Viele Diesel sind im Winter dreckig
Nun also auch Hamburg: Der neue Luftreinhalteplan des Senats der Hansestadt sieht vor, dass bald nur noch Diesel, die die Euro-6-Norm erfüllen, über wichtige Hauptverkehrsadern fahren dürfen. Die Mehrheit der Diesel-Autos und -Lkw, die nur die Norm Euro-5 oder älter erfüllen, dürfen diese Straßen nicht mehr nutzen – unter anderem Teile der Max-Brauer-Allee in Altona.
Warum Hamburg diesen Schritt geht, ist klar: Die Luftqualität in der Innenstadt ist anhaltend schlecht. Dafür mitverantwortlich sind Diesel-Autos, keine Frage. Ob es richtig ist, Euro-5-Diesel auszusperren und neuere (und zumindest auf dem Prüfstand saubere) Euro-6-Diesel zu erlauben, muss hingegen in Frage gestellt werden. Nicht nur die Tests des ADAC haben gezeigt, dass so mancher Euro-6-Diesel auf der Straße dreckiger ist als ein älteres Euro-5-Modell. Auch das Umweltbundesamt kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Ohne Frage ist: Die Hamburger Lösung ist falsch. Die partiellen Fahrverbote lösen das Problem nicht, sie verschärfen es nur. Die Stadtregierung sieht in ihrem Plan keinen „gravierenden Eingriff“. Es sei „vertretbar, weil für den Durchfahrtverkehr leistungsfähige Alternativrouten existieren“. Soll heißen: Ältere Diesel-Autos sollen einen Umweg fahren.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Und genau das wird zum Problem: Euro-6-Diesel sind erst seit wenigen Jahren auf dem Markt, entsprechend gering ist ihr Anteil am Fahrzeugbestand. Der große Teil der Diesel-Fahrer in Hamburg müsste dann Umwege fahren. Damit fallen die Emissionen zwar nicht mehr an den Hauptverkehrsadern (und den dort aufgestellten Messstationen) an. Umso mehr aber in den Nebenstraßen und Wohngebieten, durch die ihre neue Pendelstrecke dann führen wird.
Selbst ein komplettes Innenstadt-Verbot hilft kaum
Wegen der Umwege, und sei es nur ein Kilometer, wird nicht nur die gesamte Feinstaub- und Stickoxid-Belastung im Stadtgebiet steigen, sondern das auch noch direkt vor der Haustüre der Hamburger Bürger.
Selbst ein komplettes Fahrverbot in der Innenstadt ist nur ein Teil der Lösung – denn auch hier werden die Emissionen nicht verhindert, sondern nur verlagert. Eine dauerhafte Lösung kann nur erzielt werden, wenn die dreckigsten Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden.
Doch das ist – wen wundert es – von heute auf morgen nicht möglich. Es kommt einer Enteignung gleich. Und bei den Euro-5-Dieseln reden wir nicht von irgendeiner in die Jahre gekommenen Technologie: Noch im Jahr 2015 durften solche Autos neu zugelassen werden. Soll heißen: Die Behörden haben ihre Zustimmung gegeben, dass der Wagen und die verbaute Technologie in Ordnung sind und den Vorgaben entsprechen.
Wenn dieses Versprechen jetzt nicht mehr gelten soll, machen es sich Politik und Gesetzgeber zu einfach, indem sie mit dem Finger auf die böse Autoindustrie zeigen. Die Vorschriften und Kontrollen sowie der über Jahre geprägt Fokus auf den Schadstoff CO2 haben die aktuellen Motoren samt ihren Emissionen begünstigt, wenn nicht gar verursacht.
Das soll die Autobauer nicht von ihrer Mitschuld freisprechen. Sie haben jahrelang in Grauzonen gearbeitet, haben Schlupflöcher in den Normtests ausgenutzt und damit unrealistisch niedrige Verbrauchs- und Emissionsangaben erzielt. Hauptsache mit möglichst wenig (finanziellem) Aufwand die Vorgaben erfüllt. Und kein bisschen mehr.
Wie die Adblue-Technik funktioniert
Verbrennt Diesel in Motoren, entstehen Rußpartikel und Stickoxide. Die Partikel dringen in die Lunge ein und können Krebs verursachen, Stickoxide reizen die Schleimhäute der Atemwege und Augen und erhöhen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie fördern zudem die Ozonbildung. Damit möglichst wenig der Schadstoffe in die Umwelt gelangt, werden in modernen Fahrzeugen die Abgase in zwei oder drei Stufen gereinigt – zumindest in der Theorie.
Ist die Verbrennungstemperatur im Motor hoch, entstehen wenig Partikel, aber viel Stickoxide. Bei niedrigen Temperaturen ist es umgekehrt.
Der erste Katalysator filtert rund 95 Prozent der Rußpartikel heraus.
Sensoren messen die Stickoxidkonzentration im Abgas. Die Kontrolleinheit spritzt entsprechend Adblue (Harnstofflösung) in den zweiten Katalysator.
Das Adblue reagiert im zweiten Katalysator – das Verfahren heißt selektive katalytische Reduktion (SCR) – zu harmlosem Wasser und Stickstoff. Mehr als 95 Prozent der Stickoxide werden so entfernt.
Nicht alle modernen Dieselfahrzeuge verfügen über die effektive, aber teure Adblue-Technik. Eine Alternative ist der NOx-Speicherkatalysator. Darin werden auf Edelmetallen wie Platin und Barium die Stickoxide gespeichert. In regelmäßigen Abständen wird der Speicherkatalysator freigebrannt, dabei werden die Stickoxide zu unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoffen – und/oder Kohlenstoffmonoxid – weiter reduziert. Zum Teil werden auch SCR- und NOx-Speicherkatalysatoren kombiniert – wie etwa im BMW X5.
Dass es inzwischen möglich ist, die Grenzwerte auch bei niedrigen Außentemperaturen einzuhalten, zeigen unter anderem zwei von der betont kritischen Deutschen Umwelthilfe (DUH) getestete Diesel-Autos – eines von Mercedes, eines von Audi. Das heißt aber noch nicht, dass die inzwischen diskutierten Nachrüst-Lösungen für ältere Diesel praktikabel sind. Denn die neuen Motoren wurden konsequent auf diese Anforderungen hin entwickelt. Nachträgliche Änderungen bei älteren Motoren können kaum ähnliche Effekte bringen. Es ist zudem gar nicht bei allen Motoren möglich – und selbst wenn, ist die Entwicklung teuer und zeitaufwändig.
In die Lage, in die sich Gesetzgeber und Autoindustrie gemeinsam manövriert haben, kommen sie auch nur gemeinsam wieder heraus. Eine nachhaltige Lösung kann nur aus einer ideologiefrei geführten Diskussion entstehen – zwischen den Unternehmen, der Bundespolitik und den Städten. Eine zwei Jahre alte Technologie plötzlich auszusperren, kann keine nachhaltige Lösung sein – und Fahrverbote auf einigen wenigen Straßen genauso wenig.