Gewinne steigern durch mehr Nachhaltigkeit 6 Unternehmen zeigen, wie es gehen kann

Unternehmen wie Mars und Puma zeigen, wie Nachhaltigkeit Gewinne steigert. Andere sollten davon lernen.

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„Nachhaltigkeit als Hebel zur Kostensenkung? Das geht doch gar nicht, das kostet doch nur Geld.“ So lautet eine leider immer noch oft gehörte Meinung in Diskussionen mit Unternehmensvertretern. Doch sie ist falsch. Denn ganz im Gegenteil bietet Nachhaltigkeit große Chancen zur Verteidigung, ja zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Bisher nutzen international tätige Unternehmen vor allem drei Hebel zur Kostenreduktion: Die operative Kostenreduktion durch die Verlagerung der Produktion in Regionen, die Personalkostenvorteile bieten (Offshoring) oder durch Vergabe dieser Arbeiten an externe Partner, die aufgrund spezifischer Kompetenzen oder Kapazitäten manche Aufgaben besser und billiger erledigen können (Outsourcing).

Drittens wird die Personalkostenreduktion als kurzfristig umsetzbare Maßnahme immer wieder praktiziert. Sie ist allerdings fragwürdig, da sie oft vorherige Managementfehler kaschiert und von Unternehmen auch angewendet wird, wenn sie Rekordgewinne schreiben.

Durch nachhaltige Praktiken Kosten senkenWas diese Hebel bei aller betriebswirtschaftlichen Logik nicht von vornherein beabsichtigen, ist ein bewusster, das heißt sparsamer Umgang mit - insbesondere natürlichen - Ressourcen. Außerdem spielt die Betrachtung des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks vom ‚Rohmaterial bis zum Kunden’ noch zu selten eine Rolle bei der Identifikation von Potentialen zur Kostensenkung.

Der Instrumentenkasten der Kostensenkung sollte deshalb um ein innovatives Aktionsfeld ergänzt werden: Nachhaltigkeit in Produkten und im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk. Allerdings hat nachhaltige Wertschöpfung nur dann eine Chance auf Umsetzung, wenn sichergestellt werden kann, dass die Kostenposition des Unternehmens dadurch nachgewiesen verbessert wird.

Go green get goldDiese Einspareffekte können aber nur erkannt und gehoben werden, wenn die Wechselwirkungen zwischen Produktentwicklung, den beteiligten Lieferanten und der eigenen Fertigung verstanden sind und alle Berührungspunkte mit Umwelt und Gesellschaft beleuchtet werden. Hier sind fünf Beispiele von Unternehmen, die zeigen, wie das gehen kann:

·     Produktdesign für geschlossene Kreisläufe: Im Cradle-to-Cradle-Ansatz (den ich in einer meiner früheren Kolumnen beispielhaft dargestellt habe) werden Produkte so konzipiert, dass sie am Ende des Lebenszyklus komplett in geschlossene Kreisläufe übergeben werden.

Hier entstehen Einsparungen, weil Kosten für die Extraktion und Herstellung von Primärrohstoffen vermieden werden. Auch kann es wirtschaftlich sein, einzelne Komponenten durch mehr nachwachsende Rohstoffe und wiederverwertbare Komponenten zu ersetzen. Schon eine teilweise Integration von Kreislaufkonzepten in das Produktdesign kann erheblich Kosten sparen, wie es das Component Recovery Programme des Baumaschinenherstellers Caterpillar zeigt.

Dabei werden die Maschinen am Ende ihrer Nutzungsdauer zerlegt und intakte Bauteile insbesondere im Bereich Getriebe, Antriebsstrang und Bremsen in anderen Maschinen verwertet. Mit beachtlichem Erfolg: So konnten im Jahr 2012 durch gebrauchte Komponenten Erlöse von mehr als 100 Millionen Euro erzielt werden. Was für das Unternehmen gut ist, kommt auch den Kunden entgegen. Sie erhalten zweckdienliche Maschinen zu geringeren Preisen.

·     Verpflichtung zu Nachhaltigkeit in Produkten: Unternehmen, die ihre Produkte schon länger auf Öko-Effizienz überprüfen, können beachtliche Erfolge vorweisen. Der vom britischen Einzelhändler Marks & Spencers 2007 aufgelegte „Plan A“ enthält die Vorgabe, bis 2015 alle gehandelten Produkte mit Nachhaltigkeitsattributen zu versehen.

Bereits nach zwei Jahren wurde durch Plan A der Break-Even erreicht. Heute trägt der Plan jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag zum Unternehmensergebnis bei.

·     Senkung der „Non Compliance“-Kosten: Weil Verbraucher heute nicht nur sensibler, sondern auch wachsamer und durch die neuen Medien in der Lage sind, auf Missstände publikumswirksam hinzuweisen, ist Vermeidung  der sogenannten ‚Cost of Non-Compliance‘ relevant.

