Rotes Meer soll helfen Das Tote Meer stirbt

Das Tote Meer trocknet aus. Landwirtschaft und Mineralindustrie sind maßgeblich dafür verantwortlich. Ein Kanal vom Roten Meer könnte den Wasserschwund aufhalten. Kosten: Zehn Milliarden Dollar.

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Das Tote Meer ist auch eine sichere Einnahmequelle für den Tourismussektor. Quelle: dpa

An das Westjordanland, Israel und Jordanien grenzt ein großer See ohne Abfluss: Das Tote Meer. Es liegt 426 Meter unter dem Meeresspiegel und ist für seinen hohen Salzgehalt weltberühmt. Dieses Naturschauspiel könnte bald komplett verschwunden sein, denn das Tote Meer verliert immer mehr Wasser und ist vor allem im nördlichen Teil dabei auszutrocknen. Um den Wasserverlust zu kompensieren, haben viele Lösungsvorschläge nun einen rettenden Wasserkanal vor Augen – einen, der das Tote Meer mit den Roten Meer verbindet, und den sich Israel und Jordanien teilen würden. Doch das ist ein riesiges Projekt. Die Weltbank hat zu diesem Vorhaben eine Machtbarkeitsstudie vorgelegt.

Der Grund dafür, dass der See immer kleiner wird, ist simpel: Der einzige Zufluss zum Toten Meer kommt über den Jordan. Doch seitdem vor allem die israelische Landwirtschaft am oberen Verlauf des Flusses das Wasser abzweigt, erreicht immer weniger Wasser das Tote Meer. Auch Trinkwasser wird abgezapft. 2007 lag der See noch sechs Meter höher, seit 1980 ist das Tote Meer pro Jahr um einen Meter zurückgegangen. Wissenschaftler vermuten, dass sich dieser Trend weiter fortsetzten wird. In den nächsten 150 Jahren könnte das Gewässer um dramatisch 120 Meter zurückgehen.

Zusätzlich entnimmt die Mineralwirtschaft dem Wasser wertvolle Rohstoffe. Am südlichen Teil des Binnengewässers gewinnen Unternehmen aus riesigen Becken Magnesium, Kalium und Brom. 650 Millionen Kubikmeter Wasser lässt die Industrie hier verdunsten, was ungefähr der Menge an Wasser entspricht, die das Meer jährlich verliert.

Neue Technologien zur Energiegewinnung
Solarzellen gehören in der Stadt von Morgen zu den wichtigsten Technologien bei der Energiegewinnung. Die Integration in die Gebäudehüllen spart Material und verbilligt den Sonnenstrom. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Strom erzeugende Straßen gehören zu der Vision des amerikanischen Startup Solar Roadways. Die Oberfläche besteht aus einem extrem harten Glas, darunter befinden sich Solarzellen. Im US-Bundesstaat Idaho wurde so der erste Strom erzeugende Parkplatz aus Solarmodulen gebaut. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Durch transparente Farbstoffsolarzellen können zusätzlich Fassadenflächen zur Energiegewinnung genutzt werden. Das australische Solarunternehmen Dyesol und der US-Glashersteller Pilkington wollen bereits in wenigen Jahren damit beginnen, Glas mit Solarzellen aus Farbstoffen zu bedrucken. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Einzelne Haushalte können sich zukünftig durch Kleinwindräder, die sich leicht auf Hausdächern und an Balkonbrüstungen montieren lassen, mit Strom versorgen. Der Branchenverband RenewableUK rechnet damit, dass in England bis 2020 Kleinwindräder mit einer Gesamtleistung von 1,3 Gigawatt installiert sein werden - so viel wie ein großes Atomkraftwerk derzeit produziert. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Elektroautos könnten in den zukünftigen Megacities direkt am Parkplatz aufgeladen werden - durch Windenergie. Sanya Skypump heissen diese Windturbinen, die vom New Yorker Kleinwindanlagen-Startup Urban Green Energy entwickelt wurden. Illustration: Javier Martinez Zarracina
Selbst Biomasse lässt sich in den Städten zur Energiegewinnung nutzen. Durch Fermentierungsanlagen wird aus dem angefallenen Müll Biogas erzeugt - womit sich wiederum gasbetriebene Fahrzeuge antreiben lassen. Zudem... Illustration: Javier Martinez Zarracina
...lässt sich das gewonnene Biogas problemlos in das Gasleistungsnetz mischen. So können auch hocheffiziente Blockheizkraftwerke betrieben werden, die dann in den Kellern von Gebäuden Wärme und Strom erzeugen. Illustration: Javier Martinez Zarracina

Um das Gewässer zu retten, prüft die Weltbank nun, wie realistisch ein Kanal aus Tunneln und Pipelines vom Roten in das Tote Meer wäre. Dabei haben sich Experten sowohl die technischen als auch die wirtschaftlichen Komponenten genau angeschaut. Immerhin 180 Kilometer lang wäre das Kanalsystem, das südlich der Sinaihalbinsel für Wasserzufuhr aus dem Roten Meer sorgen soll. Dabei rechnen die Wissenschaftler mit einer zusätzlichen Wassermenge von 2.000 Millionen Kubikmetern, wovon wiederum etwa 850 Millionen von der Bevölkerung und für die Landwirtschaft genutzt werden können.

