Wirtschaft von oben #319 – Halbleiterindustrie: Hier droht Trumps große Chip-Strategie jetzt kläglich zu scheitern
Taiwans Regierung hat aus Gründen der nationalen Sicherheit US-Präsident Donald Trump einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das Parlament verabschiedete jetzt eine Verschärfung des Innovationsgesetzes. Das verbietet unter anderem dem international wichtigsten Chiphersteller TSMC in Zukunft, seine neueste Generation Halbleiter außerhalb von Taiwan zu fertigen, wenn dadurch die Sicherheit Taiwans gefährdet wird.
Stattdessen darf TSMC lediglich eine Produktion, die eine Generation älter ist als die aktuellste, im Ausland ansiedeln. Auch Strafen und eine Verpflichtung zur Rückabwicklung sind vorgesehen. Die Gesetzesnovelle kommt nur wenige Wochen nachdem TSMC offenbar auch auf Drängen von Trump entschieden hatte, seinen zweiten zentralen Fertigungsschritt in den USA anzusiedeln: das sogenannte Advanced Packaging. Ein Schritt, der eine zentrale Strategie untergräbt, die China von einer Invasion Taiwans abschrecken soll.
Das Ziel der USA, sich für den Fall eines Krieges um Taiwan unabhängiger von der Chipproduktion dort zu machen, steht in direktem Widerspruch zur Strategie der taiwanischen Regierung. Und auch für Europa rückt eine solche Unabhängigkeit damit weiter in die Ferne. Die zurzeit in Dresden entstehende erste europäische Waferfabrik von TSMC wird die Kriterien einer von Taiwan losgelösten Chipfertigung auf absehbare Zeit ohnehin nicht erfüllen. Auch im Hinblick auf KI bringt diese den Kontinent zurzeit kaum weiter.
Eine Analyse von LiveEO-Satellitenbildern zeigt die Probleme und verdeutlicht zugleich die komplexe Gemengelage bei der Chipproduktion.
Weg zum Mikrochip
Im ersten Schritt der Halbleiterproduktion werden große, runde Siliziumwafer belichtet. Sie bilden die Basis für die Mikrochips. Im zweiten Schritt, dem Advanced Packaging, müssen die Wafer zerschnitten, in kleinen Gehäusen kombiniert und miteinander verbunden werden. So lassen sich etwa Prozessor und Speicher in einem Chip vereinen. Weil TSMC diese Arbeit bisher exklusiv in Taiwan erledigt, müssen in den USA gefertigte Wafer heute erst nach Asien geschickt werden, um daraus beispielsweise Chips für Nvidia zu machen.
Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump das taiwanische Vorzeigeunternehmen dazu bewogen, eine Waferfertigung in den USA aufzuziehen. Der Konzern siedelte sich am nördlichen Stadtrand von Phoenix im Bundesstaat Arizona an. Die erste Fabrik fährt aktuell ihre Produktion hoch. Branchenbeobachter kritisierten in den vergangenen Jahren jedoch immer wieder, dass eine Unabhängigkeit bei einem Krieg um Taiwan – anders als von Trump versprochen – nicht gegeben sei, solange das Advanced Packaging in Taiwan stattfindet.
Anfang April prahlte der US-Präsident dann auf einem republikanischen Kongress, er habe TSMC mit Strafzöllen in Höhe von 100 Prozent gedroht, wenn das Unternehmen keine neuen Werke in den USA baue. Tatsächlich hatte TSMC schon im März verkündet, 100 Milliarden Dollar in Arizona zu investieren, in drei weitere Waferfabriken (unter anderem der neuesten Generation), zwei neue Advanced-Packaging-Werke und ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Die stark in Taiwan konzentrierte Chipversorgung gilt für viele Branchen heute als großes Risiko. China beansprucht Taiwan für sich. Die Volksrepublik hat sogar gesetzlich festgeschrieben, die Insel militärisch einzunehmen, wenn eine friedliche Lösung nicht mehr möglich sein sollte. Ein Krieg um Taiwan würde auch die Autoindustrie von der Versorgung mit Chips abschneiden. Deshalb hatte die EU, insbesondere Deutschland, auf eine TSMC-Chipfabrik in Europa gedrängt.
Aktuelle Satellitenbilder zeigen, wie diese am Stadtrand Dresdens entsteht.
Anders als die US-Fabrik von TSMC hat die deutsche Produktion aber zwei Nachteile: Sie wird nur Strukturen mit einer Knotengröße von 12 bis 18 Nanometern herstellen können. Das reicht zwar für Anwendungen in der Automobilwirtschaft oder im Maschinenbau. Geht es allerdings um den Einsatz etwa in Rechenzentren für KI, sind Knotengrößen von drei oder gar zwei Nanometern notwendig.
