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Wirtschaft von oben #232 – Technologie-RohstoffeHier liegen die Seltene-Erden-Minen, über die China lieber nicht spricht

China beherrscht den Markt für schwere Seltene Erden heute komplett. Doch darüber, wie sie abgebaut werden, ist wenig bekannt. Satellitenbilder zeigen nun tief im Wald versteckte Minen und was sie anrichten. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Thomas Stölzel 15.10.2023 - 15:43 Uhr

Eine Laugungsmine für schwere Seltene Erden bei Longnan in Südchina.

Foto: LiveEO/Planet Labs PBC SkySat

China zeigt sich verschlossen, wenn es darum geht, unter welchen Bedingungen es Seltene Erden abbaut. Jene Metalle, ohne die heute viele Zukunftstechnologien – vom Elektroauto bis zum Windrad – nicht funktionierten. Und wie viel von diesen Rohstoffen noch im Boden schlummern, gilt sogar als Staatsgeheimnis. Schließlich hat das Land die Welt mit Elementen wie Neodym am Haken. China ist für 70 Prozent der globalen Produktion verantwortlich. Bei den besonders raren und teuren schweren Seltenen Erden wie Dysprosium und Terbium, die für leistungsfähige Permanentmagnete gebraucht werden, sind es sogar 100 Prozent.

Während die leichten, weniger wertvollen Seltenen Erden in gewaltigen Tagebau-Minen im Norden des Landes gefördert werden, kommen die mittelschweren und schweren fast ausschließlich aus dem Süden. Ihr Abbau ist besonders schmutzig. Nicht nur, weil Minenbetreiber einen Großteil illegal fördern. Eine 2016 für das US-Energieministerium erstellte Studie geht von 59 bis 65 Prozent aus. Der Abbau ist zudem extrem umweltschädlich.

Das Erz steckt in sogenannten Tonerden, die laut einer im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichten Untersuchung meist in weniger als zehn Metern Tiefe liegen. Indem sie Löcher bohren oder graben und Chemikalien hineinpumpen, lösen legale und illegale Minenbetreiber das magnetische Material heraus. „Diese Methode ist verrückt“, kommentiert Greg Barnes, ein australischer Geologe, der auf Seltene Erden spezialisiert ist und mehrere Vorkommen in Grönland entdeckt hat. Die sogenannte In-Situ-Laugung ist zwar eine altbewehrte Methode im Bergbau. Allerdings wird sie normalerweise nur in tiefen, gut abgeriegelten Gesteinsschichten eingesetzt, nicht direkt unter der Oberfläche.

Eine Recherche der WirtschaftsWoche mithilfe von LiveEO-Satellitenbildern zeigt nun, wie in Südchina ganze Landstriche davon betroffen sind. Die Minen verstecken sich tief im hügeligen Wald. Doch der Blick aus dem All offenbart schnell, dass die Wälder etwa in der südlichen Jiangxi-Provinz engmaschig mit diesen Laugungsminen durchsetzt sind, die Gegend regelrecht vernarbt ist. Dabei ist es kaum möglich, legalen von illegalem Abbau zu unterscheiden.

Und im Süden der Nachbarprovinz Hunan hat der staatliche Bergbauriese Minmetals erst 2020 die aktuell größte Mine der Welt für schwere Seltene Erden eingerichtet. Auch hier zeigen Satellitenbilder, dass sie das umweltschädliche Verfahren nutzt.

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Die Minen verwenden meist mit Ammoniumsulfat versetztes Wasser, um das Material aus dem Tonboden zu lösen. Wissenschaftlern zufolge braucht es heute etwa sieben bis acht Tonnen des Pulvers, um eine Tonne Seltene Erden zu extrahieren. Das Mittel ist problemlos zu beschaffen, weil es normalerweise als Pflanzendünger eingesetzt wird. In der tonnenweisen Anwendung aber ist es schädlich. Allein in der Region Ganzhou, im Süden der Provinz Jiangxi, sind offenbar hunderte Quadratkilometer Wald geschädigt.

