Bei Bäckereien, Friseurläden und Fitnessstudios, die mehr als 10.000 Kilowattstunden (kWh) im Jahr verbrauchen, hatten Elektriker zum Jahresende Hochbetrieb. Sie tauschten bundesweit auf den letzten Drücker die alten analogen Stromkästchen gegen digitale aus. Denn solche Großkunden der Stromversorger müssen ihren Verbrauch seit Anfang Januar mit den schlauen Zählern erfassen. Die sogenannten Smart Meter zeichnen zu jeder Minute auf, welches Gerät gerade wie viel Watt verbraucht und enttarnen so Stromfresser. Die Informationen sollen zum sparsamen Umgang mit Elektrizität animieren. Private Haushalte mit einem Jahresbezug von mehr als 6000 kWh müssen die digitalen Zähler ab 2020 einbauen.
Bei unseren österreichischen Nachbarn sind sie 2021 für alle Wohnungen und Häuser verbindlich. Dort polemisieren Gegner gegen die „Zwangsdigitalisierung“. Zu teuer, zu wenig Nutzen, schimpfen sie mit hiesigen Kritikern unisono. Vor allem aber sei es mit der genauen Erfassung ein Leichtes, den Tagesablauf jedes Kunden zu rekonstruieren.
Kelag, der Kärntner Großlieferant von Strom, Gas und Wärme, will den Bedenken etwas entgegensetzen. Eine kostenlose Software, die jeder der rund 30.000 Kunden seit Dezember auf seinem Smartphone oder Rechner installieren kann, soll sie von den Vorteilen der smarten Zähler überzeugen. Das wichtigste Argument: Die Entlastung ihrer Portemonnaies. „Mindestens 20 Prozent kann jeder sparen“, ist sich Kelag-Manager Christian Schneider sicher. Und beruft sich auf Erfahrungen in Skandinavien, wo Smart Meter schon gang und gäbe sind.
Die GreenApp der Kärntner bringt Transparenz in den Verbrauch, sie visualisiert ihn mit leicht verständlichen Grafiken und Diagrammen. Die verraten dem Nutzer, wo er Energie verschleudert, etwa weil Geräte im Stand-by-Betrieb laufen. Und das Programm spürt versteckte Kostentreiber auf; den uralten Kühlschrank etwa. Sind die stromintensiven Geräte identifiziert ist es ein Leichtes, mit den richtigen Maßnahmen die Energierechnung zu senken.
Jurymitglied Carl-Ernst Giesting, Senior Vice President von Innogy, lobt neben der einfachen Bedienbarkeit und technischen Finesse vor allem den hohen Nutzwert der App für die Kunden. Und empfiehlt der hiesigen Branche, mit ähnlich innovativen digitalen Lösungen Kunden zu binden. „Apps sind aus der modernen Mediennutzung nicht mehr wegzudenken und werden auch im Energiesektor immer wichtiger.“
Deutsche Energiekonzerne hinken bei der Digitalisierung hinterher
Die Kelag-Manager zeigen mit der GreenApp, was das heißen kann. Sie haben sie zu einem breiten digitalen Kommunikationskanal ausgebaut – weit über die Tipps zum Stromsparen hinaus. Kunden können darüber ihre Daten verwalten und Rechnungen einsehen; der Energieversorger wiederum übermittelt ihnen darüber zum Beispiel, für wen sich der Kauf einer Fotovoltaik-Anlage mitsamt Batterie rentieren würde – und schickt entsprechende Angebote gleich mit.
Überdies erhalten Kunden für eingesparte Watt Bonuspunkte, die sie für von Kelag mitfinanzierte grüne Projekte in Kärnten einsetzen können. Etwa den Bau eines Amphibien-Paradieses. „Das weckt zusätzlich Emotionen fürs Energiesparen“, wirbt Kelag-Mann Schneider.
Nimmt man den diesjährigen Wettbewerb zum Maßstab, hinken deutsche Energieunternehmen bei der Digitalisierung hinterher. Zwar schafften es das Münchner Start-up eeMobility mit einer elektronischen Tankkarte und der Saarbrücker Energieverbund Energis mit einer Gesundheits-App unter die Finalisten. Aber die Preise räumten in Essen samt und sonders nicht-deutsche Teilnehmer ab.
So zeichnete die Jury neben Kelag auch das niederländische Start-up Jedlix aus Rotterdam aus. Dessen Gründer haben sich dem preiswerten Laden von Elektroautos verschrieben und stellen deren Besitzern sogar ein Geschäft in Aussicht. Das geht ganz einfach. Sie tragen in die App der Gründer ein, um welche Uhrzeit sie einen Parkplatz mit Ladeanschluss wieder verlassen möchten.
Jedlix füllt die Batterie zu den Zeiten, zu denen Strom besonders billig ist. Herrscht ein Engpass im Elektrizitätsnetz, verkauft das Start-up dem Netzbetreiber Strom aus den Akkus und teilt die Einnahmen mit den E-Mobile-Besitzern. In Holland testen Jedlix und Tesla die intelligente Lade-App schon; in Kürze stößt BMW mit seiner Elektroflotte hinzu und wird den Service dann auch in Deutschland anbieten.
Einen Sonderpreis vergab die Jury schließlich an das belgische Unternehmen Smappee. Mit dem rund 200 Euro teuren Kontrollsystem haben Stromkunden ihren Energieverbrauch immer im Blick – auch von unterwegs.
Er besteht aus einem Sensor, der an das Hauptstromkabel im Sicherungskasten angesteckt wird und an die Smartphone-App den Energiehunger jedes Haushaltsgeräts funkt. Mit Smappee kann sich jeder Stromkunde auf die Fährte der Stromfresser setzen – auch in Deutschland.