Tracking der Energiewende #7 Der Frühling kommt, die Hoffnung schwindet

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Deutschland will raus aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland. Doch Vergleiche mit der Vergangenheit zeigen: Zumindest beim Ausbau der erneuerbaren Energie ist vorerst keine Beschleunigung zu erwarten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Am Montagabend wurde Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in den Abendnachrichten zur Ukrainekrise befragt und Deutschlands neuem Ziel, möglichst schnell wegzukommen von Putins Gas. Ob sie denn nun bereit sei, Planungshürden abzuräumen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen? Lemke stockte kurz und sprach dann vom Rotmilan, dem Raubvogel, den Naturschützer am liebsten ins Feld führen, um Windkraftanlagen zu verhindern. Neue Studien zeigten, „dass Windkraftanlagen für den gar nicht so gefährlich sind, das Risiko ist vor allem der Straßenverkehr“.

Für den Vogel mag das eine gute Nachricht sein. Für die Energiewirtschaft dürfte es bedeuten: Wie sehr sich die weltpolitische Lage auch zuspitzen mag, an der deutschen Genehmigungsbürokratie wird vorerst nicht gerüttelt. Entsprechend schwer dürfte es sein, auch nur geringe Teile der russischen Gaslieferungen in der nächsten Zeit durch eine höhere Produktion aus Wind und Sonne auszugleichen. Zwar verspricht die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt im Herbst, der Ausbau der Erneuerbaren möge endlich an Schwung gewinnen. Vor Ostern will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein Maßnahmenpaket vorstellen, um dieses Versprechen zu ergänzen. Aber klar ist: Allein die Existenz einer neuen Regierung hat bisher keinen Schwung gebracht.

Lesen Sie auch: Aus Angst vor Anwohnerzorn sollen sich Windräder vermehrt über staatseigenen Baumwipfeln drehen. Klingt einfach. Aber ein Beispiel aus dem Windskeptikerland Bayern zeigt: Es dürfte schwierig bleiben.

Seit Jahresanfang überprüft die WirtschaftsWoche Woche für Woche, wie viele neue Windkraftanlagen und Solarfelder im Land entstehen. Bisher ist der Ausbau in jeder einzelnen Woche unter dem geblieben, was durchschnittlich nötig wäre, um das ziemlich vorsichtig formulierte Ziel für das laufende Jahr zu erreichen. Auch in der vergangenen Woche wurden die Ziele wieder deutlich unterschritten, vor allem der Ausbau der Solarkraft enttäuschte diesmal, da er hinten den erstmalig halbwegs verheißungsvollen Werten der Vorwoche zurückblieb.



Und ein Vergleich mit der Vergangenheit zeigt nun: Das dürfte vorerst auch so bleiben. Anders als vermutet, scheint die in der Bauwirtschaft bedeutsame Frühlingsbelebung beim Ausbau der erneuerbaren Energien nämlich keine große Rolle zu spielen.

Die Hoffnung, die Werte der ersten Wochen könnten den Ausbau im Vergleich auf das Gesamtjahr massiv unterzeichnen, dürfte sich nicht erfüllen, wie der Blick auf die Wochenwerte der vergangenen zwei Jahre zeigt.



Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren einzelne Ausschläge nach oben oder mehrwöchige Schwächephasen, saisonale Muster aber lassen sich darin kaum ausmachen. Wiederkehrend sind lediglich die Ausschläge rund um den Jahreswechsel, ansonsten verlief der Ausbau mal im Frühjahr besonders intensiv, mal im Spätherbst.

So massiv, dass sie die gesamte Jahresbilanz verzerren würden, waren aber auch diese Abweichungen nicht: Errechnet man aus beliebigen zehn Wochen einen Durchschnitt, erhält man fast immer auch den Durchschnittswert für das entsprechende Jahr. Für dieses Jahr dürfte das wohl bedeuten, dass auch der dezente Aufwärtstrend der vergangenen Wochen nicht über das Gesamtjahr fortgeschrieben werden kann.





So liegen die vergangenen drei Wochen nach wie vor deutlich über den Werten der drei Wochen zuvor. Zugleich aber fällt die Ausbaumenge vom höchsten Stand dieses Zwischenhochs wieder deutlich ab, was vor allem an der schwächelnden Bilanz beim Ausbau der Sonnenenergie liegt. Der Vergleich mit den beiden Vorjahren legt nun eher nahe, dass diesem kurzen Hoch eine erneute Dürrephase folgt.

Der Ländervergleich zeigt ein gewohntes Bild: Bayern ist beim Ausbau der Sonnenenergie vorn, die Windkraft entsteht vor allem im Norden des Landes. Eines der sechs in der vergangenen Woche neu entstandenen Windräder steht diesmal in Rheinland-Pfalz, womit sich die Liste der 2022 noch windkraftfreien Bundesländer weiter lichtet: Nur noch drei Flächenländer, nämlich Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern, stehen darauf.



Um den Ausbau in den Bundesländern besser vergleichen zu können, hat die WirtschaftsWoche die Werte für die Farbgebung diesmal ins Verhältnis zur Landesfläche gesetzt. Auch das ist kein perfektes Maß, schließlich spielt auch die Besiedlung eine Rolle. Diese ist jedoch widersprüchlich, da eine dichte Besiedlung einerseits den Ausbau von Dachflächenanlagen für die Gewinnung von Solarstrom begünstigt. Andererseits erschwert dies den Bau von Windkraftanlagen und Solarfeldern.

Der neue Maßstab zeigt nun, dass das größte Bundesland nicht nur absolut, sondern auch relativ zur Fläche zwar weit vorne ist beim Ausbau der Solarenergie – aber eben nicht ganz vorne. Die Spitzenposition nimmt tatsächlich Schleswig-Holstein ein, dahinter folgt Nordrhein-Westfalen und dann erst Bayern.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Beim Ausbau der Windkraft liegt derzeit das Saarland vorne, dahinter folgt Brandenburg, das Bundesland, in dem bisher absolut die meisten Windräder entstanden sind.

Mehr zum Thema: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lässt eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken prüfen und offenbart damit, dass die deutsche Energiewende auf tönernen Füßen steht: Das grüne Anti-Atom-Dogma wackelt

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%