Roland Berger Experte: "Sparsame Motoren statt dem nächsten Facebook"

Torsten Henzelmann, Partner bei Roland Berger.
WirtschaftsWoche: Herr Henzelmann, wer die Zeitung liest, könnte vermuten, dass es schlecht steht um die deutsche Umwelttechnikbranche: Solarunternehmen machen pleite, die Windradhersteller werden von der chinesischen Konkurrenz überholt. Was spricht dennoch dafür, jetzt in Deutschland ein grünes Startup gründen?
Henzelmann: Grüne Technologien boomen, daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Die Märkte für Energieeffizienz, Wassertechnologien, neue Formen der Energieerzeugung und CO2-arme Mobilität wachsen im hohen einstelligen Bereich. Gründer, die hier neue Ideen entwickeln und auf den Markt bringen, haben große Erfolgschancen. Deutsche Unternehmen haben Erfahrung mit diesen Märkten und darum eine besonders gute Startposition.
Was macht Deutschland so stark bei grünen Technologien?
Deutschland hat, wie nur wenige andere Länder, eine Kultur der Effizienz. Wir hatten seit jeher keine nennenswerten Vorkommen an Öl, Gas, Kupfer oder Seltenen Erden – und kompensieren das, indem wir mit Ressourcen produktiver umgehen. Im Vergleich zu großen Nationen wie den USA oder Russland brauchen wir zwei bis drei Mal weniger Energie, um das gleiche BIP zu produzieren. Schon in der technischen Ausbildung und im BWL-Studium lernt der Nachwuchs in Deutschland, wie wichtig Effizienz ist, auch für den wirtschaftlichen Erfolg.
Der deutsche grüne Gründer ist also ein Schwabe: Sparsam und technikverliebt?
So pauschal kann man das nicht sagen. Deutsche Gründer sind zwar häufig Ingenieure – anders als etwa im Silicon Valley, wo vor allem neue Internet-Techniken entwickelt werden. Hiesige Startups entwickeln eher sparsame Elektromotoren und neue Recyclingprozesse als das nächste Facebook. Das liegt nicht daran, dass wir Deutschen besonders sparsam sind, sondern dass wir im Energie- und Rohstoffbereich immer abhängig vom Ausland sind und effiziente Produkte und Dienstleistungen entwickeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

US-Wissenschaftler von der Purdue Universität haben einen Sensor entwickelt, der durch musikalische Schallwellen mit Energie versorgt wird. Das etwa zwei Zentimeter lange Röhrchen soll in Körpergefäßen oder der Blase Messungen durchführen – dabei wird ein Streifen aus einer speziellen Metall-Mischung durch akustische Wellen in Schwingungen versetzt, die in Energie umgewandelt werden.
Die Forscher haben dabei sogar getestet, welcher Musikstil sich am Besten eignet. Dabei erzielte Rap durch die Vielzahl niedriger Frequenzen deutlich bessere Ergebnisse, als Rock, Blues oder Jazz.
Es gibt eine ganze Reihe an Möglichkeiten, Strom aus ungewöhnlichen Quellen zu gewinnen - aus der Fahrenergie von Autos beispielsweise oder indem man Batterien per Schütteln lädt...

Der japanische Elektronikkonzern Brother hat AA- und AAA-Batterien entwickelt, die sich mit Hilfe eines eingebauten Generators per Schütteln wieder aufladen lassen.

Das südafrikanische Startup Roundabout Outdoor hat in Afrika in den vergangenen Jahren mehr als sechshundert Karusselle namens Playpump gebaut, mit denen spielende Kinder ganz nebenbei Wasser aus einem Brunnen in einen Tank pumpen.

Das israelische Startup Innowattech will Straßen bauen, die den Druck der Autoreifen zur Stromerzeugung nutzen. Dazu will es so genannte piezoelektronische Materialien in den Asphalt einbringen, die bei Druck unter elektrische Spannung geraten. Eine einen Kilometer lange Spur soll 200 Hauhalte versorgen können. Eine längere Teststraße steht aber noch aus.

