Wirtschaft von oben #344 – US-Abschiebeindustrie: Vorbild Amazon – Trumps Abschiebelogistik boomt
Binnen Tagen entstehen in den USA zurzeit Zeltstädte. Von oben sehen sie aus wie Flüchtlingslager. Tatsächlich aber sind es Pop-Up-Gefängnisse, die die Regierung von Donald Trump unter anderem auf alten Militärbasen errichten lässt. Dort gibt es Platz und Startbahnen, von denen Abschiebeflüge abheben können. In den Camps sammelt die Einwanderungs- und Zollbehörde ICE Migranten aus den gesamten USA.
Bis Ende des Jahres will der US-Präsident eine Million Einwanderer abschieben. Durch sein wohl wichtigstes Reformgesetz „Big Beautiful Bill“ stehen der US-Regierung für dieses Ziel nun 170 Milliarden Dollar zur Verfügung, davon 45 Milliarden Dollar für den Ausbau von solchen Haftanstalten. „Wir müssen besser darin werden, das Ganze wie ein Geschäft zu behandeln“, sagte jüngst ICE-Chef Todd Lyons. Er spricht von einer effizienten Logistik nach Vorbild von Amazon Prime, „aber mit Menschen.“
Eine Recherche anhand von Satellitenbildern von LiveEO zeigt, wie nun überall im Lande neue Lager geschaffen und andernorts bestehende Gefängnisse erweitert werden. Es geht um ein Milliardenbusiness.
Die US-Regierung setzt dabei schon seit Anfang der 1980er Jahre vor allem auf private Unternehmen: Mehr als neun von zehn inhaftierte Migranten werden aktuell in privatwirtschaftlichen Haftanstalten festgehalten – überwiegend ohne Gerichtsverfahren und ohne je strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Die etablierten Betreiber der Einrichtungen, CoreCivic, GEO Group, LaSalle Corrections und MTC, sind wohl die größten Profiteure der Make-America-Great-Again-Politik. Aber auch junge Start-ups wie die Fluggesellschaft Global X oder verschiedene Katastrophenschutzfirmen verdienen an den Abschiebungen.
Seit Trumps Amtseinführung im Januar führen ICE-Agenten immer weiter reichende Razzien durch, nehmen Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere in ihrem Zuhause, bei der Arbeit, in der Schule, auf offener Straße fest und bringen sie in die Abschiebegefängnisse. Dabei reizt die Behörde die Kapazitäten bestehender Gefängnisse längst aus und weicht auf neue Flächen aus, etwa in den Everglades, dem tropisch-sumpfigen Nationalpark Floridas.
Dort ist seit Mitte Juni ein provisorisches Abschiebegefängnis auf einem alten Flugfeld entstanden. Binnen weniger Tage haben private Unternehmen hier eine Anlage mit Gruppengefängniszellen und Sicherheitszaun errichtet. Von Fluchtversuchen sollen auch die in dem Nationalpark heimischen Alligatoren und Schlangen abhalten, der US-Präsident bezeichnete sie als kostengünstige „Polizei“.
1. Sicherheitszaun (Zudem verhindern Alligatoren und Moskitos Fluchtversuche)
2. Zelte für offiziell 300 Inhaftierte
3. Aufnahmezelt
4. Krankenstation
5. Küche und Versorgungszelt
6. Personalzelte
7. Neuer Asphalt für weitere Zelte Foto: LiveEO/Up42/Airbus
Zwar unterhält der Bundesstaat Florida dieses Haftlager. Die Logistik vor Ort aber übernimmt IRG Global Emergency Management, eine erst im Februar gegründete Firma für Katastrophenhilfe, für 1,1 Millionen Dollar. Mindestens neun weitere Unternehmen sollen involviert sein, darunter CDR Maguire und CDR Health sowie Gothams LLC, zwei weitere Katastrophenhilfeunternehmen. GardaWorld ist für den Sicherheitsdienst und Doodie Calls für mobile Toiletten zuständig.
Anfang Juli brachte ICE die ersten Insassen auf das Rollfeld des nie vollendeten, seit den 1970er Jahren aufgegebenen Flughafenprojekts. Das Gelände 70 Kilometer westlich von Miami wurde dafür kurzfristig beschlagnahmt. Medienberichten zufolge werden in jedem Zelt 300 Insassen Platz haben. Ausgestattet sind sie mit acht Maschendrahtkäfigen. 3000 Migranten sollen auf der Anlage insgesamt unterkommen, ein weiterer Ausbau könnte die Kapazität auf 5000 erhöhen. Geschätzte Kosten für den Staat Florida: 450 Millionen Dollar jährlich.
