Was kann denn ein Angestellter - sagen wir bei einer Bank - konkret tun in ihrem Sinne? Sofort kündigen?
Ja, zum Beispiel, warum nicht. Oder beginnen, seine Kunden anders zu beraten. Und aufhören, sich damit herauszureden, dass er nicht anders kann, weil er sonst keine Provision bekommt oder Probleme mit seinem Chef kriegt. Ich habe gerade vor wenigen Tagen Leute kennengelernt, die aus dem Bankgewerbe ausgestiegen sind und eine Finanzberatung gegründet haben, die nur ethisch korrekte Geldanlagen empfiehlt. Und die sind gar nicht erfolglos. Warum soll man so etwas nicht tun?
Vielleicht weil es Spaß macht, ausgiebig zu konsumieren, und vor allem, weil es einen sozialen Statusgewinn bedeutet, viel Geld zu verdienen. Aber nun raten Sie den Leuten, Sie sollen auf Autos und Fernreisen verzichten. Das wird vielen nicht gefallen.
Meinen Sie wirklich, Sie können noch Statusgewinn erzielen, wenn Sie nach Mallorca fliegen? Ich votiere ja nicht fürs Aussteigen und ich fordere nicht, dass man wie ein Mönch leben soll. Die Leute sollen ihre Handlungsspielräume nutzen, das ist etwas völlig anderes. Das Wort Konsumverzicht kommt auch gar nicht vor in meinem Buch. Es geht darum, nicht sinnloses Zeug zu kaufen. Um Tim Jackson zu zitieren: „Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, was wir nicht haben, um Eindrücke, die nicht von Dauer sind, bei Leuten zu hinterlassen, die wir eigentlich gar nicht mögen.“ Die Hälfte von dem ganzen Kokolores wegzulassen, hat nichts mit Verzicht zu tun, sondern mit dem Gewinn von Handlungsautonomie.
Ich fürchte, da sind die meisten Konsumenten anderer Ansicht.
Heute verbringen die Leute ihre Freizeit damit, Konsumentscheidungen zu treffen. Aber das macht sie auch nicht glücklicher, weil es immer noch ein besseres Smartphone, einen größeren SUV und die tollere Urlaubsreise gibt.
Konsumismus mag ja lächerlich sein und nicht glücklich machen, aber er ist immerhin friedlich und gibt dem Ehrgeiz der Menschen ein Ventil, mehr zu sein und zu haben als der Nachbar.
Komischerweise tun Menschen ganz uneigennützige Dinge: Sie ziehen Kinder groß, pflegen Angehörige, helfen anderen. All das ist in der neoliberalen Welt und beim homo oeconomicus nicht vorgesehen. Seit einigen Jahrzehnten gibt es nun diese merkwürdigen ökonomischen Theorien, dass Menschen das alles nur nach Kosten-Nutzen-Kalkül und aus Gier und Machthunger tun. Das Menschenbild der Ökonomen ist ein heilloser Quatsch.
Die Gier einiger Menschen, einen höheren Status als ihre Mitmenschen zu erringen und zu halten, ist allerdings sehr viel älter als der Kapitalismus und die Theorien der Ökonomen.
Die Frage ist doch, ob wir gesellschaftlichen Status nur an der Verfügung über materielle Güter messen. Wir lesen in keiner Todesanzeige: Er hat unermesslich viel Geld verdient, oder: Er fuhr einen riesigen SUV. Sondern da steht: Er wurde geliebt von seiner Familie, oder: Sie war eine gute Mutter. Wenn es hart auf hart kommt, läuft die Statusverteilung nach anderen als materiellen Kriterien. Leute, die nicht merken, dass sie nicht toll dastehen, wenn sie einen Audi Q7 fahren, haben das einfach noch nicht mitgekriegt. Gerade junge Menschen betrachten das doch als grotesk.