Das Ergebnis: Zehn Milliarden US-Dollar könnte diese Wasserstraße kosten, die zudem auch für die Landwirtschaft und für die Energiegewinnung zu Verfügung stehen könnte. Das Wasser müsste allerdings entsalzen werden. Insgesamt könnten zwei Milliarden Kubikmeter Wasser jährlich in Richtung Totes Meer gepumpt werden, so der Plan, an dem Experten aus Jordanien und Israel mitgeschrieben haben. Das Pumpen sind notwendig, weil auf dem Weg mehrere Höhenmeter zu überwinden sind. Gleichzeitig soll der Höhenunterschied mit Wasserkraft zur Stromproduktion nutzbar gemacht werden.

Seitens der Politik in Jordanien, Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde wurde der Bericht der Weltbank begrüßt. Kritische Stimmen fürchten Folgen für die Umwelt, die bisher noch nicht abzuschätzen seien. Denn laut Weltbank-Studie könnten sich unter anderem Algen im Toten Meer bilden. Am Ende würde das Tote Meer womöglich nicht mehr so aussehen wie heute - das Wasser wäre nach der Rettungsaktion vermutlich weiß. Auf die Tourismusindustrie, die jetzt schon mit längeren Gehwegen zum Strand in Kauf nehmen muss, drohen Verluste in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, auf die nächsten fünfzig Jahre gerechnet.

Diese Regionen drohen zu verschwinden
NildeltaDer afrikanische Strom Nil versorgt Menschen in sieben Ländern mit Wasser und sorgt für fruchtbaren Boden. Von Ruanda und Burundi fließt er durch Tansania, Uganda, den Südsudan und den Sudan, durch Ägypten und mündet dann ins Mittelmeer. Gerade in Ägypten gilt der Fluss als Lebensader. In den nächsten zwölf Jahren könnte sich seine Bedeutung jedoch umkehren: Wenn die Meeresspiegel weiter ansteigen, würden die Menschen aus dem Nildelta von Überschwemmungen vertrieben. Quelle: obs
HalligenGenauso bedroht vom steigenden Meeresspiegel sind die zehn deutschen Halligen rund um die Insel Insel Pellworm vor der Küste Schleswig-Holsteins. Steigt der Meeresspiegel weiter, können die Bewohner der Halligen die Landwirtschaft nicht aufrecht erhalten - ihre Lebensgrundlage wäre bedroht. Stürme, häufigere Überflutungen und damit verbundene Bodenerosionen könnten die Halligen im Laufe der Zeit vollständig wegspülen. Quelle: dpa/dpaweb
WattenmeerSteigt der Meeresspiegel sehr schnell und hoch, könnte auch Wattenmeer komplett verschwinden. Damit würden tausende Vögel ihre Lebensgrundlage verlieren. Quelle: dpa
KilimandscharoDoch auch die Berge sind bedroht: Durch die Klimaerwärmung sind die Gletscher auf dem ostafrikanischen Kilimandscharo um 80 Prozent geschrumpft. In den nächsten drei bis vier Jahren soll die Schneedecke ganz verschwunden sein. Da wegen der globalen Erwärmung auch der Wolkenkranz, der die Spitze des Berges umschließt, weniger wird, ist die dortige Wasserversorgung gefährdet. Am Fuß des Mount Kilimanjaro lebt die Volksgruppe der Massai, außerdem tausende Tierarten wie Affen, Büffel, Elefanten, Pelikane, Raubkatzen, Nashörner, Zebras und Gazellen. Verschwinden die Wolken um den Kilimandscharo herum, verschwindet auch die Lebensgrundlage von Mensch und Tier. Quelle: dapd
GletscherAllgemein verschwinden Schnee und Eis von der Erdoberfläche - nicht nur in Ostafrika oder an den Polen. So sind beispielsweise auch die österreichischen Skigebiete wie Kitzbühel betroffen. Schon ein Temperaturanstieg von drei Grad reicht laut Geologen aus, um 80 Prozent der Alpengletscher abzutauen. Forscher gehen davon aus, dass im Jahr 2050 alle Alpen gletscherfrei sein werden. Quelle: gms
Namib-WüsteDeutsche Forscher sind erst im vergangenen Sommer in der Nähe der Wüste Namib in Namibia im Südwesten von Afrika auf riesige unterirdische Wasservorräte gestoßen. Trotzdem bleibt das Land vom Klimawandel gefährdet: Trocknet die Wüste noch stärker aus, könnten Wanderdünen Mensch, Tier und Pflanzen bedrohen. Laut Geologen reicht ein Temperaturanstieg von 2,1 Grad, damit Sandstürme und Wanderdünen aus der Namib-Wüste rund die Hälfte der Tier- und Pflanzenwelt auslöschen und das Leben der Menschen gefährden. Quelle: dpa
Amazonas-RegenwaldGut sechs Prozent der Vogel-, Amphibien- und Säugetierarten müssten im brasilianischen Amazonasbecken mittlerweile ausgestorben sein - weil der Regenwald dort seit vier Jahrzehnten zerstört wird. Ein Fünftel des Amazonas-Regenwalds ist bereits vollständig zerstört. Quelle: dpa

Die Weltbank ist in ihrem Bericht optimistisch, dass man die entstehenden Probleme sicher in den Griff bekommen würde. Die Kritiker halten das für Humbug – allein schon die angesprochene Umweltbelastung spricht dafür, dass diese Pläne nie umgesetzt werden sollten, so die Umweltaktivisten von Friends of the Earth Middle East. Ein weiterer Einwand der NGO:  Die Weltbank sei bei den Kosten nicht ehrlich. Denn zu den vorgesehenen zehn Milliarden US-Dollar wären weitere Investitionen in Höhe von 7,5 Milliarden US-Dollar nötig. Allein Jordanien müsste für den Aufbau der Trinkwasser-Infrastruktur zusätzlich 2,5 Milliarden Dollar ausgeben.

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