Wirtschaft von oben #173 – Kraftwerke der Superlative Diese Anlagen sollen Europas Stromnetze vor dem Zusammenbruch bewahren

Alqueva-Stausee, Moura, Portugal12.000 Solarmodule, fünf Megawatt – laut dem Betreiber EDP kostet der von dem schwimmenden Park erzeugte Solarstrom etwa ein Drittel des von einem Gaskraftwerk produzierten Stroms. Quelle: LiveEO/Kompsat 3A

Wie kommen die europäischen Verbraucher durch den Winter? Ein schwimmender Solarpark in Portugal und ein Bauwerk der Superlative in der Schweiz helfen dabei. Exklusive Satellitenbilder zeigen, dass der Betrieb nun läuft. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Ganz Europa macht sich Sorgen um seine Energieversorgung. Zumindest in Teilen der Schweiz gibt es seit kurzem einen Puffer gegen den Zusammenbruch der Stromnetze. In den Walliser Alpen, im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich, hat ein gigantisches neues Pumpspeicherkraftwerk seinen Betrieb aufgenommen: Nant de Drance, eines der größten seiner Art in Europa.

Das Kraftwerk ist so etwas wie eine Riesenbatterie, die die Stromnetze nicht nur in der Schweiz, sondern auch in angrenzenden Ländern stabil halten soll. Wird gerade zu viel Strom produziert, dann nutzt es diesen und befördert mit mächtigen elektrischen Pumpen Wasser aus einem Stausee in ein höher gelegenes Staubecken. Fehlt Strom im Netz, fließt Wasser wieder hinab – und treibt Generatoren an. Der entstehende Strom wird eingespeist.

Es ist ein Bauwerk der Superlative, wie aktuelle Satellitenfotos von LiveEO zeigen: Den unteren Stausee schließt ein Betondamm ab, 180 Meter hoch, 555 Meter breit. Der so entstandene Lac d‘Emosson ist der zweitgrößte Stausee der Schweiz. Das oben gelegene Reservoir ist noch einmal mit einer 76 Meter hohen Staumauer begrenzt, sein Fassungsvermögen entspricht 6500 olympischen Schwimmbecken. Beide Seen sind über 425 Meter lange Schächte miteinander verbunden, durch die das Wasser herabschießt oder hochgepumpt wird.


600 Meter unter der Erdoberfläche, in einer fast 194 Meter langen Kaverne – so lang wie zwei Fußballfelder – sind sechs Pumpturbinen untergebracht. Jede hat eine Leistung von 150 Megawatt, macht zusammen 900. Damit kann der Damm so viel Strom erzeugen wie das Schweizer Kernkraftwerk Gösgen – und 900.000 Haushalte mit Strom versorgen. Binnen fünf Minuten kann das Kraftwerk, wenn Strom im Netz benötigt wird, vom Volllast-Pumpbetrieb in den Volllast-Turbinenbetrieb umschalten.

20 Stunden lang könnte das Kraftwerk Strom liefern, dann wäre der obere Stausee leer. 20 Millionen Kilowattstunden hätte es dann ins Netz eingespeist – das entspricht der Speicherkapazität von 400.000 Batterien für Elektroautos. In der Praxis dürfte das Pumpspeicherkraftwerk aber allenfalls einige Stunden am Stück benötigt werden.


Nicht nur in der Schweiz machen Wasserkraftwerke, die den wegen der Konfrontation mit Russland entstehenden Energiemangel zumindest etwas decken können, Schlagzeilen. Am Alqueva-Stausee im Süden Portugals hat der Energieversorger EDP vor wenigen Monaten einen riesigen schwimmenden Solarpark errichten lassen. Es ist der größte seiner Art in Europa. Die vielen Sonnenstunden und atlantische Winde verhelfen dem Land zu mehr erneuerbarer Energie.

Zwei Schlepper zogen die 12.000 Solarmodule Anfang Mai vom Ufer an ihren Bestimmungsort unmittelbar vor der Staumauer. Die Photovoltaik-Anlage hat eine Leistung von fünf Megawatt und ist mit dem Wasserkraftkraftwerk am Staudamm verbunden. Der produzierte Strom fließt in den Betrieb des Kraftwerks. Die Paneele können nach Betreiberangaben jährlich 7,5 Gigawattstunden Elektrizität liefern. Zwei angeschlossene Lithiumbatterien sind in der Lage, zwei Gigawattstunden zu speichern.


Im österreichischen Kaprun wiederum hat der Verbund Hydro Power gerade den Startschuss für Limberg III gegeben – ein Megaprojekt in einer Landschaft voller Pumpspeicherkraftwerke und Staudämme. Bis 2025 soll es fertig sein. Investitionsvolumen: knapp eine halbe Milliarde Euro.

Der deutsche Baukonzern Bilfinger liefert Druckrohrleitungen und Saugrohrklappen für den Neubau zu. Limberg III entsteht, wie auch Limberg II komplett unterirdisch, zwischen den beiden bestehenden Speicherseen Mooserboden und Wasserfallboden und soll die Gesamtkapazität der Anlagen um ein Drittel auf dann 1380 Megawatt steigern.


Österreich hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Bis 2030 will sich das Land ausschließlich aus erneuerbarer Energie versorgen.

Doch die Bauarbeiten für solche Megaprojekte sind aufwändig. 14 Jahre haben sie in den Walliser Alpen gedauert. 400 Arbeiter waren damit beschäftigt, trieben 17 Kilometer Stollen in den Berg, schafften 1,7 Millionen Kubikmeter Abraum weg. Mehr als zwei Milliarden Schweizer Franken hat das Bauwerk gekostet, umgerechnet 2,08 Milliarden Euro.


Wie viel Geld die Schweizer Betreibergesellschaft Nant de Drance damit verdienen kann, ist allerdings noch offen. Denn ein wichtiges Abkommen zwischen der Schweiz und der EU liegt seit Jahren auf Eis. Schweizer Stromerzeuger können darum nur begrenzt an den Stommärkten der EU Handel treiben – und damit nicht von den Spitzenpreisen profitieren, die an den Märkten kurzfristig bei Strommangel für die Energie gezahlt werden.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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