Allgaier Werke „Der chinesische Eigentümer hat sich massiv verwehrt gegen diese Insolvenz“

Allgaier Werke ist insolvent. Quelle: imago images

Der Autozulieferer Allgaier ist insolvent. Warum ein  Gewerkschaftsvertreter der IG Metall darin eine „große Chance“ für das Unternehmen sieht. Und was das mit dem chinesischen Investor Westron zu tun hat.

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Der baden-württembergische Autozulieferer Allgaier Werke GmbH hat Insolvenzantrag gestellt. Erst im Sommer vergangenen Jahres war die chinesische Westron Group Mehrheitsgesellschafter bei Allgaier geworden. Martin Purschke ist Geschäftsführer der für das nun insolvente Unternehmen zuständigen Geschäftsstelle der Gewerkschaft IG Metall. Im Interview erklärt er, warum er die Insolvenz für eine „große Chance“ für das Unternehmen hält. Und warum Mitarbeiter wie Gläubiger von dem chinesischen Investor enttäuscht sind.
 

WirtschaftsWoche: Herr Purschke, der baden-württembergische Autozulieferer Allgaier Werke GmbH hat Insolvenzantrag gestellt. Ihre Gewerkschaft begrüßt das. Warum?
Martin Purschke: Der Zustand, der in den letzten Monaten von den chinesischen Investoren hergestellt wurde, war problematisch. Schon bei der Übernahme im letzten Sommer war klar, dass Allgaier restrukturiert werden muss. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind aber nicht erfolgt. Man war offenbar nicht bereit, in das Unternehmen zu investieren, um es wieder erfolgreich auf die Beine zu stellen. Wenn jetzt der Insolvenzverwalter die Firma in die Hand nimmt, kann es endlich gelingen, das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.

Martin Puschke. Credit: IG Metall Quelle: Presse

Sie halten das Unternehmen also noch immer für zukunftsfähig?
Allgaier an sich ist noch immer ein solides Unternehmen, das im rein operativen Bereich auch sehr gut wirtschaften kann, ja. Und es ist keiner der Zulieferer, deren Geschäft der Wandel zum E-Antrieb gefährdet. Natürlich gibt es Probleme, die es zu beheben gilt. Aber es gibt im Vergleich zu anderen Zulieferern kein großes Transformationsproblem, nur strukturelle Probleme im Haus, die sich sicherlich beheben lassen.

Was genau hat es mit diesen strukturellen Problemen im Haus auf sich?
Allgaier muss natürlich sehen, wie sich eine solide, langfristige Finanzierung herstellen lässt. Das kann nur dann funktionieren, wenn der Umfang dieser Finanzierung in Relation zum Geschäftsbetrieb steht. Und das hat zuletzt leider nicht mehr stattgefunden.

Von Mitarbeitern war in dieser Woche zu hören, es hätte falsche Versprechungen seitens der chinesischen Investoren gegeben. Das ist also auch Ihr Eindruck?
Ja. Es gab seit vergangenem Sommer zwar Ansätze der Restrukturierung, aber nicht in einem Umfang, der wirkliche Erfolgsaussichten versprach. Wir glauben deshalb: Es ist jetzt Zeit für einen grundsätzlichen Managementwechsel. Der bisherige Eigentümer hat sich auch massiv verwehrt gegen diese Insolvenz, obwohl dieses Unternehmen eben schlichtweg insolvent ist. Als Investor muss ich entweder die finanziellen Mittel einbringen, die es braucht, oder ich muss mir eingestehen, dass es ein Insolvenzverfahren braucht. 

Westron hat sich aber bis zuletzt dagegen gewehrt. Selbst an diesem Dienstag noch, als längst klar war, dass es einen Insolvenzantrag geben wird, hat ein chinesischer Vertreter der Belegschaft zu vermitteln versucht, dass alles gut sei, der Laden hervorragend weiterlaufen werde, es nur kleine Probleme geben – das war nur ein paar wenige Stunden vor dem Insolvenzantrag. Es gab also bis zuletzt kein Einsehen auf chinesischer Seite, dass dieser Schritt für die Zukunft des Unternehmens notwendig ist.

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Macht Ihnen die Insolvenz denn wirklich gar keine Sorgen? In Medienberichten hieß es zuletzt, es seien bis zu 1600 Stellen bedroht.
Wir sehen diese Stellen im Moment nicht als bedroht an. Im Gegenteil: Wäre jetzt nicht die Insolvenz eingetreten, dann wäre das ganze Unternehmen massiv gefährdet worden. Zuletzt hatten sich bereits Probleme mit Lieferanten abgezeichnet. Die Insolvenz sehen wir nun als eine große Chance auch für eine Weiterentwicklung von Allgaier.

Und was ist jetzt Ihre Hoffnung, wie es nach dem Insolvenzverfahren weitergeht?
Erst mal ist die Hoffnung, dass man jetzt in ein geordnetes Insolvenzverfahren geht. Ich gehe davon aus, man kann das Unternehmen auch in der Regelinsolvenz ordnungsgemäß weiterführen. Und dann ist die Hoffnung, dass man eben dort, wo es notwendig ist, die Prozesse bereinigt, um das Unternehmen ordentlich aufzustellen. Dass man vielleicht auch manche Altlasten loswird. Und dann nach einem zukünftigen Erwerber sucht, der nicht nur ein Glücksritter ist, der meint, er könne hier ein Schnäppchen machen, sondern jemand, der wirklich ein strategisches Interesse am Unternehmen hat. Jemand, der auch dann, wenn es mal ein bisschen schlechter läuft, finanzielle Mittel einbringt. 

Das ist die Hoffnung für die Zukunft. Und daran werden wir jetzt hart arbeiten – mit dem Betriebsrat, der Belegschaft und natürlich dann auch dem Insolvenzverwalter.

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Was, wenn sich nach dem Insolvenzverfahren erneut Westron als Investor anböte?
Dann müssen die Gläubiger entscheiden, ob Westron wieder einsteigen darf oder nicht. Nach dem jetzigen Verhalten des chinesischen Investors bin ich da aber nicht sehr optimistisch. Ich glaube nicht, dass so schnell wieder ein Vertrauen hergestellt werden kann.

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