In den 1980er- und 1990er-Jahren durfte praktisch jeder in der Gegend privat nach Seltenen Erden schürfen. Viele verdienten gutes Geld. Zur Jahrtausendwende zog die Regierung die Zügel an und verbot die Förderung auf eigene Rechnung. Heute dürfen offiziell nur noch sechs staatlich kontrollierte Konzerne das Metall fördern. Für die Umwelt hat das wenig gebracht. So zeigen Satellitenbilder, dass süd-östlich der Stadt Longnan nach wie vor viele Becken in den Wäldern entstehen, die mutmaßlich voll sind mit Seltene-Erden-Lauge.

Die runden Becken haben meist einen Durchmesser von 13 Metern. Bis zu einem Dutzend davon gibt es an manchen Standorten, an anderen nur drei oder vier. An weiteren Stellen im Wald bei Longnan sind stillgelegte Minen zu erkennen, deren Becken leer und verfallen sind. Und an wieder anderen wurden alte Becken in den vergangenen Jahren planiert – vermutlich, um illegalen Betreibern den Zugang zu versperren.

Die Behörden in der Region, die hier angeblich seit 2011 verstärkt gegen illegale Minen vorgehen, hatten ursprünglich angekündigt, von 2017 an endgültig alle nicht lizenzierten Bergwerke dicht zu machen. Allerdings entdeckten Ermittler im Sommer 2020 noch an vier Orten rund um Longnan illegale Tanks mit Ammoniumsalzwasser.

In den Becken werde das Laugenwasser mit den gelösten Seltenen Erden gesammelt, anschließend eine weitere Chemikalie dazu geschüttet, erklärt Micha Zauner. Der Geologe und Gründer von Deutsche E-Metalle kennt sich aus mit der Materie. Zauner sucht im Auftrag der deutschen Industrie weltweit nach Bezugsquellen für Seltene Erden. Die zusätzliche Chemikalie sorge im Tank dafür, dass die Seltenen Erden ausflocken, sich am Boden absetzen. Dieses Material können die Betreiber dann an Raffinerien verkaufen.

Das Verfahren ist billig, vor allem, wenn Umweltschutz für die Betreiber keine Rolle spielt. Die Ammoniumsalze im Boden binden aber nicht nur die Seltenen Erden, sondern auch Kalzium und Magnesium, die für die Pflanzen wichtig sind. Zudem sterben nützliche Mikroorganismen im Boden ab, wenn sie mit der Chemikalie in Verbindung kommen. Folge: Der Wald wird krank. Aber nicht nur der. Nahe der 100 Kilometer südlich gelegenen Stadt Heyuan flog erst im September eine illegale Mine auf. Zuvor waren in Teichen der Umgebung die Fische verendet. Die Bevölkerung vermutet einen Zusammenhang.

Die Regenerierung der Böden, wenn sie überhaupt stattfindet, ist aufwendig und teuer. An einigen Orten leistet es sich die chinesische Regierung trotzdem. Etwa an einer verlassenen Seltene-Erden-Mine südlich von Xunwu. Satellitenbilder von 2015 zeigen hier ein sechs mal zehn Kilometer großes Tagebauareal, das auf der Suche nach schweren Seltenen Erden komplett umgegraben wurde. Das Gebiet war damals durchsetzt mit leeren rechteckigen Laugungsbecken.

Inzwischen hat die Regierung der Region auf dem nördlichen Teil des Tagebaus einen Industriepark eingerichtet. Auf dem südlichen Teil ist ein Solarkraftwerk entstanden. Chinesische Banken haben inzwischen zweistellige Millionensummen in die Regenerierung solcher Seltene-Erden-Bergwerke gesteckt. 

Frühere Seltene-Erden-Mine, bei Xunwu, Provinz Jiangxi, China 01.08.2022: Im Süden des ehemaligen Bergwerks wurde ein großer Solarpark aufgebaut. Bild: LiveEO/Google Earth/Maxar Foto: WirtschaftsWoche

Besonders bei kleineren und illegalen Minen dürfte das kaum der Fall sein. Manche Brancheninsider vermuten zudem, dass der Staat in vielen Fällen nur halbherzig gegen illegale Betreiber vorgeht, um die für die eigene Industrie benötigten Mengen nicht zu gefährden. Schließlich hat das Land große Ambitionen, etwa im weltweiten Markt für E-Autos. Dafür werden auch schwere Seltene Erden benötigt. Die sorgen etwa für eine höhere Leistung von Elektromotoren. Auch können sie so höhere Temperaturen aushalten.

