Wirtschaft von oben #101 – Mega-Staudamm China ist ein Wasserkraft-Gigant – zum Ärger seiner Nachbarn

Die Baihetan-Talsperre, der bald zweitgrößte Damm Chinas, soll im Sommer das erste Mal Strom liefern. Quelle: LiveEO/UP42

China ist ein Meister im Bau von neuen Talsperren zur Stromerzeugung, wie Satellitenbilder zeigen. Sie sollen der Volksrepublik dabei helfen, ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Indien und andere Staaten in Südostasien schlagen wegen der Pläne jedoch Alarm. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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In China könnte schon bald eine Talsperre entstehen, die soviel Strom wie sieben Atomkraftwerke zusammen produziert. Die größten Atom-Meiler der Welt kommen derzeit auf eine Leistung von sieben bis acht Gigawatt. Der neue Staudamm der Chinesen könnte dagegen bis zu 60 Gigawatt erreichen, wie chinesische Staatsmedien berichten.

Erste Entwürfe für das auf den Namen Yarlung Tsangbo getaufte Projekt wurden im vergangenen November vorgestellt. Demnach wäre die neue Talsperre fast dreimal leistungsfähiger als der berühmte Drei-Schluchten-Damm (22,5 Gigawatt), der derzeit das weltweit größte Kraftwerk überhaupt ist. Dessen gewaltige Ausmaße lassen sich auf dem Satellitenbild von LiveEO nur erahnen.

Noch befindet sich das Projekt in der Planungsphase. Dass es aber in Chinas neuem Fünfjahresplan genannt wird, der vom Volkskongress Mitte März beschlossen wurde, deutet darauf hin, dass die Bauarbeiten in absehbarer Zeit beginnen werden. China treibt schon seit vielen Jahren den Bau neuer Talsperren zur Stromerzeugung voran. Aus gutem Grund: Der Energiehunger des Landes nimmt immer weiter zu, gleichzeitig hat die Führung in Peking gelobt, die Nation bis 2060 klimaneutral machen zu wollen. Wasserkraft macht heute bereits rund 20 Prozent des chinesischen Strommixes aus und ist damit gleich hinter Kohle die wichtigste Energiequelle.

Das derzeit mit Abstand größte Projekt dieser Art ist der Drei-Schluchten-Damm. Die Bauarbeiten begannen Mitte der 90er-Jahre. 2003 lieferte die gewaltige Talsperre erstmals Strom und wurde seitdem mit immer weiteren Turbinen ausgestattet, um die Leistung zu erhöhen.


Derzeit in Bau befindet sich mit der Baihetan-Talsperre der bald zweitgrößte Damm Chinas. In nur vier Jahren Bauzeit wurde die 289 Meter hohe Bogen-Talsperre in der Provinz Sichuan am Fluss Jangtsekiang für umgerechnet 26,1 Milliarden Dollar hochgezogen. Im Sommer soll sie das erste Mal Strom liefern.

Auf den Satellitenbildern sieht die Talsperre bereits so gut wie fertig aus, das Wasser wurde jedenfalls schon deutlich angestaut.


Bereits im vergangenen Juni ging mit der Wudongde-Talsperre ein weiteres leistungsstarkes Kraftwerk in Sichuan ans Netz. Die Talsperre am Jangtsekiang soll nach vollständiger Fertigstellung eine Leistung von zehn Gigawatt erreichen.


Diese Talsperren sind nur drei Beispiele aus einer Vielzahl von derartigen chinesischen Großprojekten. Allein am Yarlung-Fluss, wo nun auch der neue Mega-Damm entstehen könnte, sind im vergangenen Jahrzehnt ein gutes Dutzend neuer Wasserkraftwerke genehmigt oder bereits gebaut worden.

Die Wasser-Energie mag Millionen Chinesen dabei helfen, ein produktives Leben zu führen. Weniger begeistert von Chinas massivem Ausbau der Wasserkraft sind dagegen seine Nachbarn.

Besonders in Indien haben die Pläne für den Bau des neuen Mega-Damms am unteren Flusslauf des Yarlung Sorgen ausgelöst. Denn der Yarlung entspringt zwar im Hochland von Tibet, fließt aber weiter nach Indien, wo er Brahmaputra heißt und dort einer der wichtigsten Wasserquellen des Landes ist. In Indien gibt es nicht nur Ängste vor drohendem Wassermangel, sondern auch vor blitzartigen Fluten, je nachdem, welche Stellschrauben China bedienen könnte.

Ähnliche Vorwürfe muss sich China bereits seit Jahren von anderen Nachbarländern anhören. Denn auch der Mekong, der durch Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam fließt, entspringt in Tibet, wo China den Fluss mit seinen Wasserkraftwerken angezapft hat. Nicht nur der Wasserstand könne beeinflusst werden, auch das empfindliche Öko-System des Mekongs drohe wegen der Dämme zu kippen, beklagen Umweltorganisationen, weil immer weniger nährstoffreiche Sedimente in die untere Mekong-Region gelangen würden.

In Indien ist das Misstrauen gegenüber der neuen Talsperre besonders groß, da die Beziehungen der beiden Milliardenvölker derzeit so angespannt ist, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Verantwortlich dafür war eine blutige Auseinandersetzung im Grenzgebiet Ladakh, bei der im vergangenen Sommer mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten ums Leben kamen.

Schon werden in Indien sorgenvolle Stimmen laut, China könnte seine Talsperren auch für militärische Zwecke nutzen. Es bestehe die Gefahr, dass China „die Durchflussrate in Krisenzeiten erheblich ändert“, warnte so im Januar die indische Zeitung „Hindu Times“. Auch erinnerte das Blatt daran, dass Indien und China eigentlich ein Abkommen geschlossen haben, wonach während der Monsunzeit zwischen Mai und Oktober hydrologische Daten des Flusses ausgetauscht werden müssen. Doch schon vor drei Jahren, als es mal wieder Streit in der Grenzregion gab, habe China über Monate aufgehört, die Daten zu liefern.

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Nun gibt es im indischen Wasserministeriums offenbar eine neue Idee, um mit der Bedrohung umzugehen. Nach der Logik, Wasser am besten mit Wasser zu bekämpfen, wird über die Errichtung eines eigenen „großen Staudammes“ am Brahmaputra nachgedacht. Ziel sei es, so „die negativen Auswirkungen der chinesischen Staudammprojekte zu mildern“.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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