Sogar Bäume geben Strom ab, und das US-Startup Voltree Power weiß, wie: Mit zwei Elektroden, in die Baumwurzel und den Boden daneben gesteckt, nutzen die Amerikaner den Unterschied zwischen den PH-Werten beider Umgebungen, um eine elektrische Spannung zu erzeugen und Strom zu produzieren - wie bei einem Apfelradio. Der soll reichen, um kleine Status-LEDs zu betreiben oder Uhren für Sensornetzwerke.

Das Robotor-U-Boot Solo-Trec der US-Raumfahrtbehörde Nasa braucht kein Benzin und keine Steckdose. Auf seinen Tauchfahrten nutzt es die Wärmeunterschiede der Wasserschichten zur Stromerzeugung für Antrieb und Sensoren: Bei jedem Abtauchen dehnen sich spezielle Phasenwechselmaterialien aus und komprimieren dabei ein Öl. Der Druck des Öls treibt dann einen Stromgenerator an.
Texte: Andreas Menn

Elektroautos tanken künftig vielleicht Windstrom, den die Ladesäule selbst erzeugt - so jedenfalls stellt sich der amerikanische Kleinwindanlagenhersteller Urban Green Energy es vor. Ihre Ladesäule Sanya Skypump erzeugt mit 4 Kilowatt Leistung genug Strom für den Autoakku.

Ingenieure des Karlsruher Instituts für Technologie haben mit Industriepartnern den Prototypen eines berührungsfreien Wasserhahns namens PowerFluid entwickelt, der mit Wasserkraft funktioniert: Eine winzige Wasserturbine und ein Generator speisen Strom in einen Speicher, der den Näherungssensor versorgt.

Abfallenergie liefern Gebäude im Überfluss: Bis zu 1000 Watt Wärmeenergie flutet ein Heizkörper ins Wohnzimmer – genug für hundert Energiesparlampen. Thermogeneratoren, etwa vom Freiburger Startup Micropelt, fangen davon allerdings nur ein paar Milliwatt auf. „Aber schon mit geringen Mengen Energie“, sagt Burkhard Habbe, Chef der Micropelt-Geschäftsfeldentwicklung, „lassen sich die erstaunlichsten Dinge verwirklichen.“ Zum Beispiel energieautarke Heizungsventile, die sich per Smartphone steuern lassen – kommendes Jahr soll es sie zu kaufen geben. Kurz vor der Marktreife stehen auch batterielose Temperaturfühler von Micropelt und dem Ratinger Elektronikunternehmen Schneider Electric für die Industrie. Sie sollen an den Stromschienen von Werkzeugmaschinen Überhitzung registrieren, bevor das Metall durchschmilzt.

Mit den GenShock-Stoßdämpfern wird jedes Holpern und Rumpeln im Bus oder LKW zu wertvollem Strom für das Bordnetz. Bis zu 400 Watt Strom kann ein LKW so produzieren und damit die Tankrechnung um 800 Dollar pro Jahr reduzieren, verspricht der Anbieter. Marktstart ist im kommenden Jahr.

Solar-Dächer im Auto sind keine Spielerei mehr, sondern ein wichtiger Schritt, um CO2-Emission zu senken oder Elektroflitzer weiter fahren zu lassen. Die Dächer des Erfurter Solar-Spezialisten Asola Power erzeugen im Modell Karma des US-Autoherstellers Fisker 120 Watt Strom für die Klimaanlage, das Radio, den GPS-Empfänger oder die Sitzheizung. Text: Andreas Menn Fotos: PR, Screenshots, Unternehmen

In mehr als 60 amerikanischen Fitness-Studios erzeugen Sportler auf Rädern des Startups The Green Revolution Strom.

