Wirtschaft von oben #228 – Newport Beach: Die teuerste Postleitzahl der USA

George Evans bekommt regelmäßig unverschämte Summen für sein funkelndes Prachtstück angeboten, einen olivgrünen Transporter Double Cab, Baujahr 1963. Doch schwach geworden ist der selbstständige Handwerker bislang nicht. Sein Heimatort Newport Beach habe wahrscheinlich die höchste Ferrari-Dichte der Welt, sagt er, das sei nichts Besonderes. „Aber wenn ich mit meinem VW-Bus komme, bleiben die Leute stehen, lächeln, winken mir zu und machen Fotos“, prahlt Evans. Das sei unbezahlbar.
Tatsächlich reichen in Newport Beach, einer Küstenstadt südlich von Los Angeles, normale Luxusschlitten längst nicht mehr aus, um Eindruck zu schinden. Die Region taucht konstant auf der Liste der teuersten Plätze der USA auf, gemessen am Durchschnittswert ihrer Häuser und geordnet nach Postleitzahl. Den Spitzenplatz nimmt normalerweise Atherton (94027) ein. Eine Milliardärsenklave mitten im Silicon Valley, voller Anwesen mit schmiedeeisernern Gittern, wo der Polizeibericht meist daraus besteht, dass die Feuerwehr wieder einmal eine Katze vom Baum holen musste. Oder Beverly Hills, 90210, wo sich die Reichen, Schönen und Berühmten aus Hollywood tummeln und ihre Häuser auf Bustouren begafft werden.
Normalerweise schafft es Newport Beach gerade mal so auf Rang 10. Davor rangieren beispielsweise noch Medina, der Wohnort von Bill Gates nahe Seattle, und Montecito bei Santa Barbara, Exil von Prinz Harry und Meghan Markle. Im Sommer schnellte aber ein besonders exklusiver Teil von Newport Beach ganz an die Spitze: Newport Coast, ein fünf Kilometer langer und breiter, teils bewaldeter Küstenstreifen, bekannt und beliebt wegen seiner Sandstrände. Aktuelle Satellitenbilder zeigen nun, wie sich der Ort in den vergangenen Jahren entwickelt hat und wie ausschweifend die Anwesen sind.
Das Crystal Cove Historic District ist das Kontinuum am Strand von Newport Coast. Die Siedlungen auf den Hügeln nordöstlich vom historischen Teil sind seit 2003, als sie kaum bebaut waren, immer weiter angewachsen. Das belegen die Bilder aus der Luft eindrucksvoll. Der Medianpreis für eine Immobilie liegt in Newport Coast bei 12,3 Millionen US-Dollar. Unter 1,6 Millionen Dollar ist nichts zu bekommen, am oberen Ende reicht der Preis bis zu 70 Millionen Dollar. Die Anzahl der Grundstücke direkt am Ozean ist begrenzt, was die Preise kontinuierlich nach oben treibt. Gebaut werden kann nur noch auf bereits erschlossenen Parzellen.
Die rund 2500 Häuser, die sich in Newport Coast dicht an dicht drängen – die meisten so schwülstig, wie sich Amerikaner italienische Luxusvillen vorstellen – haben nicht nur einen traumhaften Blick auf den Pazifik. Sondern auch auf den Golfplatz des Luxushotels Pelican Hill, wo eine Übernachtung ab 700 Dollar kostet.
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Immobilienmakler machen den Aufstieg daran fest, dass nach den beklemmenden Coronajahren viele Reiche und Superreiche sich nach einem Refugium an der Küste sehnen. Idyllisch, aber nicht zu weit weg von den Annehmlichkeiten wie der Gastronomie, dem Spitzensport und der Kultur von Los Angeles. Tatsächlich ist Beverly Hills in weniger als zwei Stunden mit dem Auto erreichbar, wenn man nicht gerade im Berufsverkehr unterwegs ist. Die kalifornischen Vergnügungsparks von Disney sind gleich um die Ecke. Im Hafen stauen sich Yachten und Segelboote.
Im Frühjahr und im Sommer katapultierten gleich vier Verkäufe von Luxusanwesen von jeweils über 20 Millionen Dollar Newport Coast an die Spitze der teuersten Postleitzahlen. Angeführt von einem 1000-Quadratmeter-Luxusanwesen mit fünf Schlafzimmern und sieben Badezimmern: Der Prospekt preist einen weitschweifigen Blick über den Pazifik von fast jedem Raum an, aufgewertet von einem Endlos-Pool. All das für schlappe 34 Millionen Dollar. Der Vorbesitzer hatte im Februar 2021 nur 14,7 Millionen Dollar bezahlt, es aufwendig renoviert und mit faltbaren Glastüren ausgestattet:
Der neue Eigentümer ist ein Basketballprofi der Chicago Bulls. Im vergangenen Jahr unterzeichnete Zach LaVine einen fünfjährigen Vertrag über 215 Millionen Dollar mit dem Club. Nur einen Steinwurf entfernt lebte Basketball-Superstar Kobe Bryant mit Frau Vanessa und seinen drei Töchtern.
