
Wirtschaft von oben #358 – Flughäfen im Meer: Trotz Risiken baut China den größten Offshore-Flughafen der Welt
Seit gut hundert Jahren hat Dalian, eine 7,5-Millionen-Einwohner-Metropole im Nordosten Chinas, einen Flughafen. Schon viermal wurde der Flughafen vergrößert, doch nun ist kein Platz mehr für die Expansion. Um den steigenden Passagierverkehr weiter bedienen zu können, hat die Stadt sich eine Ausweichmöglichkeit gesucht: auf dem Meer.
Etwa zwei Kilometer vor der Küste Dalians entsteht aktuell der weltweit größte Flughafen auf einer künstlichen Insel. Spezialschiffe haben über Jahre hinweg rund 21 Quadratkilometer aufgeschüttet, auf denen Bauarbeiter nun Gebäude für den „Dalian Jinzhouwan International Airport“ errichten.
Ursprünglich sollte der weltgrößte Offshore-Airport schon im Jahr 2018 den Betrieb aufnehmen. Doch nachdem im Jahr 2011 die Bauarbeiten begonnen hatten, pausierte das Projekt ab dem Jahr 2016. Berichten zufolge sollen Genehmigungen gefehlt haben. Nun sind die Bauarbeiten aber wieder im Gange, wie Satellitenbilder von LiveEO zeigen.
Dalian Jinzhouwan International Airport, Dalian, Lianing, China
07.09.2025: Die Bauarbeiten für den neuen Flughafen schreiten voran. Die Fundamentstruktur für das Terminal ist aus dem All schon gut zu erkennen.
Bilder: LiveEO/Airbus/Pléiades
Nicht nur verspätete Genehmigungen erschweren das Projekt. Auch gebe es komplexe geologische Bedingungen, Schwierigkeiten mit Bohrungen, einen sehr eng getakteten Zeitplan und hohe Qualitätsanforderungen, heißt es in einem Bericht des chinesischen Portals „China News Network“.
Es wäre nicht der einzige Offshore-Flughafen, der mit technischen Problemen kämpft. Einerseits suchen Millionenmetropolen weltweit händeringend nach neuen Flächen und weichen darum aufs Meer aus. Andererseits handeln sie sich damit neue Probleme ein: Flughäfen werden von Sturmfluten überschwemmt, versinken schneller als gedacht und müssen stärker befestigt werden.
In Dalian rackern die Bauarbeiter weiterhin auf die geplante Eröffnung in ein paar Jahren hin. Komplett fertig soll der Mega-Airport im Jahr 2035 sein – und dann 80 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen.
Damit käme er weltweit auf Platz fünf, zusammen mit dem Flughafen von Tokyo. 540.000 Flüge sollen hier pro Jahr abgewickelt werden, auch der Jumbojet A380 soll hier landen können.
Bilder: LiveEO/Landsat Copernicus/Google Earth, LiveEO/Sentinel
Es muss sich zeigen, ob die Offshore-Konstruktion den harschen Bedingungen im Meer auf Dauer standhalten kann. Dass der Bau im Meer riskant ist, zeigt ein Projekt 1300 Kilometer weiter östlich vor der Küste der japanischen Metropole Osaka. Hier hat schon im Jahr 1994 der „Kansai International Airport“ eröffnet – auf einer 1050 Hektar großen künstlichen Insel.
Heute ist Kansai der drittgrößte Flughafen in Japan, gemessen an den Passagierzahlen. Doch es gibt ein Problem: Der Flughafen sinkt – viel schneller als erwartet. Nach rund 30 Jahren ist die künstliche Insel gut 11,5 Meter abgesackt. Und sie taucht weiter ab – bis zum Jahr 2054 könnte der Flughafen dann so tief liegen wie der Meeresspiegel, ergaben Berechnungen.
Bilder: LiveEO/Copernicus/Google Earth, LiveEO/Maxar/Google Earth, LiveEO/Sentinel
Der Grund: Der Boden aus Sand und Ton bildet keine allzu solide Grundlage. Dass das aufgeschüttete Material absackt, hatten Experten erwartet, allerdings nicht so stark. Zudem könnte es sein, dass Wasser in das Fundament eindringt und es weiter instabil macht. Obendrein entstehen an der Oberfläche mehr Gebäude, als ursprünglich geplant – die weiteres Gewicht bedeuten.
Im Jahr 2018 zeigte sich schon, welche Folgen das Absinken haben kann: Da fegte ein Taifun über das künstliche Eiland und die Landebahnen des Flughafens standen unter Wasser. Die Brücke, die zur Insel führte, wurde von einem Schiff gerammt und beschädigt. Tausende Passagiere steckten auf der Insel fest und mussten Tage später mit Booten und Bussen evakuiert werden.
Daraufhin erhöhten Arbeiter die Schutzmauer um den Flughafen und schütteten das Gelände stellenweise weiter auf. Berichten zufolge werden auch hunderte Stahlpfeiler, auf denen die Gebäude errichtet sind, regelmäßig nachjustiert, damit das Terminal nicht in eine Schieflage gerät.
Trotz solcher Probleme entstehen weitere Flughäfen auf dem Wasser, bestehende Airports werden ausgebaut. Etwa in Hongkong: Dort hat auf einer künstlichen Insel im Sommer 1998 der Flughafen Chek Lap Kok eröffnet. Seitdem wurde er mehrfach ausgebaut, erst im Jahr 2022 ging eine weitere Landebahn in Betrieb auf 650 Hektar Neuland – etwa der Fläche Gibraltars.
Bilder: LiveEO/Copernicus/Google Earth, LiveEO/CNES/Aribus, LiveEO/Maxar/Google Earth
Der steigende Meeresspiegel dürfte die Probleme von Offshore-Airports und küstennahen Flughäfen in Zukunft weiter verschärfen. New Yorks Flughäfen standen schon im Jahr 2012 nach dem Hurricane Sandy unter Wasser und haben sich seitdem mit Flutwellen, Abflussrinnen und Pumpen gerüstet.
Der staatliche norwegische Flughafenbetreiber Avinor hat sich schon vor Jahren intensiv mit den Risiken der Erderwärmung beschäftigt. Einige seiner Flughäfen liegen weniger als vier Meter über Meeresniveau. Zu wenig, beschloss der Betreiber. Für künftige Flughäfen gilt eine neue Regel: Sie dürfen nicht weniger als sieben Meter unter dem Meeresspiegel liegen.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.













