VW-Hauptversammlung Große Demut in Hannover

Nach der aggressiven Hauptversammlung 2016 bemüht sich Volkswagen in diesem Jahr sichtlich um Demut vor den Aktionären. Der Blick soll wieder nach vorne gerichtet werden. Doch das gelingt nur teilweise.

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VW-Chef Matthias Müller während der Hauptversammlung. Quelle: dpa

Es war mehr als heftiger Gegenwind, der den Damen und Herren auf dem Podium in der Halle 3 des Hannoveraner Messegeländes entgegenschlug. Die Stimmung auf der Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns 2016 war aggressiv, die Verbitterung und Enttäuschung über die millionenfache Abgas-Manipulation und das Verhalten des Managements groß. Sogar von krimineller Energie und Vollkasko-Mentalität war die Rede. „Es ist schon fast eine Binsenweisheit, dass die Führung von VW nicht den Standards einer guten Unternehmensführung entspricht“, schimpfte Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der kritischen Aktionäre. „Das ist vor allem die Schuld des Aufsichtsrats. Herr Pötsch, einen Neuanfang kann es mit Ihnen nicht geben!“

Elf Monate später – die Hauptversammlung war im vergangenen Jahr wegen des Abgasskandals verschoben worden – steht Hans Dieter Pötsch wieder am Pult vor den versammelten Volkswagen-Aktionären. Die Kritik von damals ist weitestgehend abgeklungen – der mangelnde Aufklärungswille, die Boni-Debatte über das Vergütungssystem, die Milliarden-Verluste. Selbst vom britischen Hedgefonds TCI, der den Konzern im vergangenen Jahr scharf attackiert hatte, kommen inzwischen versöhnliche Töne.

Wie sich die Lage in den vergangenen elf Monaten geändert hat, lässt sich an einem Wort festmachen. Sprach Pötsch im Jahr 2016 immer von der „Dieselthematik“ – ein Begriff, den die VW-Hausjuristen erdacht haben –, wich er bei der Hauptversammlung 2017 vom Redemanuskript ab. Statt von der „Dieselthematik“ sprach Pötsch vor den Aktionären erstmals offen von der „Dieselkrise“.

Die wichtigsten Eckdaten aus der VW-Konzernbilanz 2016


Elf Mal habe der Aufsichtsrat 2016 getagt oder sich zu einer Telefonkonferenz zusammengefunden, berichtet Pötsch. „Das zeigt, wie ernst es der Aufsichtsrat mit der Aufklärung der Dieselkrise meint“, sagt der Vorsitzende. Das Aktionärsplenum bleibt still – im vergangenen Jahr hätte es hier noch Zwischenrufe gegeben. 2017 wird Pötsch in seiner Rede nur einmal unterbrochen: Als er rund 20 Minuten lang das komplexe System zur Vorstandsvergütung erklärt, ruft ein Anteilseigner laut: „Das versteht doch kein Mensch!“

Das operative Geschäft läuft wieder

Klar und deutlich wurde es an anderer Stelle. „Dem Aufsichtsrat ist bewusst, dass Volkswagen viele Kunden und Aktionäre enttäuscht hat“, sagt Pötsch. „Wir haben daraus gelernt und werden daraus lernen. Ich bin mir sicher, dass wir auf einem guten Weg sind.“

Ein Punkt, der Pötsch recht gibt: Trotz verschiedener Einbußen läuft das operative Geschäft. Im ersten Quartal verdiente der Konzern unterm Strich 3,4 Milliarden Euro. Aus VW-Sicht besonders positiv: In der Gewinnrechnung ist die Dieselaffäre abgegolten, VW hat im Auftaktquartal keinen einzigen Euro für Rechtsrisiken oder Strafzahlungen zurückgestellt. Für das Gesamtjahr 2015 musste der Konzern noch 16,2 Milliarden Euro zurückstellen, im vergangenen Jahr nochmals 6,4 Milliarden Euro. Wenn es gut läuft, reicht dieser Milliarden-Puffer für die noch offenen Prozesse und Zahlungen aus – und VW muss für 2017 keine weiteren Rückstellungen aufbauen.

von Harald Schumacher, Martin Seiwert, Saskia Littmann

Ein weiteres Indiz, dass ein ordentlicher Teil des Abgasskandals verdaut ist: Beim Umsatz konnte der Konzern im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent auf 217 Milliarden Euro zulegen. Und trotz des angestoßenen Kulturwandels in Wolfsburg immer noch wichtig: Volkswagen konnte auch beim Absatz zulegen und mit 10,39 Millionen verkauften Fahrzeugen Toyota als weltgrößten Autobauer überholen. Ausgerechnet im Jahr 1 nach Dieselgate.

Grund genug für ein neues Selbstbewusstsein? Nicht mit Konzernchef Matthias Müller. „Nach meiner Überzeugung ist Größe niemals Selbstzweck“, gibt sich der Vorstandsvorsitzende vor den Aktionären demütig. „Sie ist allenfalls das Ergebnis guter Arbeit.“ Um die öffentlich vorgetragene Haltung und den Bruch mit der früheren Konzernkultur deutlich zu machen, schiebt Müller hinterher: „Wir werden nicht mehr von neuen Rekorden angetrieben. Uns geht es darum, unsere Produkte immer besser zu machen. Und damit die Zukunft unseres Unternehmens zu sichern.“

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