Oberlandesgericht Braunschweig VW hätte 2008 Dieselmanipulation offenlegen müssen

Der Autobauer Volkswagen hat im Rahmen des Dieselabgas-Skandals einbüßen müssen. Quelle: REUTERS

Im Mammutprozess um Aktionärsklagen gegen Volkswagen wegen des Dieselskandals hat der Autobauer einen Rückschlag erlitten. Das Oberlandesgericht entschied, dass das Handeln der Vorstandsebene entscheidend war.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der milliardenschwere Musterprozess von Investoren zur Volkswagen-Dieselaffäre schreitet voran: Die Richter haben ihre Sicht auf eine zentrale Frage des Verfahrens geäußert und sich zur Mitteilungspflicht auf dem Finanzmarkt positioniert. Der Senat gehe davon aus, dass die Entscheidung zum Einbau von unzulässigen Abschalteinrichtungen in Fahrzeuge für den US-amerikanischen Markt bereits im Jahr 2008 eine sogenannte Insiderinformation darstellte, teilte das Oberlandesgericht Braunschweig am Donnerstag mit.

Diese Information hätte dem Kapitalmarkt durch eine Ad-hoc-Pflichtmitteilung bekannt gegeben werden müssen, hieß es zu dem Hinweisbeschluss weiter. Ob sich aus dem Unterlassen dieser Nachricht Schadenersatzansprüche für Anleger bis Juli 2012 ergeben, hängt nach Auffassung des Senats vor allem davon ab, ob ein Vorstandsmitglied Kenntnis von der Manipulation hatte. Denn nur eine Kenntnis auf dieser Ebene könne der Volkswagen AG zugerechnet werden. Ein Beweis dafür müsste von den Klägern erbracht werden.

Für die Zeit nach 9. Juli 2012 muss den Richtern zufolge die VW AG beweisen, dass das Unterlassen der Mitteilung durch den Vorstand weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Als Grund für die beiden Zeiträume vor und nach Juli 2012 nannte der Senat Verjährungsfristen. Die Parteien sollen nun Stellung nehmen, die Verhandlungstermine sind daher bis einschließlich Februar 2022 aufgehoben.
In dem Prozess nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) wird seit mehr als drei Jahren verhandelt. Im Zentrum steht die Frage, ob VW die Märkte rechtzeitig über den Skandal um Millionen von manipulierten Dieselmotoren informierte. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Der Autobauer bekräftigte am Donnerstag, dass der Vorstand bis in den Sommer 2015 keine gesicherten Erkenntnisse über eine nach US-Recht verbotene Abschalteinrichtung („Defeat Device“) gehabt habe. Im Konzern sei man weiter überzeugt, Veröffentlichungspflichten gegenüber Aktionären und dem Kapitalmarkt erfüllt zu haben, sagte eine Sprecherin.

Die Klägerseite sieht in dem Beschluss Licht und Schatten. Die gute Nachricht sei, dass es sich auch aus Sicht der Richter, um eine Insiderinformation gehandelt habe, sagte ein Sprecher, der die Musterklägerin, die Fondsgesellschaft Deka Investments, vertritt. Allerdings gehe es wohl nicht mehr um Verantwortlichkeit auch auf der Bereichsleiterebene, sondern nur noch um den Vorstand.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Wer wann was wie detailliert über die Täuschungssoftware in Millionen Autos wusste, ist auch Hauptgegenstand im Betrugsprozess gegen den früheren VW-Vorstand Martin Winterkorn und vier weitere Führungskräfte des Konzerns. In dem Verfahren des Landgerichts Braunschweig, das aus gesundheitlichen Gründen derzeit ohne Winterkorn verhandelt wird, überziehen die anderen vier Angeklagten ihn und sich gegenseitig mit Vorwürfen.

Mehr zum Thema: Volkswagen ist im wichtigsten Absatzmarkt China aus dem Tritt geraten. Konzernchef Herbert Diess hat schon im Sommer Alarm geschlagen. Nun löst er den amtierenden China-Chef Stephan Wöllenstein ab. Was dessen Nachfolger bewältigen muss.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%