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  4. Eisenmine in Guinea: Wie China mit einer Bahnlinie Europa die weltgrößte Eisenmine wegschnappte

Titelbild Hafen Morebaya Foto: LiveEO/Airbus

Wirtschaft von oben #359 – Eisenmine in GuineaMit dieser Eisenbahn sticht China Europa bei der weltgrößten Eisenmine aus

Die Simandou-Mine macht Guinea zum Schlüssel im weltweiten Eisenerzmarkt. Satellitenbilder zeigen, wie China dank Risikofreude seine Stahlmacht ausbaut. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Sebastian Schug 11.12.2025 - 19:42 Uhr

Im Osten Guineas zeigt China, welches Risiko das Land bereit ist, einzugehen, um dem Westen zuvorzukommen: Im Zentrum steht die mit geschätzt 1,5 Milliarden Tonnen weltweit größte bekannte Lagerstätte für Eisenerz, die Simandou-Mine. Hier in der ehemaligen französischen Kolonie wurde aus einem lange vom britisch-australischen Bergbau-Giganten Rio Tinto kontrollierten Projekt eine mehrheitlich chinesische Erfolgsgeschichte. Wie konnte das passieren?

Bereits in den 1990er-Jahren hatte Rio Tinto bei Probebohrungen die hohen Konzentrationen an Erz im Simandou-Gestein entdeckt. Das Problem: Die Mine liegt über 600 Kilometer von der afrikanischen Atlantikküste entfernt im Tropenwald. Doch nicht nur wegen der schwierigen Logistik, sondern auch wegen der unsicheren politischen Lage in der Subsahara-Region lagen die Pläne immer wieder auf Eis.

Schon 2008 hatte die guineische Regierung Rio Tinto die Abbaugenehmigung für rund die Hälfte der Lagerstätte entzogen. Zu langsam waren die Briten. Doch auch der hinzugezogene israelische Unternehmer Beny Steinmetz scheiterte.

Bilder: LiveEO/Airbus/SPOT, LiveEO/Airbus/Pléiades-Neo

Der erneute Fehlschlag ebnete 2019 den Weg für den chinesischen Unternehmer Sun Xiushun und seine Winning International Group. Der Logistiker mit guten Kontakten zum chinesischen Aluminiumriesen Hongqiao entwickelte zu der Zeit bereits eine Bauxit-Mine bei Boké im Norden Guineas – mit zugehöriger Bahnlinie auf 135 Kilometern.

Einem Bloomberg-Bericht zufolge soll Xiushun seine Strategie in Guinea 2016 bei einer Rede folgendermaßen beschrieben haben. „Eigenes Handeln für Vertrauen eintauschen und Vertrauen gegen Ressourcen, das ist die Schlüsselstrategie“, sagte er Anwesenden zufolge. „Indem wir unsere Versprechen einhielten, erlangten wir hohe Anerkennung seitens der Regierung – und im Gegenzug Zugang zu den Ressourcen, die wir brauchten.“

Genau diese Strategie sollte sich 2021 auszahlen. Die neue – durch einen Staatsstreich an die Macht gekommene – Regierung forcierte die Gründung einer Gesellschaft zum Bau und Betrieb einer Trans-Guinea-Bahnlinie von der Atlantikküste bis ins südguineische Belay, in direkter Nachbarschaft der Simandou-Mine. Um das Projekt zu finanzieren und umzusetzen, holte die Regierung neben Rio Tinto und der chinesischen Chinalco auch Xiushuns Winning Consortium Simandou (WCS) mit ins Boot.

Bilder: LiveEO/Airbus/SPOT, LiveEO/Google Earth

Der entstandene Betreiber gehört zu 42,5 Prozent dem Winning-Hongqiao-Verbund WCS, zu 42,5 Prozent dem Rio Tinto-Chinalco-Verbund Simfer Infraco und zu 15 Prozent dem Staat Guinea. An diesem Punkt nimmt die Erfolgsgeschichte Fahrt auf.

Innerhalb von vier Jahren wurden nicht nur über 600 Kilometer an Schienen verlegt, zum Projekt gehören auch zwölf Bahnstationen, 206 Brücken und vier Tunnel. WCS-Schätzungen zufolge mussten dafür fast 70 Millionen Kubikmeter an Erdreich bewegt werden. Am Zielpunkt der Bahnlinie – der Atlantikküste – stampften die beteiligten Bergbaukonzerne einen Tiefwasserhafen aus dem Boden: Morebaya.

