

Foto: DPA

Albert Einstein 1946

Erst 1922, als mehr theoretische Physiker im Komitee saßen, bekam Einstein den Preis. Heute sei es fast umgekehrt, sagt Källstrand: „Die Jurys versuchen das heutezu vermeiden.“

Foto: DPA

7. Die Qual der Wahl

„Es gibt viel mehr wissenschaftliche Entdeckungen, die den Preis verdient haben, als ihn bekommen können“, sagt Nobelforscher Källstrand. Geniale und fleißige Forscher auf der ganzen Welt müssen deshalb der Tatsache ins Auge sehen, dass sie die Auszeichnung wohl nie bekommen werden, weil es einfach zu viele bahnbrechende Forschungserfolge gibt.

Foto: Dpa

8. Ein Quäntchen Unsicherheit

Wenn eine Jury einen Nobelpreis vergibt, will sie sich ganz sicher sein, dass eine Entdeckung so sensationell ist, wie sie im ersten Moment erscheint. Das kann dazu führen, dass sie eine Errungenschaft unterschätzt: „Es gibt Beispiele dafür, dass etwas den Preis nicht bekommen hat, weil das Komitee nicht rechtzeitig begriffen hat, wie bedeutend eine Entdeckung war“, sagt Källstrand.

Foto: DPA

DNA-Modell

Als etwa der Kanadier Oswald Avery Mitte des 20. Jahrhunderts das Molekül DNA als Träger des Erbguts ausmachte, war sich die Forschungsgemeinschaft zunächst nicht sicher, ob seine Ergebnisse stichhaltig waren. Trotz zahlreicher Nominierungen zögerte die Jury – und bevor ihm der Nobelpreis zuteilwerden konnte, starb Avery.

Foto: Dpa

9. Zu spät dran

Im Februar verkündeten US-Forscher einen Durchbruch in der Physik: den weltweit ersten Nachweis von Gravitationswellen. Ein klarer Nobelpreis-Kandidat! Für dieses Jahr waren sie damit aber wohl zu spät dran. Denn wer die begehrte Auszeichnung bekommen will, muss seine Erkenntnisse bis Ende Januar des jeweiligen Jahres veröffentlicht haben.

Foto: DPA

Gravitationswellen-Modell

Am 31. Januar endet die Nominierungsfrist, und was bis dahin nicht schwarz auf weiß in einem der einschlägigen Fachblätter steht, hat keine Chance auf einen Nobelpreis. „Aber es kommt ja immer ein nächstes Jahr“, tröstet Ingelman.

Foto: DPA

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