




Wenn die reichsten Deutschen gekürt werden, stehen Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten ganz vorne: Das „Manager Magazin“ attestierte den beiden 2015 ein gemeinsames Vermögen von 26,5 Milliarden Euro. Der Großteil stammt aus Aktienpaketen von BMW: Stefan und Susanne halten jeder mehr als 20 Prozent der Stammaktien des Autobauers. Die öffentlichkeitsscheue Susanne Klatten ist den meisten Deutschen vor allem als Opfer eines Erpressers bekannt, auch dazu liefert Jungbluth als einer der wenigen Journalisten, die Zugang zu den Geschwistern haben, neue Details. Aber spannender ist die Story, wie BMW zu dem wurde, was es heute ist.

Die Wurzeln für den Reichtum der Quandts liegen beim 1849 geborenen Emil Quandt, der in eine Textilunternehmerfamilie einheiratete und die Firma mit Uniformen für das Kaiserreich groß machte. Der Armeeausstatter profitierte massiv vom Ersten Weltkrieg. Das Quandtsche Wirtschaftsimperium schmiedete Emils Sohn Günther. Mit welchen skrupellosen Methoden Günther Quandt nach 1918 in verschiedenen Branchen wie Kali-, Batterie- und Munitionsproduktion Firmen zusammenraffte, ist ein hochspannendes Stück Wirtschaftsgeschichte, ebenso die Schilderung der engen Verbindungen des Quandt-Imperiums zum NS-Regime, der Rüstungsproduktion und dem Einsatz von Zwangsarbeitern durch Quandt-Unternehmen im Zweiten Weltkrieg.
Die Stärke des Buches liegt aber auch darin, dem Leser die Quandts als Menschen nahezubringen. So ist eine interessante Facette von Günther Quandt seine zweite Ehe mit Magda Friedländer, der späteren Frau Goebbels, und die Beziehung der ganzen Familie zu der Nazi-Größe. Viel erfährt man auch über das Verhältnis von Günther zu seinem Sohn Herbert, den er trotz seiner schweren Sehbehinderung zu seinem Nachfolger heranzog.
Herbert war es, der in den 1950er Jahren heimlich begann, Aktienpakete des damals verlustbringenden Auto- und Motorradbauers BMW zusammenzukaufen. Hauptproblem war eine verfehlte Modellpolitik: BMW hatte nur Kleinwagen wie die Isetta und Generaldirektors-Karossen im Angebot. 1960 entschied Herbert Quandt, bei BMW die Zügel in die Hand zu nehmen und einen Sanierungsversuch zu wagen. Der Wagemut zahlte sich aus, BMW schaffte die Wende.
Die Quandts und BMW
Nach dem Tod des Unternehmers Herbert Quandt 1982 hatten seine Witwe Johanna und ihre beiden Kinder die BMW-Anteile und die Mehrheit am Chemiekonzern Altana geerbt. Johanna Quandt war ab 1982 im Aufsichtsrat, von 1986 bis 1997 war sie stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende. Dann überließ sie diese Arbeit ihren Kindern. Johanna Quandt hielt 16,7 Prozent, Sohn Stefan hält 17,4 Prozent und Susanne Klatten 12,6 Prozent an BMW.
Die starke Stellung der Familie hatte in den vergangenen Jahren für große Kontinuität bei dem Münchner Konzern gesorgt. Johanna Quandt habe dem Unternehmen „Rückhalt und Sicherheit gegeben“, sagte der Vorstandschef Harald Krüger der „Süddeutschen Zeitung“. Auch ihre Kinder haben gezeigt, dass sie nicht an schnellen Renditen interessiert sind, sondern langfristig denken.
Nach dem milliardenschweren Desaster durch die Übernahme des britischen Autobauers Rover hätten die Geschwister die Ablösung des damaligen Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder forciert, hatte das „Manager Magazin“ berichtet. „Auch den Chefwechsel von Joachim Milberg zu Joachim Panke leiteten die beiden ein.“
Der 50-jährige Stefan Quandt hatte in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und danach bei dem seiner Familie gehörenden Unternehmen DataCard in den USA und Hongkong gearbeitet. Dem Vater einer Tochter gehört neben dem BMW-Paket auch der Logistikkonzern Logwin.
Seine vier Jahre ältere Schwester Susanne hatte in England und in der Schweiz Betriebswirtschaft studiert. Die Mutter dreier Kinder wird von dem US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ als reichste Frau Deutschlands geführt, mit einem geschätzten Vermögen in zweistelliger Milliardenhöhe. Ihr gehören auch der Chemiekonzern Altana, und sie ist Großaktionärin bei dem Auto- und Flugzeugzulieferer SGL Carbon.
Anschaulich beschreibt Jungbluth auch die Entwicklung weiterer Quandt-Unternehmen wie Altana oder Varta und wie die junge Erbengeneration tickt. Auch wenn der Autor in den Passagen über Stefan Quandt und Susanne Klatten bisweilen etwas zu viel Bewunderung durchschimmern lässt: Die Lektüre des lebendig geschriebenen, gut recherchierten und detailreichen Buches lohnt sich.