Anwältinnen und Anwälte berichten von furchtbaren Haftbedingungen. Ordentliche Gerichtsverfahren werden verwehrt, auch eine ehemalige Vollzugsbeamtin beschreibt im Lokalfernsehen „unmenschliche“ Zustände, nicht ausreichende sanitäre Anlagen, Überschwemmungen und Mücken.
Nach einer Klage von Umweltorganisationen und den Miccosukee-Indigenen entschied eine US-Bundesrichterin, dass keine weiteren Personen inhaftiert werden dürfen und binnen 60 Tagen große Teile der Infrastruktur der Anlage zurückgebaut werden müssen – weil diese „irreparable Schäden“ am Ökosystem Everglades verursache. Ein Satellitenbild vom 1. September zeigt aber bislang keine Abrissarbeiten. Ein Berufungsgericht hat die richterliche Entscheidung zudem am Donnerstag ausgesetzt.
Alligator Alcatraz ist eine Reaktion auf völlig überfüllte Haftanstalten in den USA. So sind etwa im nahegelegenen Krome North Service Processing Center knapp 1.200 mehr Personen untergebracht als die eigentliche Kapazitätsgrenze von 611 Plätzen erlaubt.
Der rund 70 mal 40 Meter große Fußballplatz der Einrichtung musste Anfang April einem Zelt weichen. Medienberichte beschreiben dennoch, dass es weder genügend Schlafplätze gebe, noch ausreichend Essen und medizinische Versorgung. Zwei Menschen sind dort in diesem Jahr bereits gestorben. Der Betreiber Akima Global Services hat seit 2014 vom Staat mehr als 100 Millionen Dollar für die Unterhaltung der Unterkunft kassiert.
Überall im Land sind Abschiebegefängnisse überbelegt. Nach dem Vorbild von Alligator Alcatraz sollen über die USA verteilt riesige Haftlager mit teils zynischen Spitznamen entstehen: Speeway Slammer in Indiana, Cornhusker Clink in Nebraska und auch Florida plant schon die nächste Einrichtung – Deportation Depot.
Um ihre Politik voranzutreiben, plant die US-Regierung auch im Ausland Internierungslager. In Guantánamo auf der Insel Kuba etwa: Seit Jahrzehnten gibt es auf dem US-Militärstützpunkt eine Haftanstalt für auf See aufgegriffene Flüchtlinge aus Haiti und Kuba (abseits des Gefängnisses für Terrorverdächtige). Betrieben wird auch dieses von Akima. Ein noch unter der Biden-Administration abgeschlossener Fünf-Jahres-Vertrag sichert dem Unternehmen mehr als 163 Millionen Dollar.
Trump plant auf dem Gelände ein Internierungslager für bis zu 30.000 Migranten. Straftäter sollen demnach auch auf der anderen Seite der Bucht, wo das Terrorgefängnis liegt, inhaftiert werden. Die GEO Group bringt sich Medienberichten nach in Position, um weitere Lager auf dem Militärgelände zu errichten.
Doch Satellitenbilder vom Mai zeigen, dass zwischenzeitlich aufgebaute Zelte für ein solches Lager wieder abgebaut wurden. Was aus Trumps Plan wird, ist derzeit unklar.
Bilder: Planet Labs, LiveEO/Up42/Airbus
Bisher haben private Akteure vor allem alte, als für zu teuer oder unbewohnbar befundene Haftanlagen aufgekauft. Etwa die Dilley Detention Facility in Texas. Die Einrichtung wurde vergangenen Sommer wegen besonders hoher Betriebskosten geschlossen. Nun wurde das Gefängnis vom Betreiber CoreCivic wieder für Familien eröffnet.
Bis zu 2.400 Inhaftierte sollen dort unterkommen. Allerdings fehlt es etwa an sauberem Wasser, berichtet die „LA Times“. Bis 2030 soll Target Hospitality dort modulare Wellblechunterkünfte für rund 250 Millionen Dollar aufstellen. Auf Satellitenbildern ist auch ein neues Zelt zur Kapazitätserweiterung zu erkennen.
