Herr Weller, Sie handeln seit fast 40 Jahren mit Autos. In der Zeit hat sich vor allem durch die Digitalisierung die Art und Weise, wie Waren verkauft werden, komplett verändert. Wie macht sich das bei Ihren Kunden bemerkbar, erkennen Sie die heute noch wieder?
Ja, das schon. Denn genau wie früher möchte der Kunde möglichst in seiner näheren Umgebung kaufen. Die meisten kommen deshalb aus einem Radius von 50 Kilometern. Die wenigsten Kunden sind doch bereit, für ein Auto quer durchs Land zu fahren – falls sie nicht gerade ein totales Schnäppchen entdeckt haben oder etwas ganz Spezielles suchen, so was wie einen silbernen VW-Bully mit roten Ledersitzen. Fakt ist aber: Die Leute kommen immer seltener.
Wie selten?
Der Kunde kommt heute meist nur noch ein einziges Mal ins Autohaus. Noch bis vor 20 Jahren kam er vier Mal. Er hatte ja kein Internet und konnte sich vorab längst nicht so gut informieren. Stattdessen brauchte er uns, er musste zu uns kommen, wenn er etwa einen Prospekt haben wollte. Wenn wir ihn also bei den ersten beiden Besuchen nicht ködern konnten, hatten wir früher immer noch zwei weitere Chancen. Jetzt kommt er nur noch ein Mal – und dann muss der Schuss sitzen.
Die Kunden sind also bestens präpariert, wenn sie sich bei Ihnen zum ersten Mal ins Auto setzen?
Ja, die Menschen sind so gut vorbereitet und vorinformiert wie noch nie. Die kommen rein und wissen ganz genau, was sie wollen. Sie stellen ganz gezielte Fragen, und wer die nicht beantworten kann, hat schlechte Karten. Für die gesamte Branche war das ein echter Lernprozess, und der tut denen weh, die sich nicht auf die neuen Anforderungen vorbereitet haben. Und es gibt viele Händler, die lange Zeit gesagt haben: ach, das wird schon wieder. Denen muss man ganz klar sagen: nein, das wird nicht mehr so wie früher. Im Gegenteil – die Leute werden eher noch seltener ins Autohaus kommen.
Warum?
Ab nächstes Jahr kommt beispielsweise das „update over the air“. Das heißt: Bislang müssen Besitzer für ein Update an Ihrem Auto noch in die Werkstatt kommen. Das wird es in den nächsten Jahren nicht mehr geben. Dann bekommt der Kunde vom Hersteller über den Bildschirm in seinem Auto ein Update angeboten: „Wann stellen Sie Ihr Auto für drei Stunden ab, dann schalten wir uns da drauf“. Die Rechnung dafür bekommt der Kunde vom Hersteller, nicht mehr von uns Händlern. Das werden wir nicht verändern können – keiner zieht den Stecker aus dem Internet.
Kommen die Hersteller bald ohne Sie und Ihre Kollegen aus?
Die Hersteller wissen sehr genau, was sie an uns haben. Mehr als 70 Prozent aller Neuwagen werden noch immer über den Handel verkauft. Deshalb müsste auch für die Zukunft klar sein: Wir haben Daten, und der Hersteller hat Daten – die gehören alle in einen gemeinsamen Topf, den beide Seiten nutzen müssen, um den Vertrieb anzukurbeln. Und dann müssen wir hinterher sehen, wie der Ertrag daraus aufgeteilt wird. Ich bin da nicht so aufgeregt wie viele meiner Kollegen, denn der Hersteller kann auch nicht ohne den Handel.
Zur Person
Burkhard Weller ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Wellergruppe. Mit 2.000 Mitarbeitern an 31 Standorten, ist die Wellergruppe eine der größten deutschen Automobilhandelsgruppen.
Dennoch schneiden einige Hersteller gerade tief in ihr Vertriebsnetz und kündigen Händlern?
Die Hersteller versuchen natürlich, auch im Autohaus das Sagen zu bekommen und durchzuregieren. Das versuchen die an allen Stellen. Und dagegen kann sich ein einzelner kleiner Händler schwerer wehren als ein größerer mit mehreren Filialen. Dem kleinen fehlt schlicht die Marktmacht. Mit 300 verkauften Autos hat man kaum ein Druckmittel.
