Der LKW der Zukunft auf der IAA Wie die Digitalisierung die Logistik revolutioniert

LKW der Zukunft: Der digitale Wandel in der Logistik-Branche Quelle: PR

In Zeiten des boomenden Onlinehandels sind Logistikunternehmen gefragt wie nie. Die Digitalisierung könnte ihre Kosten halbieren und stellt Lkw-Hersteller vor neue Herausforderungen.

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Auf der Internationalen Automobilmesse (IAA) in Hannover dominieren futuristisch aussehende Trucks die Bilder. Eins scheint klar: Der Lkw der Zukunft fährt autonom und größtenteils elektrisch. Nicht verwunderlich, denn es gibt ein Problem mit dem Status quo. Schwere Nutzfahrzeuge wie der Lastwagen sind für rund ein Viertel der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich. Mehrere dutzend Liter Kraftstoff verbrauchen sie auf 100 Kilometern. Die EU-Komission will ihre Ökobilanz daher bis 2030 um 30 Prozent reduzieren – was mit alternativen Antrieben und effektiven Routen erreicht werden soll.

Beides begünstigt eine Entwicklung: Das autonome Nutzfahrzeug. Ohne einen Menschen hinter dem Steuer sollen Lkw in Zukunft durch das Land fahren, dabei über ein zentrales Netzwerk koordiniert, am Zielort automatisch eingeparkt und von Maschinen ausgeladen werden. Diese Digitalisierung spart der Logistikbranche laut einer Studie der Strategieberatung Strategy& bis 2030 47 Prozent der heute noch anfallenden Kosten. Vor allem in der Organisation der Lagerzentren gebe es Optimierungspotenzial. So könnten unter anderem durch Roboter, die Ware vollautomatisch aus Regalen in Nutzfahrzeuge laden, bis zu 60 Prozent der Kosten gespart werden.

Doch nicht nur die Ladezentren werden sich verändern. Für Logistikdienstleister sei nach dem Kraftstoff der Fahrer der zweitgrößte Kostenpunkt, so Strategy&. Er werde mit autonomen Fahrzeugen nicht mehr gebraucht. Dafür könne der Raum der Kabine anderweitig genutzt werden: beispielsweise für Sensoren, Steuerungscomputer oder zusätzlichen Frachtraum. Die Kabine sei eine der teuersten Komponenten eines Lkw, daher könne ordentlich Geld gespart werden. Pro Lkw seien das um die 30.000 Euro, was bei den autonomen Alternativen zum Teil wieder durch höhere Technikkosten ausgeglichen werde. Dennoch werden Lkw im Jahre 2030 rund sieben Prozent weniger kosten, rechnen die Strategieberater vor.

So sieht die Zukunft von Lkw und Co. aus
In Hannover trifft sich die Transportbranche zu ihrer Weltleitmesse IAA Nutzfahrzeuge und zeigt mögliche Lösungen für die logistischen und umweltpolitischen Herausforderungen der Zukunft. Quelle: dpa
Der Mercedes Actros etwa ist in seiner in Hannover vorgestellten Form der erste Schwerlaster mit einem Kamerasystem statt eines Rückspiegels. Quelle: Bosch
Serienreifer E-Transporter Quelle: dpa
Der elektrische Citaro von Mercedes ist hier der Vorreiter eines heimischen Anbieters. Quelle: dpa
 Die Mercedes Studie Urbanetic beispielsweise transportiert normierte Fracht auf einer selbstfahrenden Plattform, selbstredend elektrisch. Quelle: Daimler
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Volvo Trucks Studie Vera, eine selbstfahrende Sattelzugmaschine, die bereits ohne Fahrerhaus auskommt. Quelle: Volvo
Lkw fahren in Selchow bei einer Demonstration des Platooning im autonomen Fahren auf der nichtgenutzten Südbahn des Flughafens Schönefeld. Quelle: dpa

Alte Jobs verschwinden, neue entstehen

Was für die Branche ein Segen ist, wird zu einem Fluch für die heutigen Berufskraftfahrer. Tausende von ihnen werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Thomas Wimmer, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik (BVL), ist dennoch optimistisch: „Berufskraftfahrer, die durch Technologie ihren jetzigen Job verlieren, brauchen sich keine Sorgen zu machen – sie werden nämlich für den Betrieb, die Überwachung und Steuerung der neuen Systeme gebraucht. Technologie wird uns nur monotone Arbeit abnehmen können. Für viele in der Logistik anfallende Arbeiten, wie zum Beispiel das Kommissionieren, werden jedoch weiterhin dringend Menschen benötigt.“

