Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber rechnet im Zuge der Einführung neuer Abgasmessungen mit einer deutlichen Anhebung der CO2-Ziele. „Der neue Testzyklus wird für uns eine zusätzliche Verschärfung von zehn bis 20 Gramm für die Zeit nach 2021 bringen“, sagte Weber.
Der sogenannte WLTP-Messzyklus („Worldwide Harmonized Lights Vehicles Test Procedures“) löst das bisherige Messverfahren 2017 schrittweise ab. „Das unterstützen wir aktiv“, sagte Weber. Der Unterschied zwischen den zertifizierten Werten und dem realen Fahrbetrieb müsse angeglichen werden. „Die Verunsicherung bei den Kunden bezüglich dieser Werte ist derzeit groß.“
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Im Zuge des VW-Abgasskandals ist die Debatte über die Überprüfung von Abgaswerten erneut aufgeflammt. 2017 soll das neue WLTP-Testverfahren eingeführt werden, das mehr Fahrsituationen abdeckt, allerdings nach wie vor auf dem Prüfstand stattfindet. Darüber hinaus wird innerhalb der EU über realistischere Tests von Dieselwagen auf der Straße diskutiert - sogenannten „Real Driving Emissions“ (RDE).
Daimler unterstütze diese Messungen unter realen Bedingungen, sagte Weber. „Dies wird zukünftig für deutlich mehr Klarheit sorgen“, aber: Der Verbrauch hänge immer auch vom Fahrer ab. „Wenn wir heute einen Wert von 4 oder 4,5 Litern pro 100 km zertifizieren, kann ein vernünftiger Fahrer diesen Wert auch auf der Straße erreichen“, sagte Weber. „Der Wert kann aber auch um cirka 20 Prozent nach oben abweichen, wenn man etwas flotter unterwegs ist.“
Die Maßgaben des WLTP vorwegnehmen will Weber noch nicht. Opel hatte angekündigt, 2016 den CO2-Ausstoß seiner Fahrzeuge gemäß des neuen Verfahrens zu veröffentlichen. Daimler versuche seine Autos zwar schon intern nach den neuen Maßgaben zu bewerten. „Wir können das aber nicht veröffentlichen, weil die genaue Definition des Prüfzyklus' noch aussteht“, sagte Weber. „Es bringt nichts, wenn jeder Hersteller jetzt seine eigenen Messungen macht, bevor das Gesetz da ist.“
Bis 2021 müssen die Stuttgarter ihren Flottenwert auf 100 Gramm CO2 je Kilometer trimmen. In diesem Jahr habe Daimler eine Reduzierung von fünf Gramm auf 124 Gramm geschafft. „Wir haben einen überproportionalen Schritt gemacht. Jetzt wird die Kurve abflachen“, sagte Weber. Die höhere Zahl von Kompaktmodellen und Spritspartechnologie in größeren Fahrzeugen habe dazu beigetragen. Auch die fünf Plug-In-Hybride, die mit Strom und Benzin fahren, zeigten Wirkung. 2011 lag der Wert noch bei 150 Gramm.
Genau wie andere Autobauer sind die Stuttgarter auf den Diesel angewiesen, um die Vorgaben beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) zu erreichen. Bei Daimler liegt der Dieselanteil in Europa bei mehr als zwei Dritteln der verkauften Fahrzeuge. „Der Diesel ist etwa zehn Prozent effizienter als der Benzin- bzw. Otto-Motor“, sagte Weber. Für die neue E-Klasse sei eine neue Diesel-Motor-Generation in Vorbereitung, die die bisherige Abgasnachbehandlung weiterentwickele. „Müssten wir auf Diesel komplett verzichten, müssten wir etwa acht bis zehn Gramm CO2 zusätzlich kompensieren.“ Bislang sei der VW-Abgasskandal in Daimlers Absatzzahlen aber überhaupt nicht zu spüren.
„Das Auto der Zukunft hat null Emissionen. Das geht aber nicht über Nacht“, sagte Weber. Er rechne damit, dass sich die Energiedichte der bislang verwendeten Lithium-Ionen-Akkus verdoppeln werde, während sich die Kosten halbieren.
Für die Zukunft tüftelt Daimler wie andere Hersteller an Brennstoffzellentechnologie. „Sie bietet hohe Reichweiten, kurze Betankungszeiten und eignet sich auch für größere Fahrzeuge. Deshalb haben wir uns für ein Brennstoffzellenauto auf Basis unseres GLC entschieden“, kündigte Weber an. Der sportliche Geländewagen war in diesem Jahr als Nachfolger des GLK auf den Markt gekommen. Das Wasserstoff-Fahrzeug ist für 2017 bis 2018 geplant.