Die beiden größten, börsennotierten Akteure sind CoreCivic und GEO Group. Vergangenes Jahr erhielt GEO Group der „Financial Times“ zufolge fast eine Milliarde Dollar aus Verträgen mit ICE. Das sind 42 Prozent aller Einnahmen des Unternehmens. In diesem Jahr dürfte der Betrag noch einmal steigen, denn die US-Regierung will die aktuellen Kapazitäten von Haftanstalten auf mindestens 100.000 Plätze mehr als verdoppeln. Dafür umgeht sie auch reguläre Ausschreibungen, indem bestehende Verträge geändert und informell neu abgeschlossen werden.
Wie viel Gewinn die Unternehmen mit den Abschiebegefängnissen machen, ist nicht ganz klar. Allerdings zahlte ICE 2022 teils das Dreifache für Haftkapazitäten im Vergleich zum staatlichen Gefängnissystem. Die GEO Group soll Gerichtsunterlagen zufolge nicht mehr als einen Dollar pro Mahlzeit veranschlagt, sowie auf Insassen zur Reinigung der Unterkünfte gesetzt haben – ohne sie zu bezahlen.
Im ersten Halbjahr 2025 verkündet die GEO Group einen Umsatz von 1,24 Milliarden Dollar, sowie einen Gewinn von 48,6 Millionen Dollar – im Vergleich zu 82,4 Millionen Dollar Umsatz und 9,8 Millionen Dollar Verlust im gleichen Zeitraum 2024. Nach Trumps Wahl im November 2024 schnellte der Aktienkurs des Konzerns auf ein Allzeithoch. Ähnliches gilt für CoreCivic. Laut „Financial Times“ stammt hier knapp ein Drittel aller Einnahmen aus ICE-Geschäften.
Bereits im Januar hatte die GEO Group angekündigt, 70 Millionen Dollar in den Ausbau ihrer Unterkünfte und Infrastruktur zu investieren, etwa in elektronische Fußfesseln, um Migranten zu überwachen. Denn längst werden diese digital überwacht, auch Palantir ist im Geschäft mit den Abschiebungen involviert. GEO Group stelle ICE nach eigenen Angaben zur Zeit 20.000 Plätze in Haftanstalten zur Verfügung, CoreCivic 30.000.
Die wichtigsten Abschiebegefängnisse von CoreCivic, GEO Group und MTC
Schon vor Trumps zweiter Amtszeit verfügte die USA über das größte Abschiebesystem weltweit. Unter der Biden-Regierung wurden laut dem Immigrationsdatenportal TRAC zuletzt 39.703 Personen in mehr als 100 Gefängnissen inhaftiert. Ende Juli waren es 56.945 Menschen. Wie viele Haftanstalten tatsächlich betrieben werden, ist unklar. Forschende vom Vera Institute of Justice stellten fest, dass ICE im Februar 2025 Menschen in 389 Einrichtungen festhielt, aber nur 122 offiziell auf der Behördenwebsite gelistet hatte.
Neben den großen Playern der Branche profitieren auch bislang unbekannte und unerfahrene Firmen. So ist etwa Acquisition Logistics Company damit beauftragt, ein Internierungszeltlager auf dem Gelände der Armeebasis Fort Bliss in Texas zu bauen und zu betreiben.
Im Norden des Militärgeländes, nahe dem internationalen Flughafen El Paso, sind auf Satellitenbildern seit Ende Juli Arbeiten zu erkennen. Anfang August wurden drei lange Zeltbahnen aufgestellt, 250 mal 30 Meter groß. Dazu noch drei weitere, etwa 60 mal 30 Meter große Zelte. Weiteres Baumaterial steht bereit, auch die Zaunarbeiten lassen auf einen Ausbau schließen: Ein rund 150 mal 200 Meter großes freies Feld wurde abgesteckt.
Hier soll eines der größten Abschiebezentren der USA mit Platz für 5000 Personen entstehen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat der Auftrag einen Wert von 1,26 Milliarden Dollar. Selbst die Zelthersteller profitieren von Trumps Deportationsplänen.
Wer von ICE-Agenten gefangen wurde, bleibt nicht etwa in einer Einrichtung, bis der Aufenthaltsstatus geklärt ist. Beobachter stellen fest, dass Gefangene umgehend weit weg von ihren Heimatstädten gebracht werden. Insgesamt hoben seit Februar 5962 Flüge für ICE ab, mehr als die Hälfte innerhalb der USA. So werden Migranten in den Südstaaten Texas und Louisiana konzentriert. Alexandria International Airport in Louisiana hat sich so zu einem der größten Abschiebeflughäfen entwickelt.