„Mit zunehmender Elektromobilität sinkt der Werkstattumsatz“
Wenn aber die Kunden sich bereits online über ihr neues Auto informieren und offenbar immer stärker dazu bereit sind, es auch noch im Internet zu kaufen – verlieren Sie nicht den Kontakt zum Konsumenten?
Natürlich ist das eine große Herausforderung für den Autohandel. Eine Antwort darauf besteht für uns darin, dass wir nicht einfach nur hoffen, dass die Kunden schon irgendwie den Weg zu uns finden. Stattdessen gehen wir immer öfter dorthin, wo sie ohnehin unterwegs sind.
Wie soll das funktionieren, für Autopaläste fehlt doch der Platz in den Innenstädten?
Der Trend geht ganz klar in Richtung kleinerer Flächen, City Rooms, praktisch Wohnzimmer, in denen zufälligerweise auch ein paar Autos stehen. Höchstens sechs bis acht Fahrzeuge, je nach Marke, das reicht, und alles andere wird visuell mit Hilfe von Bildschirmen dargestellt. Wir werden zwar keines unserer großen Häuser schließen, solange sie sich rechnen. Aber wenn wir neu bauen müssen, setzen wir auf kleinere Ladenformate. In Lüneburg beispielsweise planen wir gerade ein Innenstadt-Lokal für Mini. Und in wenigen Tagen eröffnen wir bei Hannover einen kleinen Laden für BMW.
Das meiste Geld verdienen Sie aber doch in der Werkstatt – rechnen Sie mit schrumpfenden Erlösen?
Das stimmt – im Autohandel wird mit Reparaturen, Gebrauchtwagen und Neuwagen Geld verdient, in dieser Reihenfolge. Die Rendite im Handwerk ist am besten, sie steht aber auch stark unter Druck. Wir wissen alle: Wenn wir mal mehr Elektro-Anteil haben – und das wird in acht bis zehn Jahren soweit sein – dann sinkt auch die Reparaturrate.
Dazu kommen die autonom fahrenden Autos, die im besten Falle weniger Unfälle produzieren, und einen Ölwechsel brauchen die E-Autos auch nicht mehr – da drohen weitere Umsatzeinbußen.
Wir fangen das etwa dadurch auf, dass wir Reparaturen und Leistungen in die Werkstatt zurückholen, die der Autohandel eine Zeitlang weggegeben hat. Lange Zeit hat der Autohandel etwa keine Reifen mehr verkauft. Das machen wir mittlerweile wieder. Auch Windschutzscheiben reparieren wir wieder selbst. Oder wenn Ihr Wagen einen Kratzer hat, muss nicht mehr die ganze Tür neu lackiert werden, sondern das wird für 80 Euro über unser „smart repair“ weggemacht. Das sind alles Dinge die wir uns zurückholen. So halten wir die Werkstatt am Leben. Und das autonome Fahren, das kann ich gar nicht abwarten, denn es wird zusätzliche Mobilität bringe, gesundheitlich Angeschlagene, Sehbehinderte, Alte und Junge werden zusätzlich transportiert und das höchstwahrscheinlich individuell, also mit mehr Mobilität, nicht weniger.
Aber auf Dauer wird das nicht reichen, oder?
Wir machen uns nichts vor: mit zunehmender Elektromobilität sinkt der Werkstattumsatz. Deshalb werden unsere Werkstätten in Zukunft sicher schrumpfen. Das machen wir aber nicht von heute auf morgen. Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem Mitarbeiter rauswachsen können, also in Rente gehen. Wir haben damit bereits Erfahrung: Früher bestand ein Drittel der Werkstattmannschaft aus Karosserieleuten. Heute ist der Anteil auf höchstens zehn Prozent geschrumpft. Durch die vielen Assistenzsysteme passieren einfach viel weniger Unfälle. Beim Einparken piept und fiept es ja mittlerweile in einer Tour.
Wie der Dieselskandal den Autohändlern schadet, lesen Sie in der großen WirtschaftsWoche-Geschichte.