Nord-Stream-Pipelines Pipeline-Lecks: Forscher befürchten Schäden für Klima und Meer

Ein am 26. September 2022 aufgenommenes Satellitenbild zeigt ein Gasleck in der Gaspipeline Nord Stream 2 vor der dänischen Insel Bornholm in der Ostsee. Quelle: via REUTERS

An mindestens vier Stellen tritt aus den Nord-Stream-Pipelines Methan aus. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen vor drastischen Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt der Ostsee - und darüber hinaus.

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Die Schäden an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee lösen unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern große Besorgnis aus. Der Austritt von Methan wird ihrer Ansicht nach vermutlich zum größten bekannten Gasleck innerhalb kurzer Zeit führen. Er wirft außerdem ein Schlaglicht auf das Problem größerer Methanlecks an anderen Orten weltweit, wie die Forschenden sagen.

Die Präsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften in den USA, Marcia McNutt, spricht von einer „beispiellosen Freisetzung von fossilem Methan in einer sehr kurzen Zeit aus einer konzentrierten Quelle“. McNutt hatte 2010 die Bemühungen der US-Regierung beaufsichtigt, das Ausmaß der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko einzuschätzen.

Methan führt zu einer raschen Erderwärmung. Die Tatsache, dass es schneller wieder aus der Atmosphäre verschwindet als Kohlenstoffdioxid sei „vermutlich ein schwacher Trost für die Menschen in Florida und andernorts, die bereits von häufigeren und tödlicheren tropischen Stürmen betroffen sind, aufgeladen von einem durch Treibhausgase in der Atmosphäre überhitzten Meer“, erklärte McNutt.

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Was die Schätzung der Gesamtschäden angeht, herrscht noch Unklarheit. Doch Forscher warnen, dass die riesigen Schadstofffahnen des starken Treibhausgases erhebliche negative Folgen für das Klima haben werden. Sie befürchten zudem unmittelbare Schäden für die Tier- und Pflanzenwelt in der Ostsee und die Gesundheit der Menschen, da Erdgas typischerweise Benzol und andere Spurengase enthält. Der Klimaforscher Rob Jackson spricht vom „vermutlich größten Gasleck aller Zeiten“.

Grund für die drastischen Folgen ist unter anderem das Tempo, in dem das Gas aus vier bekannten Lecks in den Pipelines austritt. Wenn Methan auf natürliche Weise aus Öffnungen im Meeresboden freigesetzt wird, handelte es sich normalerweise um geringe Mengen, und das Gas wird zum Großteil vom Meerwasser absorbiert. „Aber dies ist keine normale Situation bei der Freisetzung von Gas“, erklärt Jackson. „Wir reden nicht über Methan, das wie Sprudelwasser an die Oberfläche blubbert, sondern über Schwaden aus rauschendem Gas.“

Jackson und andere Forschende schätzen, dass zwischen 50 Prozent und fast 100 Prozent des gesamten Methans, das aus den Röhren ausströmt, austritt, in die Atmosphäre gelangen wird. Die dänische Regierung entwarf ein Worst-Case-Szenario, wonach das ganze Gas die Luft erreicht. Die deutschen Behörden gingen am Donnerstag von einer etwas geringeren Menge aus.

In der Zwischenzeit ist es fast unmöglich, sich den hochentzündlichen Schwaden zu nähern, um die Freisetzung des Gases einzudämmen, die nach Ansicht von Energieexperten bis Sonntag andauern könnte. Wenn der Gas-Luft-Mix in einem bestimmten Bereich liegt, könnte etwa ein Flugzeug, das in die Fahne hineinfliegt, leicht Feuer fangen.

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Dabei ist das Methan nicht die einzige Gefahr, wie der Atmosphären-Forscher Ira Leifer betont. Die Gesamtmenge an Spurenelementen wie dem krebserregenden Benzol, die in die Umwelt gelangen, sei schon jetzt erheblich. Sie werde Fischen, den marinen Ökosystemen insgesamt sowie Menschen, die Fisch verzehren, schaden, sagt Leifer.

Der Geophysiker David Archer von der University of Chicago weist darauf hin, dass die Lecks in der Ostsee – die die Nato auf Sabotage zurückführt - Teil eines viel größeren, weltweiten Problems mit Methan-Emissionen seien. Das Gas trägt wesentlich zum Klimawandel bei, denn es ist kurzfristig 82,5 mal stärker als CO2 bei der Absorption der Sonnenhitze und bei der Erderwärmung.

Nach Erkenntnis von Klimaforscherinnen und -forschern sind Methan-Emissionen aus der Öl- und Gasindustrie mindestens zwei Mal so hoch wie von den Unternehmen angegeben – trotz der Behauptung vieler Konzerne, den eigenen Schadstoffausstoß verringert zu haben. Das geht aus Messungen von Satelliten aus dem All hervor, wie der Klimawissenschaftler Thomas Lauvaux von der Universität Reims erklärt.

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Viele dieser sogenannten Lecks sind kein Zufall: Unternehmen setzen das Gas bei routinemäßigen Wartungen frei. Lauvaux und andere Forschende beobachteten auf den Satellitenaufnahmen mehr als 1500 größere Methan-Lecks weltweit – und Zehntausende mögliche kleinere.

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