Der Wille ist in vielen deutschen Unternehmen zumindest vorhanden, auf papierlose Systeme umzustellen: Laut dem Marktforschungsunternehmen IDC, das 220 Unternehmen befragt hat, erkennen neun von zehn Unternehmen das Potenzial von Programmen zur Dokument- und Papierverwaltung. Sie können sich sogar solche Systeme in ihren Unternehmen vorstellen.
Doch Wunsch und Realität driften auseinander: Die Digitalisierung in deutschen Büros kommt bislang schleppend voran. Während laut IDC 2014 noch 49 Prozent aller Dokumente aus Papier in deutschen Büros bestanden, sind es zwei Jahre später nur zwei Prozentpunkte weniger. Dabei hatten die Befragten 2014 erwartet, dass heute etwa sechs von zehn Dokumente digital sind.
Den Verband der deutschen Papierfabriken freut es. Zwischen 1950 und 2000 stieg der deutsche Papierverbrauch kontinuierlich. Mit der Jahrtausendwende setzte die zunehmende Digitalisierung ein – und ließ die Papierindustrie zittern. Doch der Rückgang blieb aus: Seit 2000 stagniert der Papierverbrauch über alle Sorten auf einem Niveau von etwa 20 Millionen Tonnen. Auch die Herstellung von Büropapieren in Deutschland ist – mit kleinen Schwankungen – seitdem weitgehend konstant. Verbandssprecher Gregor Andreas Geiger wundert es nicht: "Die Information auf Papier ist schnell greifbar, leicht reproduzierbar und überall nutzbar. Deshalb wird Papier auch künftig einen festen Platz in den Büros haben."
Menschen halten am Papier fest
Laut IDC-Befragung wünscht sich jeder dritte Angestellte Papier am Arbeitsplatz – und sogar jeder zweite Geschäftskunde. Zum Beispiel, wenn es um Lieferscheine, Rechnungen und Gutscheine geht. Die Marktforscher sind überzeugt, dass das papierlose Büro jetzt noch ferne Zukunftsmusik ist.
Frank Früh vom Digitalverband Bitkom trifft eine radikalere Prognose. "Das komplett papierlose Büro wird es wohl niemals geben, aber wir können es immerhin papierarm machen." Das liegt seiner Meinung nach an gesetzlichen Vorgaben, Sicherheitsbedenken, aber auch an dem Wunsch des Menschen nach etwas Greifbarem, Verlässlichem – wie Papier es ist.
Laut dem Fraunhofer Institut sind der großen Mehrheit der deutschen Angestellten (86 Prozent) Software-Anwendungen und Computer zu umständlich. Stattdessen setzen sie lieber weiterhin auf Papier. Um die Programme nutzen zu können, bräuchten viele der Mitarbeiter Schulungen – die für das Unternehmen ein weiterer Kostenfaktor wären.
Hinzu kommt, dass die Unternehmen sich davor scheuen, klare Verantwortlichkeiten in Sachen Digitalisierungsstrategie zu verteilen. Der Digitalverband Bitkom hat 1000 Unternehmer dazu befragt: Nur zwei Prozent der Konzerne ab 500 Beschäftigten haben einen Chief Digital Officer, der die digitale Transformation im Unternehmen vorantreibt. Nur vier von zehn Unternehmen haben eine klare Strategie zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse.
Behörden und Sicherheitsbedenken bremsen Digitalisierung aus
Zwar haben bundesweit einige Behörden schon damit begonnen, Prozesse zu digitalisieren. Manche Dokumente akzeptieren Gerichte und Behörden aber nur in Papierform – samt Wasserzeichen, Siegeln oder Schnüren. Hinzu kommt, dass sich die gesetzlichen Regelungen nicht nur außerhalb von Deutschland, sondern auch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden: Mal sind es notarielle Beglaubigungen, mal Arbeitsverträge, mal Urkunden, die sie nur in Papierform akzeptieren.
Oft entscheiden sich Unternehmen aber auch aus Angst vor einem Datenverlust für eine Papier-Ablage. Denn die Technik muss selbst bei Systemausfällen und Cyberangriffen darauf ausgelegt sein, wertvolle Daten zu sichern. Und das in Zeiten, in denen Hacker immer öfter die Informationstechnologien von Firmen gezielt angreifen. "Absolute Sicherheit ist unmöglich, denn Angreifer entwickeln ihre Attacken permanent weiter", sagt eine IDC-Sprecherin.
Ein Beispiel ist die Erpressersoftware Locky, die derzeit stündlich Daten auf 5300 deutschen Computern verschlüsselt und Lösegeld fordert. Bisher haben Experten noch keine Möglichkeit gefunden, die Daten zu entschlüsseln. Die Mitarbeiter öffnen deshalb keine Anhänge mehr – die geschäftlichen Abläufe verlangsamen sich.
Decos trotzt zwar diesen Bedenken. Geschäftspartner, die noch auf Papier setzen, und Gesetzte in anderen Ländern machen das zu 100 Prozent papierfreie Büro aber auch bei dem niederländischen Unternehmen unmöglich. "Wenn unsere Mitarbeiter zum Beispiel zu unserer Zweigstelle in Indien fliegen, müssen das Visum und die Tickets ausgedruckt werden. Dieses Land ist noch nicht so digital", sagt van Kampen.
An der Gesetzeslage in Indien kann Decos zwar nichts ändern. Das IT-Unternehmen will aber zumindest seine Geschäftspartner dazu bewegen, auf den Digitalisierungszug aufzuspringen. Wer Decos Post schickt, bekommt sie zurück – mit dem Hinweis, dass das IT-Unternehmen nur noch digital zu erreichen ist. Die Mehrheit der Geschäftspartner reagiert laut Decos positiv, wenn sie ihnen die Gründe dafür nennen. "Natürlich gibt es auch Unternehmen, die nicht kooperieren und weiterhin Papier verwenden wollen", sagt van Kampen.
Die dürfen die Zettelwirtschaft dann aber bitte selbst produzieren: Wenn eine Kunde auf eine Rechnung aus Papier besteht, schickt Decos sie ihm trotzdem digital zu – damit der Kunde sie selbst ausdruckt.