Durch die Auswahl und partnerschaftliche Einbindung ihrer Lieferanten als echte Partner, vermeiden Unternehmen von den Verbrauchern für die Fehler unzuverlässiger Lieferanten in Mithaftung genommen zu werden. Hier sei beispielhaft die Firma Puma genannt, die freiwillig die Verantwortung für ihre komplette Wertschöpfungskette übernommen hat, inklusive der wichtigsten Zulieferer. Dabei wurden zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um Arbeitsbedingungen und Produktattribute nachhaltiger zu gestalten.

·     Geteilte Infrastrukturen: Aufgrund steigender Kosten für die Installation und Instandhaltung von Infrastrukturen (Transport, Verkehr, Telekommunikation) bietet die gemeinsame Nutzung Einsparpotentiale. Durch horizontale Kollaboration und Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen kann Anlagevermögen verringert und gleichzeitig die Auslastung gesteigert werden.

Beispiele hierfür existieren bei Transportinfrastruktur und Distributionslägern, so beim Süßwarenhersteller Mars, der in den eigenen LKWs Waren seiner Konkurrenten mitnimmt und dadurch 25 Prozent Logistikkosten einspart.

Den alten Gedanken der Kooperative belebt auch die im Bau- und Agrarsektor tätige Vermittlungsplattform Floow2. Nutzer können Spezialmaschinen und Fahrzeuge mit oder ohne Personal mieten und vermieten. Der Austausch von freien Kapazitäten untereinander macht die Sparpotenziale der einen zu Umsatzchancen der anderen und trägt bei zu nachhaltiger Nutzung von Rohstoffen und Energie. In erster Linie aber sinken die Kosten.

·     Circular Economy: Durch Sammlung und Wiederaufbereitung von Produkten können Beschaffungs-, Energie und Umweltkosten gesenkt werden und wichtige Produktionsrohstoffe wiedergewonnen werden. In Kombination mit Produktdesigns, die von Anfang an auf Wiederverwertung beziehungsweise Nutzung ausgelegt sind, lassen sich hier laut Studien internationaler Organisationen Millionenbeträge eingesparen.

Desso, ein Hersteller von Teppichfliesen, bezieht den produktionsrelevanten Rohstoff Kreide von benachbarten Wasserversorgungsunternehmen. Desso hat ein Verfahren entwickelt, mit dem die bei der Trinkwasserproduktion als Abfall anfallenden Granulate für die Teppichproduktion verwendet werden können. Heute werden auf Seiten der Wasserversorger mehr als 99 Prozent der Abfälle, vor allem Eisen und Kalzium, vermieden und bei Desso die Bezugskosten für die Kreide minimiert.

Naturverbrauch als Zukunftsthema in der BilanzierungDer Wert der Umwelt und der ihr entnommenen Leistungen wird für Unternehmen zunehmend zu einer relevanten Entscheidungsgröße. Denn schon bald werden diese sogenannten „Externalitäten“ (ein Ausdruck für den von Unternehmen vorgenommenen, aber nirgendwo bilanzierten Umweltverbrauch) in das Blickfeld der Unternehmensrechnung geraten.

Die Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel hat mehrfach berechnet, welche Schäden Luftverschmutzung anrichtet. Und in der Textilindustrie und im Einzelhandel gibt es immer mehr Unternehmen, die solche Daten von ihren Lieferanten verlangen. Unternehmen sind daher gut beraten, im Hinblick auf eine absehbare breite Akzeptanz dieses True-Value-Ansatzes handlungsfähig zu werden.

Wer Verantwortung für Produkte und Lieferketten hat, sollte sich jetzt damit beschäftigen, welche Möglichkeiten Nachhaltigkeit als Quelle zusätzlicher Einsparungen birgt. Dabei kann der gesamte Werkzeugkasten des Lieferketten-Managements herangezogen werden.

Im Mittelpunkt steht dabei die funktionsübergreifende Identifikation von Einsparpotenzialen im Produktportfolio und der Wertschöpfungskette. Erfahrungsgemäß gelingt das am besten in abteilungsübergreifend durchgeführten Workshops, um die relevanten ‚Hot Spots’ und Chancen zu identifizieren, zu bewerten und priorisieren.

Kontinuierliche Kostenreduktion ist für alle Unternehmen eine Voraussetzung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Oft wird noch unterschätzt, welches Potenzial der Hebel Nachhaltigkeit in Produkten und Wertschöpfungsketten bietet. Aber wie so oft gilt auch hier, dass die mutigen Unternehmen den Markt bestimmen und andere mitziehen.

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Der Autor ist Experte für Sustainable Value Chain Management. Als Geschäftsführer von shared.value.chain, einer Beratungsfirma mit Sitz München, unterstützt er Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft. Von ihm erschien kürzlich das Fachbuch „CSR und Value Chain Management“.  Alle Kolumnen von Michael D'heur finden Sie unter diesem Link.

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