Im Januar 2020 kamen der berühmteste Einwohner der Region und seine Tochter Gianna bei einem Helikopterabsturz ums Leben. Bryant gefiel offenbar das Kleinstadtgefühl, und trotzdem so nah an der Metropole Los Angeles und seiner Mannschaft, den Lakers, zu sein.

Auch Bryants einstiger Teamkollege, der exzentrische Profi Dennis Rodman – bekannt durch seine Freundschaft zu Nordkoreas Diktator Kim Jong Un – lebte zwischen 1996 und 2004 in Newport Beach. Allerdings weniger zurückgezogen als Bryant. Seine Partys sind noch immer örtliche Folklore ebenso wie die damit verbundenen Schlägereien und sein Schnellboot „Sexual Chocolate“, mit dem er vor der Küste hin und her raste. Zur Feier seines 40. Geburtstags landete Rodman mit dem Hubschrauber auf dem Strand vor seinem Haus. Für die Aktion kassierte er eine Strafe wegen Lärmbelästigung.
Newport Beach gilt als eine der wohlhabendsten Städte in den USA. Das mittlere Haushaltseinkommen liegt bei rund 133.000 Dollar, ungefähr das Doppelte des US-Durchschnitts. Zu verdanken hat das die Region vor allem dem Finanzgenie Bill Gross, einem der legendärsten Vermögensverwalter der USA, auch als König der Anleihen bezeichnet. Sein und Pimcos geschäftlicher Erfolg hat über fünf Jahrzehnte mehrere Tausend Millionäre in Newport Beach hervorgebracht, hoch bezahlte Trader und Analysten.
Gross stammt eigentlich aus Ohio, zog für sein Betriebswirtschaftsstudium aber nach Los Angeles. Dort verliebte er sich in Kalifornien. Als er 1971 im Alter von 27 Jahren mit Geschäftspartnern Pacific Investment Management Co (Pimco) gründete, bestand er darauf, es in Kalifornien statt in New York anzusiedeln. Er wählte Newport Beach. Auch weil er keine Lust hatte, sich auf Abwerbekämpfe mit Konkurrenten einzulassen.
Talente lockte er mit den damaligen niedrigen Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Manhattan und vor allem der Nähe zur Küste und zur Metropole Los Angeles. Pimco galt zeitweise als weltgrößter Verwalter von Anleihen, Newport Beach stieg so ganz unerwartet zu einem ländlich geprägten Finanzzentrum auf.
Im Jahr 2000 übernahm der Münchner Allianz-Konzern für 3,3 Milliarden Dollar die Mehrheit an Pimco. 2014 überwarf sich Gross mit seinen Geschäftspartnern und verließ das Unternehmen. Seit 2019 ist der Milliardär – geschätztes Vermögen: 1,6 Milliarden Dollar – im Ruhestand.
Seine Nachbarn verärgerte Gross, als er 2011 sein erst zwei Jahre zuvor erworbenes Luxusanwesen auf einer Insel vor Newport Beach plattmachen ließ, um den Bauplatz für 26 Millionen Dollar zu verkaufen. Er brauchte es nicht mehr, weil er mit seiner damaligen Frau Sue Richtung Süden zog, in die Küstenenklave Laguna Beach.
Dort wohnt der 79-Jährige weiterhin, inzwischen mit seiner neuen Frau, der ehemaligen Tennisspielerin Amy Schwartz. Das Paar erwarb für 35,8 Millionen Dollar ein Luxusanwesen in Laguna Beach und verzierte dessen Garten mit einer millionenschweren Skulptur von Glaskünstler Dale Chihuly. Weil er diese mit einem Netz schützte, das angeblich den Blick seines Nachbarn auf den Pazifik verdeckte, löste er einen Nachbarschaftsstreit aus, der ihn monatelang in die Schlagzeilen der US-Medien brachte.
Die Stimmung in Newport trübt Bill Gross nicht mehr. Dort herrscht friedliche, wenngleich kostspielige Idylle. Das teuerste Haus ist derzeit ein 1400-Quadratmeter-Palast im römischen Stil mit sieben Schlafzimmern, 13 Badezimmern, einer Garage für zehn Autos und einem Glasdom im Foyer. Kostenpunkt: knapp 70 Millionen Dollar. Aber das scheint selbst für hiesige Verhältnisse übertrieben. Der 2021 errichtete Neubau sucht nun schon seit knapp 600 Tagen einen Käufer.
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