Energiepflanze Sida Dieser Strauch treibt bald Autos an

Tank oder Teller? Diese Frage stellt sich künftig nicht mehr, denn Sida begnügt sich mit kargen Böden und liefert eine Menge Energie.

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Energiepflanzen, einst als Mittel gegen den Klimawandel gepriesen, sind in Verruf geraten. Denn Mais, Raps und Co verkleinern die Anbaufläche für Nahrungsmittel. Zudem brauchen sie Dünger und Chemikalien für einen guten Ertrag. Dennoch forschen Wissenschaftler immer noch daran, Pflanzen zu finden, die als umweltfreundliche Biomasse dienen können.

Biologen am Forschungszentrum Jülich scheint das nun gelungen zu sein: Sida hermaphrodita heißt eine Malve, die in Nordamerika beheimatet ist. Vom zweiten Jahr nach der Aussaat kann die rund vier Meter hoch wachsende Pflanze in jedem Herbst abgeerntet werden. Erst nach 15 bis 20 Jahren ist sie ausgelaugt und muss durch Jungpflanzen ersetzt werden.

Für ihre Studie (mit dem Namen "Aufwertung von Sida-Biomasse für verschiedene Energiezwecke") haben die Forscher ein Jahr lang Sida-Felder beobachtet. Dabei haben sie vor allem auf die Nutzbarkeit als Treibstoff oder Gas geachtet. Ihr Ergebnis: Sida sei eine "vielversprechende Pflanze" und habe "den Vorteil, ein zuverlässiger Energielieferant zu sein, ohne dass nach der Ernte eine Nachbehandlung notwendig sei."

Sie benötigt, so die Erfahrung der Jülicher Forscher, keinen Dünger und keine Pflanzenschutzmittel, begnügt sich mit kargen Böden, die Bauern verschmähen, und produziert bis zu 30 Prozent mehr Biomasse als beispielsweise Mais. Bis zu 100 Tonnen Biomasse pro Hektar sind drin. Dass die Pflanze Temperaturen von bis zu minus 35 Grad Celsius verkraftet fällt bei den milden deutschen Wintern kaum ins Gewicht.

Die Pflanze ist keine komplett unbekannte. In Polen ist Sida hermaphrodita schon relativ weit verbreitet. Seit 1955 wird sie an der Agrarwissenschaftlichen Akademie in Lublin erforscht. Und auch deutsche Energiepflanzen-Experten haben das Malvengewächs auf dem Schirm. So lobt die von der Bundesregierung gegründete Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe ihre Vielseitigkeit: Sie lässt sich nicht nur verbrennen und verfüttern, sondern kann auch dabei helfen, Flächen zu rekultivieren oder zu Zellstoff verarbeitet werden. Außerdem fliegen Honigbienen gerne ihre weißen Blüten an.

Setzt sich Sida jetzt durch?Doch die FNR warnte auch: "Bisher liegen in Deutschland zur Sida nur wenige Erfahrungen und wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse vor. Landwirten wird daher empfohlen, zunächst eigene Erfahrungen in kleinerem Maßstab zu suchen." Das könnte sich nun durch die Jülicher Forschungsergebnisse deutlich vereinfachen.

Für Aussaat und Ernte lassen sich ohnehin die gleichen Maschinen einsetzen wie etwa beim Anbau von Mais. Die verholzten Teile der Pflanzen werden dann gehäckselt und zu Pellets gepresst. Der Brennwert liegt ebenso hoch wie der von Kiefer und Fichte. Der Rest der Pflanze kann, wie Mais, in Biogasanlagen vergoren werden. Und da sie während des Wachstums ein Mekka für Bienen und andere Insekten ist, bietet sie einen Honigertrag von 120 Kilogramm pro Hektar.

Wenn die Pflanze optimalen Holzertrag bringen soll, müsse aber dennoch gedüngt werden, so die FNR. Denkbar ist auch eine Doppeltnutzung. Die erste Ernte im Frühsommer könnte an Nutztiere verfüttert werden, weil die Verholzung dann noch nicht eingesetzt hat. Der Ertrag der zweiten Ernte könnte dann energetisch genutzt werden.

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