Lkw-Grenzwerte Blockade allein ist keine Industriepolitik

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) glaubt, E-Fuels brauche man im Lkw – die Branche sieht das völlig anders. Quelle: dpa

Kurz nach ihrer Blockade des Lieferkettengesetzes stellt die FDP sich erneut quer bei einem EU-Kompromiss. Dieses Mal wollte das nicht einmal die betroffene Lkw-Industrie. Auch, wenn die Ampel-Partei nun in letzter Sekunde nachgab: seriöse Politik geht anders. Ein Kommentar.

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Wie schon wenige Tage zuvor beim Lieferkettengesetz, droht die FDP einen weiteren europaweiten Kompromiss aufzuweichen, über den sich die Bundesregierung – zu der die FDP ja immer noch gehört – zuvor schon einig gewesen war. Dieses Mal sträubt sie sich gegen neue Regeln für Lkw, mit denen die EU über Flottengrenzwerte weniger CO2-Ausstoß erreichen will. Dabei besteht die FDP nun plötzlich auf eine Öffnung der Regularien für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels.

Wie aus Kreisen der Ampelkoalition zu hören ist, gab die FDP zwar ihre formale Blockade am Freitagmittag zähneknirschend auf; lediglich einen sogenannten „Erwägungsgrund“ konnte sie zuletzt durchsetzen. Dabei soll, wie analog zuvor schon beim geplanten Verbrenner-Aus für Pkw, die EU-Kommission nun noch einmal erwägen, ob sie nicht doch noch eine Ausnahme für Verbrennungsmotoren macht, die auch mit dem künstlichen, angeblich klimaneutralen Kraftstoff laufen können.

Experten in der Branche schütteln den Kopf über den neuerlichen FDP-Vorstoß. Die Blockade des Lieferkettengesetzes folgte immerhin einer industriepolitischen Logik. Das nämlich hatten auch viele Unternehmen kritisch gesehen. Egal, wie man also zu dem Vorhaben stand, Missstände wie etwa Kinderarbeit mit solch einem EU-Gesetz in den Griff bekommen zu wollen: Es war politisch vollkommen legitim, dass die FDP sich für diese Gruppe der Unternehmen einsetzte. 

Bei der Lkw-Blockade aber fragt man sich, für wen die FDP eigentlich sprechen will. Die Lkw-Hersteller und ihre Zulieferer sind es jedenfalls nicht. Bei denen herrscht weitreichendes Unverständnis über das Vorgehen der FDP. Der Autoverband VDA teilt mit, die Industrie brauche vor allem Investitions- und Planungssicherheit. Das EU-Vorhaben sei „ambitioniert“, aber machbar. Die Hersteller hätten klare Ziele, diese bereits in technische Meilensteine heruntergebrochen und entsprechend investiert. Der Manager eines Truck-Herstellers wird deutlicher: „Wir brauchen klare Rahmenbedingungen, die FDP-Alleingänge sind pures Gift für Planungssicherheit und wichtige Investitionen.“ 

Die FDP scheint taub für solche Argumente. Stattdessen kramt ihr Verkehrsminister Volker Wissing seine alten Götzen „Technologieoffenheit“ und „E-Fuels“ wieder hervor. „Jeder weiß“, sagte er am Freitag im ARD-Morgenmagazin, „dass es ohne E-Fuels keinen Klimaschutz geben kann.“ Das stimmt. Jedoch wollte die E-Fuels kein Hersteller im Lkw haben. Sie werden für Dinge gebraucht, die sich, anders als Lkw, ohne synthetische Kraftstoffe nach menschlichem Ermessen nicht dekarbonisieren lassen, weil andere Technologien nicht die nötigen Reichweiten ermöglichen: Hochseeschiffe, Langstreckenflüge. Und alle wissen, dass es auf absehbare Zeit nie und nimmer ausreichende Mengen CO2-neutralen Diesels für Lkw oder gar Pkw geben wird. Es fehlen großtechnische Anlagen und eine komplette Wertschöpfungskette. 

Die FDP und ihre Technologieoffenheit

Besonders absurd ist, dass Volker Wissing ausgerechnet staatliche Subventionen als Argument für E-Fuels ins Feld führt: Man könne nicht „dauerhaft eine von der Politik präferierte Lösung subventionieren.“ Damit meint er die Batterie-Antriebe – und suggeriert, bei E-Fuels wäre dem nicht so. Das Gegenteil ist der Fall: Selbst nach vorsichtigen Schätzungen würden E-Fuels noch lange Zeit das drei- bis fünffache heutiger fossiler Kraftstoffe kosten. Ohne massive Subventionen wären sie noch auf Jahre hinaus chancenlos am freien Markt.

Die FDP tut gerne so, als seien mehrere gleichwertige Technologien für die Dekarbonisierung des Verkehrs im Rennen; die Politik aber habe sich einseitig festgelegt. Diese Erzählung wiederholt sie bei jeder Gelegenheit. Doch die Zeiten, völlige Technologieoffenheit zu fordern, sind auch im Lkw seit Jahren vorbei: Die Industrie hat sich längst für technische Lösungen entschieden, mit denen sie die Brüsseler Vorgaben umsetzen kann.

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Sie muss nun zügig ins Tun kommen, sonst droht sie in einem weiteren Technologiefeld den Anschluss an die USA und Asien zu verlieren: Die meisten Hersteller favorisieren die Batterie, die große Fortschritte macht und auch in schweren Sattelschleppern Alltagstauglichkeit beweist; ein kleinerer Teil will parallel auch dem Wasserstoffantrieb die Tür aufhalten, etwa Daimler. Mit ihrer Forderung nach einer Öffnung der Regeln für E-Fuels schadet die FDP beiden. 

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