
Der erste Versuch von Jaguar Land Rover, die Mittelklasse aufzumischen und den deutschen Platzhirschen Audi, BMW und Mercedes mit einem eigenen Premiummodell das Revier streitig zu machen, ging gründlich schief: Schnell sprach sich herum, dass es sich beim Jaguar X-Type, den das damals noch zum Ford-Konzern zählende Unternehmen im Frühjahr 2001 auf den Markt warf, um einen verkappten Ford Mondeo handelte. Der Wagen war lediglich aufgehübscht und in ein historisierendes Gewand gepackt worden.
Die Konzernstrategen hatten große Pläne: Jedes Jahr sollten rund 400.000 Jaguar X-Type abgesetzt werden. Am Ende wurden es nur 350.000 - in mehr als acht Jahren Produktionszeit. Ende 2009 wurde die Produktion des Modells, das auch unter mangelnder Zuverlässigkeit der Motoren und Getriebe sowie einem entsprechend hohen Wertverlust litt, eingestellt.
Erst jetzt wagt sich Jaguar erneut in das Revier, in dem Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse die größten Erfolge feiern: Anfang Juni startet in Deutschland offiziell der Verkauf des neuen Jaguar XE, einer schick gestylten Limousine. Zwei Jahre Entwicklungszeit, einen hohen dreistelligen Millionenbetrag und jede Menge Herzblut hat das Ingenieursteam Team um den deutschen Technikvorstand Wolfgang Ziebart in den Wagen gesteckt.
Vor allem die Motoren und die Abstimmung des Fahrwerks zeugen von der Expertise Ziebarts, der einst bei BMW die Entwicklung der "kleinen Baureihe" verantwortete und den 3er-BMW der vierten Generation zum Millionenseller machte. Der Jaguar XE ist für den Ingenieur die Krönung einer langen Laufbahn - und so etwas wie ein Abschiedsgeschenk: Am 1. April scheidet der inzwischen 65-jährige Ziebart als Technikvorstand bei Jaguar Land Rover aus und tritt den Ruhestand an. In seine Fußstapfen tritt der 47-jährige Nick Rogers, der bereits seit Jahren für den Konzern in den Bereichen Engineering, Produktion und Vertrieb tätig ist.
Im letzten großen Interview schildert Ziebart die wundersame Wiederbelebung von Jaguar und skizziert die weitere Modellplanung des Unternehmens:
WirtschaftsWoche: Wie britisch ist Jaguar Land Rover eigentlich noch?
Wolfgang Ziebart: Jaguar Land Rover ist aufgrund seines starken Wachstums inzwischen ein internationales Unternehmen. Wir haben eine starke Kampagne, um Arbeitskräfte in England zu rekrutieren, aber wir suchen auch in anderen Regionen Europas, wo Ressourcen zur Verfügung stehen.
Wie in Italien oder Frankreich…
…dort holen wir exzellente Leute.
Zur Person
Wolfgang Ziebart, 65, hat die Autoindustrie im Laufe seiner Karriere aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln kennengelernt. Der gebürtige Hannoveraner war nach einem Maschinenbau-Studium in München zunächst bei BMW in der Fahrzeugentwicklung tätig. Später war er für eine Elektronik-Tochter von BMW tätig und verantwortete bis zu seiner Berufung zum Technik-Vorstand des Automobilbauers die Entwicklung der Dreier-Baureihe. Ziebart wechselte später zum Autozulieferer Continental, wo er bis zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden aufstieg. Es folgten vier Jahre als Vorstandschef des Halbleiterherstellers Infineon sowie drei Jahre als Geschäftsführer des Sportwagenherstellers Artega. Beim britischen Autobauer Jaguar Landrover war der Vater von drei Kindern seit August 2013 als Technikvorstand im Einsatz.
Das Image der Marke leidet darunter nicht?
Die "Britishness" von Jaguar machte sich in der Vergangenheit an Holz, Leder und einem gewissen Retrostyling fest. Holz und Leder werden bei uns immer ein wichtiges Merkmal bleiben, aber die Zeiten sind vorbei, dass man sich allein darüber definieren kann. Die Technologie wird in Zukunft sicher wichtiger werden, vor allem in den Wachstumsmärkten.
2009 war das Unternehmen Jaguar Land Rover praktisch pleite. Heute steht das Unternehmen so gut da wie nie zuvor in seiner Geschichte. Erklären Sie mir doch mal die wundersame Heilung.
Das Unternehmen war sicherlich lange in einer schwierigen Situation. Nicht so sehr Land Rover – das Unternehmen hatte eigentlich immer solide Ergebnisse. Aber damals im Verbund mit Rover kam das nie richtig zur Geltung, weil das Unternehmen alles in den Schatten stellte, was Land Rover erwirtschaftete.
Sie haben die Phase damals als BMW-Vorstand hautnah miterlebt.
Oh ja. