Diskussionen über die Höhe der Boni für den Vorstand sind da wohl wenig hilfreich.
Genauso wie die unterschiedlichen Kundenentschädigungen und die andauernde Unklarheit über die Mitwisserschaft von noch aktiven Managern.
Wie bewerten Sie in Anbetracht dessen Werbebotschaften wie: „Es geht um mehr als ein Auto, es geht darum Versprechen zu halten“, die VW nach Bekanntwerden des Skandals lancierte?
Solche Werbeslogans sind weiter nichts als ein Versprechen für die Zukunft – so wird die Krise nicht bewältigt. Vertrauen entsteht durch gehaltene und nicht durch abgegebene Versprechen.
Gibt es aus ihrer Sicht irgendwelche vergleichbaren Skandale, von denen VW lernen kann? Andere Autobauer haben mit Todesfällen zu kämpfen gehabt – ob defekter Airbags oder Bremsen.
Das sind jeweils völlig unterschiedliche Fälle. Dabei ging es um technisches Versagen – bei VW hat es eine andere Dimension, es geht um Vertrauensmissbrauch, um das Entkoppeln von Unternehmens- und Kundeninteressen. VW scheint sich aufgrund seiner Machtposition nicht mehr dem Kunden verpflichtet zu fühlen. Doch das ist das, was VW zu einem der erfolgreichsten Automobilkonzerne der Welt gemacht hat.
Nutzt es VW, dass nun bekannt wurde, dass auch andere deutsche Hersteller problematische Abgaswerte haben?
Das bezweifle ich. Die Probleme der anderen Hersteller machen die Krise für VW nicht schlimmer, beschädigen aber weiter die Marke „Made in Germany“. Profit wird VW daraus nicht schlagen können.
Was bei der Rückruf-Aktion auf VW-Besitzer zukommen könnte
Das Kraftfahrtbundesamt hat angeordnet 2,4 Millionen VW-Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Laut Plan sollen im Januar 2016 die ersten Autos in die Werkstätten. Bis zum Ende des kommenden Jahres könnten dann alle betroffenen Autos überholt sein. In einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte VW-Chef Matthias Müller aber zuvor auch nicht ausgeschlossen, manche Autos komplett auszutauschen, anstatt sie umzurüsten: „Das muss man im Einzelfall prüfen.“
Es geht bei den Nachbesserungen nicht nur um die Manipulations-Software. Für die meisten Motoren genüge es zwar, wenn ein neues Programm aufgespielt werde, sagte Müller. Manche Autos könnten aber auch neue Einspritzdüsen und Katalysatoren bekommen. Die Umrüstung ist auch deshalb kompliziert, weil der betroffene Motortyp EA 189 in zahlreichen Kombinationen und Ländervarianten verbaut ist. Motorenexperte Prof. Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau hält es aber für möglich, dass Volkswagen keine komplett neue Technik entwickeln muss: „Es kann durchaus sein, dass VW auf eine Lösung zurückgreift, die der Konzern schon heute in seine neue Motorengeneration einbaut.“ Diese neuen Aggregate erfüllen die strengeren Umweltauflagen der Euro-6-Norm.
Das ist möglich. Durch die Umrüstung könnten sich die Leistung und der Spritverbrauch ändern, sagt Getzlaff. Es müsse aber nicht unbedingt so sein, dass das Auto dann langsamer wird und mehr verbraucht. VW-Chef Müller sagte, es sei wichtiger, „das CO2-Ziel zu halten und dafür vielleicht auf 3 bis 5 km/h Höchstgeschwindigkeit zu verzichten“.
Autokäufer müssten sich vermutlich zunächst mit dem Verkäufer des Autos streiten - in den meisten Fällen also mit dem Händler, nicht mit dem VW-Konzern, erklärt Thomas Rüfner, Rechtsprofessor an der Universität Trier. Es sei möglich, dass der Händler Autos zurücknehmen müsse. Dafür müssten aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: erhebliche Mängel, also dass das Auto nach der Umrüstung zum Beispiel deutlich langsamer fährt oder viel mehr Sprit verbraucht. Der Kauf darf auch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. „Der Autokäufer würde vermutlich den kompletten Kaufpreis zurückbekommen, müsste aber wohl nachträglich für die Nutzung des Autos zahlen“, sagt Rüfner. Wenn sich die Fahreigenschaften des Autos nur in geringem Maße ändern, könne aber der Kaufpreis gemindert werden.
Eine VW-Kundin, die ihr Auto im Jahr 2010 gekauft hat, versucht das bereits. Sie hat eine Klage direkt gegen den VW-Konzern eingereicht, unter anderem wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Frau sehe sich in ihrer Erwartung enttäuscht, ökologisch unterwegs zu sein, teilte ihr Anwalt mit. Ein VW-Sprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.
Dazu hat sich VW bislang nicht geäußert. Autohersteller sind dazu jedenfalls nicht gesetzlich verpflichtet, sagt Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Autohersteller wie Toyota hatten einen solchen Service bei Rückrufen in der Vergangenheit schon angeboten, allerdings ging es da um weniger Autos als bei Volkswagen. Emmrich zufolge stellen Händler und Hersteller nur in Ausnahmefällen ein Leihauto zur Verfügung.
Glauben Sie, die Marke VW wird noch einmal zu ihrem alten Glanz zurückfinden können?
Das glaube ich durchaus. Aber dafür muss das Management erst einmal verstehen, dass es nicht nur die Aufgabe der Kommunikationsabteilung ist, die Reputation wiederherzustellen. Slogans wie der von Ihnen zitierte helfen nicht. Die Glaubwürdigkeit kehrt nur zurück, wenn jeder im Unternehmen versteht, dass er eine Außenwirkung hat, dass er Teil des Marketings ist. Jeder Manager, jeder im Aufsichtsrat, jeder Mitarbeiter – egal ob er in der Produktion verantwortlich ist oder Finanzkennzahlen veröffentlicht. Sie alle müssen deutlich machen, dass der Kunde im Mittelpunkt des Handelns steht. Die Signale, die aktuell nach Außen gehen, sprechen nicht dafür.