Bei autonomen Nutzfahrzeugen ist Wimmer noch nicht so euphorisch, wie sich die Branche auf der IAA gerne gibt: „Autonome Lkw sind nur so gut, wie die Infrastruktur, in der sie zum Einsatz kommen. In abgesperrten Bereichen können sie aktuell funktionieren, doch fahren sie durch eine Stadt wird es schon deutlich schwieriger.“ Ohne die passenden Straßen und schnelles, flächendeckendes Internet bringe daher die beste Technologie nichts. Er schätzt, dass autonome Nutzfahrzeuge bis 2025 brauchen werden, um im Alltag auf absperrbaren Straßen Waren zu transportieren. Der autonome Stadtverkehr komme erst gegen 2030. Doch der Ingenieur ist sich sicher: „Wenn alles ideal läuft, wird uns die Digitalisierung eine enorme Effizienzsteigerung bringen.“

Nach und nach werde die gesamte Lieferkette digitalisiert. Dadurch führen Lkws immer die effektivsten Routen, reagierten schnell auf Planänderungen und seien die meiste Zeit des Tages auf der Strecke. Wohingegen Lkw heute nur 29 Prozent ihrer Zeit genutzt würden, könne die Auslastung 2030 schon 78 Prozent betragen, so das Ergebnis der Studie von Strategy&. Durch sogenanntes Platooning, bei dem Verkehrsteilnehmer mit Hilfe eines technischen Steuerungssystems in geringem Abstand hintereinander fahren können, werde Sprit gespart und die Staugefahr verringert. Ob auf dem engen Straßennetzwerk Europas dadurch so viel mehr gespart werden kann, wie auf den langen Highways Nordamerikas, ist jedoch fraglich. BVL-Geschäftsführer Wimmer jedenfalls sieht in der Technik großes Potenzial.

Gefragt: Alternativer Antrieb beim Lkw

Doch autonomes Fahren ist noch Zukunftsmusik. Der wichtigste Trend ist aktuell der alternative Antrieb, vor allem der elektrische. In einer Studie der Managementberatung Bain & Company sagen 40 Prozent der potenziellen Lkw-Käufer, ihr nächster Truck soll einen alternativen Antrieb haben. Weniger als ein Drittel glaubt, dass der Großteil ihrer Flotte langfristig noch durch Diesel betrieben wird. „Truck-Hersteller sollten den Kundenwunsch nach alternativen Antrieben ernst nehmen. Wer hier schnell und flexibel reagiert, sichert sich die Loyalität seiner Kunden und gewinnt neue“, sagen die Berater. Der Markt sei riesig.

Das wollen die Nutzfahrzeughersteller für sich nutzen: So stellte Daimler erst kürzlich seine Studie Vision Urbanetic vor. Das Elektrofahrzeug fährt autonom und dient als Plattform für verschiedenen Aufsatzkabinen, mit denen entweder Personen oder Waren befördert werden können. Volvo präsentierte seine Studie Vera, die das Transportwesen revolutionieren soll - auch hier fahren die Zugmaschinen elektrisch und autonom.

Gerhard Nowak, Partner bei Strategy&, resümiert: „Für Lkw-Hersteller schwindet durch den Wandel zum autonomen Truck die Bedeutung von Ausstattungsmerkmalen und Fahrkomfort - in Zukunft geht es darum, die bessere Kostenbilanz pro Kilometer zu bieten.“ Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten Lkw-Hersteller zusätzliche Geschäftsmodelle mit Mobilitätsdienstleistungen entwickeln. „Mobility-as-a-Service“ nennt er diesen Trend, bei dem Nutzfahrzeuge weniger als Besitz, sondern eher als Dienstleistung gesehen werden.

Auch Bain & Company kommt zu dem Ergebnis, dass Kunden die Kosten pro Kilometer deutlich wichtiger sind als Design und Ausstattung. “Da sich alle europäischen Marken einer gemeinsamen Schwelle von Qualität und Leistung nähern, suchen die Eigentümer nach anderen Möglichkeiten, den Wert zu messen“, resümieren die Studienautoren. Durch autonomes und elektrisches Fahren könnten die Preise für Kauf und Betrieb deutlich fallen. Das sei eine gute Chance für Hersteller, aus der Masse herauszustechen.

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