Wer als Premiumanbieter Erfolge auf dem deutschen Mobilfunkmarkt feiern will, braucht eigentlich nur zwei Dinge: ein starkes Netz und einen freundlichen Kundenservice. Dann akzeptieren viele Kunden auch höhere Preise. Vodafone hat eins dieser Versprechen – die hohe Netzqualität – leichtfertig aufs Spiel gesetzt und bekommt jetzt die Quittung.
Der Qualitätseinbruch im Vodafone-Netz hängt eng mit einer Fehlentscheidung zusammen, die Konzernchef Vittorio Colao zu verantworten hat. Bereits im Herbst 2010, kurz vor dem Börsengang von Kabel Deutschland, hatte Joussen die Übernahme der größten deutschen Kabel-TV-Gesellschaft unterschriftsreif ausgehandelt. Für fünf Milliarden Euro hätte sich Vodafone Kabel Deutschland damals einverleiben können.
Doch Colao machte in letzter Sekunde einen Rückzieher. Er konnte seine Aufsichtsräte nicht überzeugen, wie wichtig solch ein Deal zum Aufbau einer eigenen superschnellen Internet-Infrastruktur ist. Erst beim zweiten Anlauf, im Sommer 2013, gab es grünes Licht. Eine späte Einsicht: Da hatte sich der Wert von Kabel Deutschland auf mehr als zehn Milliarden Euro inklusive Schulden verdoppelt.
Welche weitreichenden Konsequenzen das Scheitern des ersten Übernahmeversuchs hatte, zeigt sich heute. Denn danach entschied Vodafone, das gesamte Investitionsbudget von rund einer Milliarde Euro in den möglichst schnellen Ausbau eines superschnellen Mobilfunknetzes zu stecken. Das schnellere LTE-Netz (Long Term Evolution) mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 Megabit pro Sekunde sollte als Alternative zum herkömmlichen DSL-Anschluss vermarktet werden.
Eine Überreaktion, wie sich heute zeigt. Vodafone besitzt zwar jetzt ein gut ausgebautes LTE-Netz, das rund 70 Prozent der Bevölkerung erreicht. Doch der Wettlauf um den schnellsten LTE-Rollout zahlt sich bisher für das Unternehmen nicht aus. Der Grund: Das auf eine Milliarde Euro begrenzte Investitionsbudget für Deutschland reichte nicht aus, um zugleich auch die viel älteren Handynetze mit GSM- und UMTS-Standard zu modernisieren. „Joussen wollte beim LTE-Ausbau unbedingt die Nummer eins sein“, heißt es aus Schulte-Bockums Umfeld, somit habe auch Joussen einen Teil der Misere mit zu verantworten.
Die Quittung bekommen die Vodafone-Kunden. Die alten GSM- und UMTS-Netze sind so überlastet, dass die Beschwerden über Gesprächsabbrüche in die Höhe schnellen. Inzwischen sieht auch Colao ein, dass dies ein Fehler war. Vier Milliarden Euro darf Schulte-Bockum bis Ende 2015 in die Netzmodernisierung stecken, um alle Engpässe zu beseitigen.
Doch auch dies hat seine Tücken: Damit die Techniker die 23.000 im ganzen Land verstreuten Funkstationen umrüsten können, müssen die Anlagen für ein paar Stunden vom Netz. Wenn technische Probleme auftreten, kann solch ein Umbau auch schon mal zwei Tage dauern. Bei dem dann klaffenden Funkloch wäre ein Beschwerdesturm sicher.
Schulte-Bockum ist aber zuversichtlich, dass seine Mannschaft den Netzumbau meistert: In zwei Jahren werde das Vodafone-Netz wieder Top-Qualität liefern, prophezeit er. Dann werde Vodafone wieder „auf Augenhöhe“ mit der Deutschen Telekom um die Marktführerschaft im Mobilfunk kämpfen.
Dass er dann noch als Deutschland-Chef an Bord ist, glauben allerdings die wenigsten im Düsseldorfer Campus. „Schulte-Bockum wird noch die erforderlichen Aufräumarbeiten einleiten“, prophezeit ein Manager. „Die Erfolge wird sich dann ein Nachfolger an sein Revers heften.“