Wirtschaft von oben #310 – Bergbau in Argentinien: Mileis Wunschprojekte
Wer die tausende Höhenmeter aus der Tiefebene ins Bergbaugebiet der argentinischen Anden zu schnell zurücklegt, bekommt rasch die Quittung: Kopfschmerzen. Die Gegend ist atemberaubend – im wahrsten Sinne. Die Luft ist dünn, der Sauerstoff knapp. Die Minenarbeiter aber sind die Höhe gewohnt. Ihre Schicht dauert mehrere Wochen. Sie bleiben währenddessen in den Camps der Minengesellschaften, bevor sie abgelöst werden.
Und sie sind gefragter denn je: Für Argentinien gehören Rohstoffe wieder zum Kerngeschäft. Unter dem libertären Präsidenten Javier Milei hat sich das Land wirtschaftlich geöffnet. Der Präsident garantiert Investoren ab einem Volumen von 200 Millionen US-Dollar Steuererleichterungen für 30 Jahre – unabhängig davon, wer an der Regierung ist. Auf der jüngsten Bergbaukonferenz in Kanada betonte Karina Milei, Schwester und Beraterin des Regierungschefs, dessen Wunsch, den Minensektor auszubauen.
Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen soll Argentinien dringend benötigte Devisen einbringen, zunächst in Form von Investitionen, später von Exporterlösen. Rohstoffe in der Erde haben die Südamerikaner reichlich. Aktuelle Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie groß das Ausmaß des Abbaus und der Projekte in Planung inzwischen ist. Dabei ist es für Milei zweitrangig, woher die Investitionen kommen.
Fast 50 Lithiumprojekte laufen im Norden Argentiniens.
Der südkoreanische Konzern Posco betreibt am Nordrand des Salar del Hombre Muerto (Salzsee des Toten Mannes) seit einigen Monaten eine Lithiumhydroxid-Anlage. Wichtige Verdampfungs- und Kristallisationstechnologie dafür stammt vom deutschen Anlagenbauer GEA. Am Südrand steht die Anlage, mit der BMW vor einigen Jahren einen Abnahmevertrag geschlossen hat. Beteiligt hat sich der Münchner Autobauer nicht. Das Projekt gehört inzwischen zum Weltkonzern Rio Tinto.
Salzwüste Hombre Muerto, Catamarca, Argentinien
28.02.2025: Rund um den riesigen Salzsee haben sich ein halbes Dutzend Firmen angesiedelt. Das Projekt Fenix, das inzwischen zu Rio Tinto gehört, beliefert BMW.
1: Lithiumabbau des südkoreanischen Konzerns Cosco
2: Salzwüste des Toten Mannes
3: Lagune des Toten Mannes
4: Rio-Tinto-Projekt Fenix, mit dem BMW einen Abnahmevertrag hat
Bild: LiveEO/Sentinel-2
Seit 2024 gewinnt die französische Firma Eramet Lithium aus einem östlich der Produktionsstätte gelegenen Vorkommen. Von dort pumpt eine Pipeline Sole zur Produktionsstätte, in der Lithium aus der Sole extrahiert wird. Bei der Sole handelt es sich um Grundwasser mit einer hohen Salzkonzentration, etwa zehnmal höher als im Meer.
Bilder: LiveEO/Sentinel-2, LiveEO/Airbus/SPOT
Eramet geht davon aus, mit der Direktextraktionsmethode halb so viel Sole aus der Erde zu pumpen wie im konventionellen Evaporationsverfahren. Es gehe weniger Lithium verloren, weniger Wasser werde verbraucht. Das erhöhe die Nutzungsdauer einer Mine.
Bilder: LiveEO/Airbus/SPOT
Die Lithiumprojekte sind mengenmäßig am meisten vorhanden, viele davon noch ganz am Anfang. Am ertragreichsten sind die Kupferminen im Süden. Die größten Vorkommen des Erzes liegen in San Juan. 2024 floss mehr als die Hälfte der Bergbauinvestitionen in diese Provinz. Das Projekt Filo del Sol-Santamaría gehört dem Bergbauriesen BHP und dem schwedisch-kanadischen Unternehmen Lundin Mining. Die Büros und Unterkünfte dieses Camps liegen in einer besonders unwirtlichen Gegend auf rund 5000 Metern.
Der Deutsche Michael Meding, der auch Chef des argentinischen Bergbauverbandes ist, organisiert in San Juan ein Projekt, das ähnlich fortgeschritten ist wie Filo del Sol. Das aktuelle Bild vom Projekt Los Azules zeigt deutlich die Bohrstellen in der Landschaft: eine ungerade Linie mit einer breiteren Stelle am Ende, an der die Türme aufgestellt werden. Noch läuft die Produktion aber nicht.
