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Der Ballermann – ein Strandabschnitt des Stadtstrands von Palma und Sehnsuchtsort vieler Deutscher Partyurlauber. Foto: LiveEO/Airbus/Pleiades-Neo

Wirtschaft von oben #333 – ÜbertourismusSo will Mallorca den Partytourismus loswerden

Mallorca wehrt sich gegen den Massentourismus. Aus dem All lässt sich erkennen, dass der Plan aufgeht – und unerwünschte Nebenwirkungen hat. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Nele Antonia Höfler 08.07.2025 - 14:31 Uhr

Ende Mai an der Playa de Palma. An der Strandbar Ballermann 7 öffnen sich Touristen gerade ihr erstes Bier, als sich Männer in schwarzen Anzügen unter Badegäste im Bikini mischen. Einer von ihnen: Palmas Bürgermeister Jaime Martínez. Er hat Presse und Politiker geladen, um einen Plan zu präsentieren, an dem er jahrelang gefeilt hat.

„Ich werde nicht aufhören, für dieses Reiseziel zu kämpfen“, sagt Martínez als er hinter das Mikro tritt. „Die Playa de Palma hat viel gegeben und wenig zurückbekommen.“ Das soll sich nun ändern. Der konservative Politiker hat einen ganzen Katalog an Maßnahmen mitgebracht. 36 Punkte ist er lang, 300 Millionen Euro teuer. Zusammenfassen lässt er sich wie folgt: Fußwege, Wasserversorgung und Kanalisationssystem sollen modernisiert werden. Entstehen sollen mehr Grünflächen, Sportanlagen, Spielplätze und Kultureinrichtungen.

„Ich werde keine Minute mehr warten“, kündigt Martínez an. Er scheint es ernst zu meinen. Wenige Hundert Meter weiter sind schon vor Wochen die ersten Bagger angerollt. Mit ihrer Hilfe haben die Arbeiter Teile der Mauer, die an den Sandstrand grenzt, abgerissen und die Promenade neu gepflastert.

Plaja de Palma, Palma, Mallorca Spanien

16.03.2025: Die Verschönerung der Promenade hat bereits begonnen – Teile der Mauer, die Promenade und Sandstrand trennt, wurden abgerissen.

Bild: LiveEO/Airbus

Die Regierung erhofft sich von den Investitionen in die Region mehr Familien- und Pärchenurlauber – vor allem aber weniger Ballermann. Aus dieser Mission macht man auf der Insel längst kein Geheimnis mehr. Mit immer strengeren Auflagen gingen die Behörden in den letzten Jahren gegen den exzessiven Partytourismus vor. Schon 2020 wurde der Alkoholkonsum in Gruppen auf Straßen und am Strand verboten. Doch die Umsetzung der Regelung gestaltete sich schwierig. Seit letztem Jahr ist der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit daher vollständig verboten.

Auch in Hotels versucht man, den Konsum einzudämmen. All-inclusive-Angebote in den Partyzonen Playa de Palma, Magaluf und Sant Antoni de Portmany dürfen inzwischen keinen unbegrenzten Alkohol mehr beinhalten. Maximal drei alkoholische Getränke dürfen dort pro Mahlzeit im Preis inkludiert sein.

Bilder: LiveEO/Maxar, LiveEO/Airbus/Pleiades

Ihre Probleme gelöst hat die Insel längst nicht. Doch die Maßnahmen zeigen erste Effekte. Auf Satellitenbildern lassen sie sich beobachten. Angefangen beim Touristenhotspot Ballermann. So voll wie 2010 ist der Strandabschnitt inzwischen selten. Seit dem Alkoholverbot verlagern Urlauber ihre Partys vermehrt in Biergärten und Diskotheken – davon profitiert die Gastronomie.

Allen voran die Ballermann-Stammlokale Bierkönig und Megapark. Beide bieten eine Mischung aus Biergarten und Großraumdisco, fungieren dabei zugleich als Eventlocation. Hier treten täglich verschiedene Schlagerstars auf.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Maxar

Allein am letzten Saisonwochenende im vergangenen Oktober soll der Megapark laut der „Mallorca Zeitung“ einen einstelligen Millionenbetrag umgesetzt haben – ein neuer Rekordwert. Der Andrang war zuletzt so groß, dass das bislang kostenlose Lokal einen Eintrittspreis von 25 Euro einführte.

Auch der konkurrierende Bierkönig musste sich eine Strategie überlegen, um mit den immer größer werdenden Besuchermassen umzugehen. Kurzerhand eröffnete der Betreiber in der vergangenen Saison eine neue Etage. Wird es oben im Biergarten zu eng, können die Besucher im Partykeller weiter feiern.

Bierkönig, Palma, Mallorca, Spanien

16.03.2025: Im vergangenen Sommer eröffnete der Bierkönig eine Diskothek unterhalb des Biergartens, den Bierkönig Partykeller.

Bild: LiveEO/Airbus

Auf den Tourismus verzichten können die Mallorquiner nicht. 35 Prozent des Bruttosozialprodukts stammen von Reisenden, 30 Prozent der Arbeitsplätze auf der Insel hängen an ihnen. Es ist viel mehr die Art des Tourismus, die der Aktionsplan der Regierung wandeln soll. Künftig will man auf Mallorca auf Qualität statt auf Quantität setzen. Die Behörden haben 2022 den Bau neuer Hotels untersagt. Stattdessen sollen veraltete Anlagen modernisiert und aufgewertet werden. Man will weg von günstigen Zwei-Sterne-Hotels hin zu modernen Luxusresorts.