Der britische Mobilfunkanbieter Orange lässt T-Shirts entwickeln, die Strom aus Schall erzeugen.

Im Funklichtschalter des Oberhachinger Hausautomationsunternehmens EnOcean steckt ein Minidynamo. „Schon mehr als 200000 Gebäude nutzen unsere Technik“, sagt Enocean-Technikchef Frank Schmidt.

Der Wave Glider des US-Startups Liquid Robotics bewegt sich mit Wellenkraft im Meer und sammelt dabei Daten für Wissenschaftler. BP verfolgte mit dem Roboterboot im Golf von Mexiko die Ölspur der havarierten Bohrinsel Deepwater Horizon.

Das US-Startup Solar Roadways hat ein 13 Quadratmeter großes Solar-Straßenteil gebaut, das mit LEDs Warninfos anzeigt. Andere Unternehmen arbeiten an Straßen, die Energie durch den Druck rollender Autos erzeugen. Foto

Spielend Strom erzeugen können Kinder in Afrika bald mit dem Soccket-Fußball des US-Anbieters Uncharted Play. Ein eingebauter Dynamo speist bei Stößen Strom in einen Akku, der via Stromkabel eine LED zum Leuchten bringt.

Mit dem Wasserkocher Tellurex World Pot des US-Thermoelektrik-Spezialisten Tellurex können Menschen in Entwicklungsländern beim Wasskochen ihr Handy oder Akkus für andere Gerätet laden. Möglich macht das ein Thermogenerator, der Wärme in Strom umwandelt und via USB-Kabel weiterleitet. Eine halbe Stunde lang Kochen sterilisiert einen Liter Wasser - und liefert genug Strom, um vier LEDs vier Stunden lang zum Leuchten zu bringen.

Das Kleinflugzeug Electraflyer-X des amerikanischen Herstellers Electraflyer fliegt leise und umweltfreundlich mit Batteriestrom, aber nicht nur das: Im Sinkflug oder bei starken Aufwinden kann der Pilot per Knopfdruck den Motor ausschalten und dann den Propeller in eine Stromturbine verwandeln, die den Akku nachlädt. Bei passendem Wetter könne ein Pilot "praktisch den ganzen Tag lang fliegen", sagt Gründer Randall Fishman.

Ein vorbeifahrender LKW wirbelt nicht nur die Frisur von Passanten auf - sondern treibt künftig vielleicht auch Windturbinen an. Das amerikanische Startup Medianwind hat ein Hüfthohes Windrad konzipiert, dass sich an Leitplanken befestigen ließe - pro Meile Autobahn 1760 Stück nebeneinander. Zusammen sollen sie 0,46 Megawatt Strom liefern; fünf Kilometer Highway entsprächen damit einer gängigen großen Windturbine. Die Produktionskosten sollen unter 1500 Dollar pro Stück liegen; über den Produktionsstart ist noch nichts bekannt.

Sogar Drehtüren wollen Forscher künftig in Kraftwerke verwandeln. Das Bild zeigt die Designstudie "Revolution Door" des US-Designbüros Fluxxlab.

Mit dem Mini-Kraftwerk nPowerPED des US-Startups Tremont Electric erzeugt jeder Schritt beim Wandern Strom. In den Rucksack gesteckt, verwandelt der 23 Zentimeter lange Rundstab per eingebautem Dynamo die Vibrationen in Elektrizität. Eine Minute Wandern soll genug Energie liefern, um eine Minute lang einen iPod-Nano zu betreiben.
Von welchen grundlegend neuen Technologien werden wir bald mehr hören?
Aus meiner Sicht werden es Innovationen aus dem Bereich Automatisierung sein: Lösungen, die klassische Energieerzeugungs und -effizienztechnologien intelligent kombinieren und dadurch den Kunden Mehrwert bieten. Dazu gehören alle sogenannten smarten Technologien für Ladestationen, Wasseraufbereitung, Recycling, Speicherung und Netze.
Ist Deutschlands Vorreiterrolle in der Solar- und Windenergie schon wieder Vergangenheit?
Bislang haben es deutsche Unternehmen geschafft, durch die Effizienz und die Langlebigkeit ihrer Produkte zu überzeugen. Sollte es uns nicht mehr gelingen, diesen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, könnten wir in Deutschland aufgrund unserer Kostenstruktur einen Wettbewerbsnachteil haben. Allerdings zeichnen sich auch neue Innovationen im Solar- und Windenergiebereich ab. Gelingt es uns diese Innovationen schnell und mit einem Wettbewerbsvorteil an den Markt zu bringen, so haben wir auch weiterhin gute Chancen, uns gegen Standorte mit niedrigeren Herstellungskosten zu behaupten.