McEwen Mining, Los Azules, San Juan, Argentinien
02.01.2025: Das Bild zeigt deutlich die Bohrstellen in der Landschaft: ungerade Linien mit einer breiteren Stelle am Ende, an der die Türme aufgestellt werden.
Bild: LiveEO/Airbus/SPOT
Medings Chef ist der Rohstoffmagnat Robert McEwen, Vorstandsvorsitzender und Eigentümer von McEwen Mining. McEwen betonte in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin „Apertura“, auch der sekundäre und tertiäre Sektor würden von seinen Investitionen profitieren, Arbeitsplätze schaffen. Aber das Projekt brauche Zeit. „Im Fall von Los Azules gehen wir von einer Lebensdauer von mehr als 27 Jahren aus.“ Dank Milei sei Argentinien auf einem „neuen wirtschaftlichen Weg, der eine große Chance für Wachstum bietet“.
An den Projekten sind oft mehr als zwei Unternehmen beteiligt. Im Fall von Los Azules ist etwa der Autokonzern Stellantis dabei, zu dem Opel gehört. Am Salar Caucharí-Olaroz kommt wiederum ein anderes Firmenkonstrukt zum Tragen. Dort produziert ein argentinisches Unternehmen, an dem die chinesische Firma Ganfeng Lithium und auch das Energieministerium der Provinz Jujuy beteiligt sind.
Exar, Lithiumprojekt Caucharí-Olaroz, Jujuy, Argentinien
28.02.2025: Das Bild zeigt eindrücklich die Salzwüste und die Evaporationsbecken für die Lithiumgewinnung darunter.
Bild: LiveEO/Sentinel-2
Michael Meding ist Deutscher, arbeitet aber für Kanadier. Sein Heimatland hängt hinterher. Europa will zwar weniger abhängig von Rohstofflieferant China werden, die Unternehmen halten sich mit direkten Investitionen aber zurück. Ende 2024 besuchten Meding zufolge Beamte der Europäischen Union den Standort. „Wir haben viele der Kriterien erfüllt, die es für eine mögliche europäische Investition interessant machen“, sagte Meding. Doch trotz des Investitionsprogramms aus Buenos Aires sind die Firmen nach wie vor skeptisch und befürchten ein Länderrisiko.
Abgesehen von zwei Ausnahmen: Eramet aus Frankreich hat bereits eine eigene Lithiumproduktion. Vor wenigen Monaten hat der Konzern die chinesischen Partner aus dem Projekt herausgekauft. Jetzt liegt es zu 100 Prozent in den Händen eines EU-Unternehmens.
Eine Provinz weiter will die Deutsche E-Metalle nachziehen – und direkt nach Deutschland liefern. Unternehmenschef ist der Geologe Micha Zauner. Sein Projekt steckt noch in den Startlöchern. Zauner hat ein riesiges Gebiet rund um El Peñón in Catamarca gekauft. Frühestens Ende des Jahrzehnts dürfte er Lithium industriell abbauen – wenn er denn genügend findet.
Die zweite von drei Testbohrungen läuft gerade. Die erste förderte vor allem „beste Trinkwasserqualität“ zutage, berichtet Zauner. „Das kann dann für die Produktionsanlage genutzt werden.“ Am zweiten Bohrloch seien die Lithiumfunde vielversprechend. Hochaufgelöste Satellitenbilder aus den vergangenen Monaten gibt es nicht.
Der Abbau ist immer ein Eingriff in die Natur. Aber anders als vor 20 Jahren achteten die Behörden viel stärker auf Umweltstandards und die Technologie sei „viel weiter“, so Zauner. Das DLE-Verfahren, das er anwenden will, sei minimalinvasiv, richte also viel weniger Schaden an.
Laura Castillo von der Umweltorganisation FARN ist skeptisch: Javier Milei vernachlässige die Auswirkungen des Extraktivismus auf die Umwelt, kritisiert sie. „Um die Armut zu bekämpfen, suchen die Regierungen immer einen Weg, natürliche Ressourcen abzubauen.“ Dabei würden jedoch die sozialen und Umweltfolgen außer Acht gelassen.
Immerhin: „Europa hat gewisse Standards“, sagt Castillo. „Die sind nicht optimal. Aber von chinesischer Seite werden gar keine Rechte eingehalten.“
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.
