Neues Verfahren Forscher gewinnen Wasserstoff aus Erdgas – ganz ohne CO2

Forscher haben eine umweltfreundlichere Methode entwickelt, um aus Erdgas Energie zu gewinnen.

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Aus Erdgas Energie zu gewinnen, ohne dabei Kohlendioxid zu produzieren, ist verlockend. Bisher ist das allerdings schwierig. Ein Beispiel: die Produktion von Wasserstoff. Dabei nutzt die Wirtschaft bisher konventionelle Technologien wie etwa die Dampf-Methan-Reformierung. Weil das Ausgangsmaterial für diesen Prozess Erdgas ist, setzt die Herstellung beträchtliche Mengen an Kohlendioxid frei.

Das sorgt dafür, dass sich allein die Kohlendioxid-Emissionen der Ammoniakindustrie – die zum Beispiel Düngemittel mit Hilfe von Wasserstoff herstellt – jährlich auf etwa 200 Millionen Tonnen an Emissionen belaufen. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik Deutschland kommt insgesamt etwa 800 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr.

Forscher des Instituts for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben dieses Problem erkannt. Zwei Jahre lang haben sie an einer Lösung geforscht. In einem Versuchsreaktor haben sie nun einen Durchbruch erlangt. Die Wissenschaftler verwenden für die Energiegewinnung den Stoff Methan – aus dem Erdgas zum größten Teil besteht – und gewinnen daraus Wasserstoff.

750 Grad Celsius, keine EmissionenDie Forscher verwenden dabei einen Trick. Sie verbrennen das Methan nicht direkt, sondern trennen es in seine molekularen Komponenten Wasserstoff und Kohlenstoff auf. Das funktioniert über den Prozess des sogenannten „Cracken“, der dies bei hohen Temperaturen von mehr als 750 Grad Celsius ermöglicht. Schädliche Emissionen entstehen dabei nicht.

Neben Wasserstoff entsteht als Nebenprodukt fester schwarzer elementarer Kohlenstoff. Ein wichtiger industrieller Rohstoff, der beispielsweise in der Produktion von Stahl und Kohlenstofffasern eingesetzt wird.

Der Kohlenstoff verfügt zudem über eine hohe Qualität und Reinheit und hat die Form eines Pulvers. Die Forscher sind daher überzeugt, dass dies die Wirtschaftlichkeit des Methan-Crackens erhöht und damit das Interesse in der Industrie an dem neuen Verfahren zunimmt.

Zwei Jahrzehnte ohne ErgebnisseNeu ist die Idee des Methan-Crackens zwar nicht. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Forscher zahlreiche Versuche gemacht, um die technische Machbarkeit unter Beweis zu stellen. Gelungen ist es aber nicht - bis jetzt. Für den Versuch lief der Reaktor zwei Wochen lang ohne Unterbrechung. Bei 1200 Grad Celsius erzeugte er Wasserstoff. Die Umwandlungsrate liegt bei bis zu 78 Prozent.

„Dieser kontinuierliche Betrieb ist entscheidend für einen zukünftigen industriell einsetzbaren Reaktor“, sagt Thomas Wetzel, Leiter des Kalla-Labors am KIT. Der Reaktor verfüge damit über die technischen Voraussetzungen, die für den späteren Betrieb eines industriellen Reaktors erforderlich wären.

Kostenschätzung noch schwierigUm abzuschätzen, wie sich das Cracken von Methan in ein zukünftiges Energiesystem integrieren lässt und somit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten könnte, arbeitet das IASS mit der RWTH Aachen zusammen. Die Forscher haben außerdem wirtschaftliche Aspekte des Crackens von Methan untersucht.

Noch gibt es bei den Kostenschätzungen große Unsicherheiten, da das Verfahren nicht ausgereift ist. Vorläufige Berechnungen zeigen, dass bei den gegenwärtigen Erdgaspreisen in Deutschland Kosten in Höhe von 1,9 bis 3,3 Euro pro Kilogramm Wasserstoff entstehen würden. Der mögliche Marktwert des Kohlenstoffs ist dabei noch nicht berücksichtigt.

Trotzdem sind sich die Wissenschaftler des Erfolgs sicher. „Unsere Versuchsergebnisse und alle ökologischen und wirtschaftlichen Analysen zeigen, dass das Cracken von Methan eine mögliche Option für den Umbau unseres Energiesystems ist“, betont Nobelpreisträger Carlo Rubbia, Initiator des Projekts und wissenschaftlicher Direktor des IASS. Das Verfahren könne die Rolle einer Brückentechnologie übernehmen, mit der sich das Energiepotenzial von Erdgas nutzen ließe. „Gleichzeitig würde das Klima geschützt und die Einbindung eines sauberen Energieträgers wie Wasserstoff in unser Energiesystem erleichtert.“

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