Trotz der derzeitigen Flaute im Solarsektor ist Henzelmann überzeugt, dass grüne Startups große Erfolgschancen haben.
Biodiesel, Biogas, Holzvergasung - welche Biomasse-Technologien haben Zukunft?
Aus meiner Sicht sind diese Technologien nicht direkt vergleichbar. Biodiesel wird seinen Einsatz in der Mobilität finden. Biogas- und Holzvergasungstechnologien werden hingegen vor allem bei der regelbaren Stromerzeugung wie z.B. bei der Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz kommen. Ich persönlich sehe das Thema Biogas mit zentraler und dezentraler Verstromung als wesentliche Technologie in einem zukünftigen erneuerbaren Energienszenario.
Grüne Technologien haben ein gutes Image – aber sind Idealisten nicht die schlechtesten Unternehmer?
Gründer müssen einerseits ambitioniert sein und ihre Kunden immer wieder mit neuen Ideen überraschen; andererseits muss sich das Produkt am Ende rechnen. Darum können sich Jungunternehmer keine Mondscheinplanung erlauben. Die grünen Startups, die wir ausgewählt haben, kalkulieren eher konservativ.
Es gründet also vor allem der BWLer?
Wir beobachten eine sehr diverse Gründerkultur: Von Hochschulabsolventen, die mit viel Elan eine spannende Idee umsetzen wollen, bis zu gestandenen Managern, die mehr als 20 Jahre Karriere in einem Konzern hinter sich haben und nun mit viel Erfahrung ihr eigenes Unternehmen aufbauen möchten. In vielen Startups arbeiten sogar beide zusammen – und das ist eine erfolgreiche Mischung.
Warum das?
Wo IT-Fachleute, Energietechniker und BWLer aufeinanderstoßen, entstehen Gegengewichte, Reibungspunkte, Perspektivwechsel. Und das ist erheblich erfolgsversprechender, als wenn sich drei Vollblutingenieure zum Tüfteln treffen. Die meisten Greentech-Startups erfinden ja auch nichts völlig Neues, sondern bringen vorhandene Technologien in andere Anwendungen. Sie bauen zum Beispiel solarthermische Kraftwerke so um, dass sie keinen Strom, sondern Wärme für Fabriken erzeugen.
Solche Technologien sind sehr kapitalintensiv. Wie steht es um die Finanzierung deutscher Startups?
Viele Gründer loben einerseits die Förderkultur in Deutschland; denn hier sind Förderbanken, die KfW, Business Angels, Wagniskapitalfirmen und private Investoren vorhanden. Andererseits erleben wir bei Investitionen ab drei bis fünf Millionen Euro eine imaginäre Schallmauer. Spätestens ab diesem Punkt müssen Gründer sich auf die Suche nach starken Partnern machen.
Welche Partner kommen da in Frage?
Die meisten suchen sich einen Industriepartner, der ihre Produktentwicklung weiterfinanziert und am Ende das Produkt herstellt. Großunternehmen können eine hervorragende Infrastruktur bereitstellen, sowohl für die Forschung als auch für die Produktion. Und sie sind grünen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen.