Um den steigenden Bedarf zu sichern, hat der staatliche Metall- und Mineralienkonzern Minmetals bei Jianghua in der Provinz Hunan 2020 mit dem Abbau einer der weltgrößten Lagerstätten für mittlere und schwere Seltene Erden begonnen. Lokale Medien sprechen sogar von der größten Mine der Welt für diese Rohstoffe. In ihr steckt unter anderem Dysprosium.

Von der Mine existiert im Internet nur ein einziges Bild. Es zeigt zwei große Tanks mit dem Minmetals-Logo und einem chinesischen Schriftzug, fotografiert von einem benachbarten Gebäude. Dennoch ließ sich anhand dieses Fotos der Standort der Mine auf Satellitenbildern identifizieren. Die Mine liegt etwa 50 Kilometer südlich von Jianghua, in einem abgelegenen Tal. Die Anlage besteht aus mehreren Becken und Chemieanlagen.

Laut Minmetals soll die Mine pro Jahr rund 1800 Tonnen Seltene-Erden-Oxid fördern können. Insgesamt steckten in der Lagerstätte etwas mehr als 100.000 Tonnen. In der Hochglanzbroschüre des Unternehmens, in der auch das Foto abgedruckt ist, heißt es, das Bergwerk sei das erste, das ein standardisiertes Design für die Massenproduktion Seltener Erden eingeführt habe.

Laut dem australischen Geologen Barnes sind die Tonerden im Süden Chinas weltweit einzigartig. So einfach der Abbau des Magnetmetalls hier ist, die Konzentration ist gering. In einer Tonne Ton stecken lediglich zwischen 300 und 3000 Gramm Seltene-Erden-Oxid. Und davon, glaubt Barnes, dürften die meisten Vorkommen mit höherer Konzentration inzwischen abgebaut sein. In den Minen für leichte Seltene Erden im Norden Chinas ist die Konzentration dagegen 50 Mal höher. Allerdings sind die hier gewonnen Metalle weniger wertvoll, weniger magnetisch, weniger rar.

Um die zehn Lagerstätten gibt es an der Grenze zur Mongolei. Und auch bei ihnen gilt der Abbau unter Brancheninsidern als mittlere Sauerei. In den Abraumhalden etwa der bekannten Bayan-Obo-Mine stecken Barnes zufolge das giftige Schwermetall Blei und die radioaktiven Elemente Thorium und Uran. Auch leitet die Mine Schwefelsäure, die zum Herauslösen des Erzes aus dem Gestein genutzt wird, auf die Halden.

Die Tagebaulöcher sind inzwischen bis zu einem Kilometer tief und beschäftigen Tausende Mitarbeiter. Mit dieser Mine war es China gelungen, konkurrierende Bergwerke etwa in den USA (Mountain Pass) Anfang der 2000er-Jahre aus dem Markt zu drängen und so die Dominanz Chinas in dem Geschäft zu besiegeln. Mit den billigen Arbeitskräften und den geringen Förderkosten konnten sie nicht mithalten. Zugleich entlässt die Mine aber jedes Jahr zehn Millionen Kubikmeter Wasser ungereinigt in die Umgebung. Die UN nahm die nahegelegene Stadt Baotou, in der das Erz weiterverarbeitet wird, 2021 in ihre Liste der 50 am stärksten durch menschliche Schad- und Giftstoffe verschmutzen Regionen auf.

So sehr China sich an seine Macht bei den Seltenen Erden klammert, Grönland könnte dem Land dennoch den nächsten Jahren Konkurrenz machen. Nach aktuellen Erkenntnissen verfügt die Insel bei den schweren Seltenen Erden über die weltgrößten Vorkommen, etwa in der geplanten Mine Tanbreez, die Geologe Barnes entdeckt hat und nun entwickelt. Doch mit seinen sehr niedrigen Produktionskosten kann Südchina den neuen Spielern wohl noch gehörig das Leben schwer machen.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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