Die Strategie ist erfolgreich. Die Anzahl der Vier- und Fünf-Sterne-Hotels auf der Insel haben laut Lokalmedien seit 2015 um 88 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum soll die Zahl der Ein- bis Drei-Sterne-Häuser um 27 Prozent zurückgegangen sein. Hotelverbände sprechen von einem klaren Qualitätssprung.

Bilder: LiveEO/Airbus/Spot, LiveEO/Google Earth

Auf Satellitenbildern lässt sich der Wandel vor allem abseits der engen Gassen der Inselhauptstadt erkennen. Im Nordwesten feierte im letzten Sommer die wohl teuerste Unterkunft der Insel ihre Eröffnung. Das frühere Formentor wurde in eine Anlage der Luxuskette Four Seasons umgebaut. Entstanden ist eine Anlage mit 110 Zimmern für über Tausend Euro die Nacht.

Auf der entgegengesetzten Inselseite in Porto Petro finden Luxusurlauber im Resort der griechischen Luxuskette Ikos eine Anlaufstelle. Als das derzeit größte Luxus-Projekt der Insel ist das Resort der Luxus- und Wellness-Kette Mandarin Oriental. Die Bauarbeiten sind noch in vollem Gange.

Das Motto „Mehr Klasse statt Masse“ scheint also aufzugehen. Nur profitieren von der Entwicklung offenbar wenige Menschen. Jeder fünfte Balearen-Bewohner gilt nach amtlichen Angaben als armutsgefährdet. Insbesondere bei der Wohnungssuche sind viele Geringverdiener chancenlos. Immobilieneigentümer vermieten lieber an Touristen als an Einheimische. Schließlich lässt sich damit eine deutlich höhere Rendite erzielen.

Auf Satellitenbildern lassen sich die Folgen erkennen. Im Stadtkern und am Stadtrand lassen sich immer mehr Siedlungen aus Zelten, Bretter- und Blechhütten erkennen. An den Straßenrändern mehrten sich in der letzten Hochsaison zudem die Camper. Die Mehrheit gehört keinen Urlaubern, sondern wohnungslosen Einheimischen. Laut Berichten der Lokalmedien sind die Menschen, die hier leben, nicht zwingend arbeitslos. Darunter sind Kellner, Köche und Putzkräfte. Der Mindestlohn, den sie in Gastronomie und Hotellerie verdienen, reicht für die Mieten in der Hauptstadt nicht aus.

Ehemaliges Gefängnis, Palma, Mallorca, Spanien

01.04.2025: In dem ehemaligen Gefängnis suchen heute bis zu 200 wohnungslose Menschen nach Schutz.

Bild: LiveEO/Airbus

Ein ungewöhnlicher Hotspot des Elends am Rande von Palma ist das ehemalige Gefängnis der Stadt. Zwischen Wachtürmen und Stacheldraht suchen Obdachlose in den ehemaligen Zellen der Haftanstalt nach Schutz. Die Müllberge, mit denen der Betonboden übersät ist, sind so groß, dass sie sich aus dem All erkennen lassen.

Im Oktober 2024 zählte das Rathaus Palma hier noch 80 Obdachlose, im Frühjahr 2025 sollen es 250 gewesen sein. Im März überreichte die Polizei ihnen einen Räumungsbescheid. Die Behörden wollen das Gebäude noch in diesem Jahr abreißen. Auf dem Gelände sollen perspektivisch Sozialwohnungen entstehen. Zehn Tage Zeit hatten die Gefängnisbewohner, um die Anlage zu räumen. Aber wo sollen sie hin?

Die Wohnungsnot und der Frust wachsen Jahr für Jahr. Im Juni gipfelte sie in einer Großdemonstration. Rund 8000 Menschen zogen mit Plakaten mit Aufschriften wie „Wohnen ist ein Recht, kein Luxus“ und „Jedes Airbnb bedeutet eine Familie ohne Wohnung“ durch die Straßen Palmas. Im vergangenen Jahr wandten sich die Organisationen in einem Brandbrief direkt an die Inselliebhaber. Dort schrieben sie: „Die Wahrheit ist, ihr seid der Ursprung unseres Problems: Es reicht, bleibt zu Hause!“

Die Worte gingen ins Leere. 13 Millionen Ur­lauber reisten 2024 auf die Insel mit nicht einmal einer Million Einwohnern – eine historische Höchstmarke. Dieses Jahr dürfte sie gebrochen werden. Der Saisonstart verlief noch erfolgreicher als im vergangenen Jahr.

Zumindest Palmas Bürgermeister Jaime Martínez scheinen die Hilferufe erreicht zu haben. Er kündigte an, insbesondere beim Thema illegale Ferienwohnungen hart durchzugreifen. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, verbotene Vermietungen aufzuspüren. Diskutiert wird außerdem, ob verwaiste Hotelanlagen in Sozialwohnungen verwandelt werden können.

Ses Fontanelles, Palma, Mallorca, Spanien

16.03.2025: Einst sollte hier ein neues Einkaufszentrum entstehen, nun gibt es neue Pläne: Auf der Grünfläche werden über 400 Wohnungen gebaut.

Bild: LiveEO/Airbus

Im November letzten Jahres kündigte die Stadt außerdem neue Pläne für das Viertel am Feuchtgebiet Ses Fontanelles nahe der Playa de Palma an. Ursprünglich war hier ein gigantisches neues Einkaufszentrum geplant: 200 Geschäfte, zwölf Kinosäle und 3700 Parkplätze sollten entstehen. Nach zahlreichen Protesten wurde das Projekt gestoppt. Stattdessen soll das Gelände zu einem Wohngebiet mit bis zu 450 Wohnungen, Geschäften und Bildungseinrichtungen umgestaltet werden.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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