Nach der Inbetriebnahme der Bahnstrecke Anfang November 2025 ist Anfang Dezember das erste Frachtschiff mit Eisenerz ausgelaufen – in Richtung China. Künftig sollen bis zu 120 Millionen Tonnen Erz jährlich transportiert werden. Damit haben chinesische Firmen ein von westlichen Konzernen begonnenes Projekt zum Erfolg geführt und Rio Tinto auf dem Weg dahin einen großen Teil der kommenden Erlöse entzogen.

Foto: WirtschaftsWoche

Auch geopolitisch ist der Einstieg Chinas mehr als wichtig. Der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto hat China jahrzehntelang mit Eisenerz aus australischen Minen versorgt. Australien als bedeutendes Export- und China als das mit Abstand größte Importland sind eng verknüpft. Durch Simandou bekommt China jetzt in großem Stil Zugang zu einem alternativen Lieferweg. In der Theorie öffnet dies die Möglichkeit für Preisverhandlungen zulasten Rio Tintos – im Falle des Falles ein doppelter Verlust.

Revolutionäres Potenzial

Die Veränderungen, die die Mine in Guinea anstoßen könnte, gehen jedoch noch weiter. Laut einer Analyse des Ratinganbieters S&P Global ist dafür vor allem der hohe Reinheitsgrad des in Simandou gewonnenen Erzes verantwortlich. Da Stahlhersteller weltweit daran arbeiten, ihren Kohlendioxid-Fußabdruck zu verringern – um Strafzahlungen wie in der EU zu entgehen – ist der Zugang zu qualitativ hochwertigem Rohstoff immer wichtiger.

Der Analyse zufolge wird Simandou bei Vollauslastung – bis 2030 – rund 4,8 Prozent des weltweiten Eisenerz-Angebots liefern können. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 hatte China einen Anteil von 9,7 Prozent an der weltweiten Nachfrage. S&P rechnet damit, dass das zusätzliche Angebot am Markt die Preise unter Druck setzen wird – zum Nachteil für Minenbetreiber mit hohen Produktionskosten und schlechteren Reinheitsgraden.

„Unter unserem aktuellen Szenario mit einem prognostizierten Preis für Eisenerz mit 62 Prozent Reinheitsgrad bei 87 Dollar pro Tonne im Jahr 2032 werden etwa 270 Millionen Tonnen der weltweiten Eisenerzproduktion unter Druck geraten“, heißt es. Die Produktionskosten in Simondou werden mit 55 bis 60 Dollar pro Tonne geschätzt. Damit lägen sie leicht über denen in Produktionsländern wie Australien und Brasilien, mit 51 Dollar pro Tonne.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/SPOT

Noch weniger Sorgen um die Konkurrenz müssen sich den Experten zufolge zudem Minen in Schweden oder Kasachstan machen, vor allem aufgrund der hohen Qualität ihrer Vorkommen. Auf der Verliererseite stünden demnach Sierra Leone, Indien und auch China selbst. Der Griff nach Afrika ergibt also auch aus diesem Blickwinkel heraus Sinn.

Betont selbstbewusst

Guinea hätte das Vorkommen in Simandou ohne Hilfe aus dem Ausland wohl nie entwickeln können. Doch unabhängig davon, ob das Geld aus dem Westen oder aus China kommt, wollen sich die Verantwortlichen nicht ausnutzen lassen. Das Land pocht stattdessen auf seine Hoheitsrechte und den eigenen Vorteil.

Das zeigt sich zum einen an der Struktur der Bahngesellschaft CTG, wie auch an ihrem Gründungsvertrag. Die Regierung hat sich nicht nur eine Beteiligung von 15 Prozent gesichert – und ist damit in strategischen Fragen das Zünglein an der Waage zwischen den anderen Gesellschaftern –, sondern wird Unternehmen und Infrastruktur nach Ablauf einer 35-jährigen Frist komplett übernehmen.

Obwohl Guinea aktuell stark von chinesischen Konzernen abhängig ist, scheut die Regierung nicht die Konfrontation. Einem Bericht der „South China Morning Post“ zufolge haben die Behörden kürzlich die Lieferung von 18 Lokomotiven aus chinesischer Produktion blockiert. Der Grund: Es war vereinbart worden, dass die Lokomotiven vom US-Hersteller Wabtec stammen müssen. Zum Einsatz kommt zudem Signaltechnik des französischen Konzerns Alstom. Statt auf chinesische Technik will man im Bahnsektor perspektivisch wohl weiterhin auf westliche Zulieferer setzen.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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