23.01.2023: Das Unternehmen betreibt dieses Gefängnis schon seit Jahren direkt am Rollfeld des Internationalen Flughafens Alexandria. Foto: LiveEO/Google Earth/Airbus
Direkt am Rollfeld unterhält die GEO Group eine Haftanstalt, am 18. August wurden dort ICE-Statistiken zufolge 327 Personen festgehalten.
Das erklärte Ziel der Trump-Regierung sind Abschiebungen ins Ausland. Im Juli wurden 207 solche Flüge durchgeführt, wie der ehemalige JPMorgan-Analyst Thomas Cartwright veröffentlicht hat, rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten Maschinen gingen nach Guatemala (54), Honduras (49) und El Salvador (22).
Cartwright hat seit 2020 ICE-Flüge im Inland wie auch ins Ausland getrackt, und kürzlich seine Arbeit an ein Team von Human Rights First übergeben. Die Behörde selbst veröffentlicht keine Daten. Insgesamt gab es den Analysen zufolge 1035 Abschiebeflüge seit Trumps Amtseinführung im Januar, Tendenz steigend.
68 Deportationen passierten mit US-Militärflugzeugen, überwiegend werden private Fluganbieter für Abschiebungen eingesetzt: ICE Air hat dazu mit dem Flugvermittler CSI Aviation einen Vertrag über bislang 320 Millionen Dollar (März 2025) geschlossen, heißt es in Daten der US-Regierung.
CSI Aviation wiederum vergibt die Flüge an Airlines wie GlobalX, Eastern Air Express, Avelo Airlines oder World Atlantic (Caribbean Sun). Mehr als die Hälfte der Flüge führt GlobalX durch (1957 von 3484), die auch Flugreisen für Sportteams und Popstars organisiert. Vergangenes Jahr waren es knapp 80 Prozent der Flüge.
Eastern Air Express übernahm einen Anteil von rund 20 Prozent in den letzten drei Monaten (749 von 3484), Avelo Air liegt knapp darunter (573 von 3484). „Avelo ist seit Mai Teil der Flotte, seitdem ist die Zusammensetzung der Flüge der Fluggesellschaften relativ stabil geblieben“, sagt Cartwright. Seine Erfahrung der letzten sechs Jahre sei, dass ICE bei seinen Operationen auf Undurchsichtigkeit bedacht ist und konsequent nach Methoden gesucht hat, um dies sicherzustellen.
GlobalX flog trotz richterlicher Blockade auch die mindestens 261 Menschen nach El Salvador, die ins Hochsicherheitsgefängnis Centro de Confinamiento del Terrorismo überführt wurden. Präsident Nayib Bukele hatte sich bereiterklärt, für sechs Millionen Dollar US-Straftäter in dem neuen Hochsicherheitsknast aufzunehmen. Teilweise wurde aber widerlegt, dass es sich um straffällig gewordene Migranten handelte, Beweise für die Schuld wurden seitens beider Regierungen nie vorgelegt.
19.11.2022: Dieses Bild vom Bau des berüchtigten Gefängnisses, in das Trump Migranten abschiebt, zeigt den Aufbau der Zellen. Foto: LiveEO/Google Earth/Maxar
Das Gefängnis soll in den 150 mal 40 Meter großen Gebäuden Platz für bis zu 40.000 Insassen bieten. Eines dieser insgesamt acht Gebäude verfügt über 36 etwa acht mal zwölf Meter große Zellen, wie Satellitenbilder vom Baus der Anlage zeigen.
Aus dem Jahresbericht 2024 geht hervor, dass sich der Umsatz von GlobalX durch ACMI, eine Flugzeug-Leasing-Variante samt Crew, Wartung und Versicherung, im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht hat: auf rund 123 Millionen Dollar (2023: 40,5 Millionen Dollar). Ein Fünf-Jahresvertrag mit ICE von September 2023 soll GlobalX einen jährlichen Umsatz von 65 Millionen Dollar sichern.
Die GEO Group konnte sich vergangenes Jahr ebenfalls einen Vertrag über Abschiebeflüge für seine Transportsparte sichern. Der Konzern rechnet hier nach eigenen Angaben mit einem jährlichen Gewinn von 40 bis 50 Millionen US-Dollar. GEO-Group-CEO J. David Donahue sagte bei einem Analystengespräch im Mai, er sei „sehr beeindruckt von der Zielstrebigkeit von ICE und ihrer Sorgfalt bei der Planung“. Sein Unternehmen sei bestens ausgestattet, der Behörde bei der Umsetzung zu helfen, so Donahue, „und deshalb freuen wir uns auf die zweite Jahreshälfte.“
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