Genau solche Chips sollen in Arizona hergestellt werden. Seit Intel im Herbst seine geplante Chipfabrik in Magdeburg auf Eis gelegt hat, gibt es in Europa keine konkreten Vorhaben mehr für eine solche höchstentwickelte Chipfabrik – Ausnahme ist eine Drei-Nanometer-Fabrik von Intel in Irland.
Das ist problematisch, weil Europa versucht, im Feld der künstlichen Intelligenz aufzuholen. Allein die von der EU-Kommission geplanten vier KI-Gigafactorys, die auf komplexe KI-Modelle für Medizin und Wissenschaft spezialisiert sein sollen, werden eine halbe Million KI-Chips der neuesten Generation benötigen. „Von denen werden, Stand heute, genau 0,0 Prozent aus Europa kommen“, sagt Frank Bösenberg, Geschäftsführer der sächsischen Halbleiter-Interessenvereinigung Silicon Saxony.
Bösenberg zufolge gibt es in Dresden derzeit keine konkreten Pläne, das Advanced Packaging zu etablieren. Zur Weiterverarbeitung müssen Wafer also auch künftig nach Taiwan geschickt werden. Zwar betreibe die Fraunhofer-Gesellschaft nahe der Baustelle eine Forschungslinie für das Montageverfahren. Doch für industrielle Anwendungen muss TSMC an Bord. Über einen solchen Schritt gebe es zurzeit keine Verhandlungen zwischen der europäischen Politik und Taiwan, berichtet der Chipindustrievertreter.
Der China-Taiwan-Konflikt
Eine Recherche der WirtschaftsWoche hatte vergangenes Jahr gezeigt, wie TSMC seine Wafer und Packaging-Werke in Taiwan meist nahe militärischer Infrastruktur errichtet.
Stachelschweinstrategie wird das genannt: Im Falle eines chinesischen Angriffs soll der ökonomische Schaden für die Weltwirtschaft und damit auch für China maximal sein. Das soll Peking von einem solchen Schritt abschrecken.
Wafer- und Advanced-Packaging-Werke von TSMC, TAICHUNG, TAIWAN
19.03.2025: Die Fabriken stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem wichtigen Militärflugplatz der taiwanischen Streitkräfte. Ein Angriff auf den Stützpunkt würde wohl auch die TSMC-Produktion hier zum Erliegen bringen.
Bild: LiveEO/Google Earth/Airbus
TSMCs Packaging-Werke außerhalb der Heimat, machen Länder wie die USA zwar resilienter bei einem Krieg in Asien. Zugleich schwächt das jedoch die abschreckende Wirkung.
Die Vorbereitungen für diesen Schritt haben schon weit vor Donald Trumps zweiter Amtszeit begonnen. Vergangenen Februar hatten TSMC und das US-Unternehmen Amkor erklärt, gemeinsame Advanced-Packaging-Werke in den USA in Erwägung zu ziehen. Von Amkor bei lokalen Behörden eingereichte Unterlagen zeigen, dass sie offenbar 13 Kilometer westlich von den TSMC-Waferfabriken im Vorort Peoria entstehen sollen – mit direkter Highway-Verbindung.
Fläche für geplantes Advanced-Packaging-Werk, Peoria, Arizona, USA
25.02.2025 Bauarbeiten sind noch keine zu erkennen. Allerdings wurden vergangenes Jahr Planungsunterlagen bei der örtlichen Verwaltung eingereicht, denen nach das Werk in der Mitte entstehen soll. Und es gibt daneben Platz für ein zweites.
Bild: LiveEO/Google Earth/Airbus
Noch sind auf aktuellen Satellitenbildern keine Bauarbeiten auf der Brachfläche zu erkennen. So dürfte die Abhängigkeit der USA von Taiwan hier zumindest kurzfristig erhalten bleiben und damit die Abschreckung. Außerdem muss sich jetzt zeigen, ob hier das überarbeitete taiwanische Gesetz greift und das Vorhaben stoppt.
Neben den Packaging-Werken sollen in Nachbarschaft der bereits gebauten Waferfabrik von TSMC in Phoenix drei weitere Produktionsstätten entstehen. Satellitenbilder zeigen, wie der Standort zuletzt gewachsen ist und dass er genug Platz für weitere Expansionen bietet.
Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus, LiveEO/Up42/Airbus
Mittelfristig würden solche Advanced-Packaging-Werke zwar für die USA ein reduziertes Risiko bedeuten. Für Europa gilt das aber nicht. Die zukünftigen Waferfabriken und Packaging-Werke würden wohl nur ausreichen, um halbwegs den Bedarf der USA an fortschrittlichen KI-Chips im Kriegsfall decken zu können.
Dass eine Trump-Regierung oder ein republikanischer Nachfolger Europa im Falle einer Chipknappheit etwas abgeben würde, ist unwahrscheinlich.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.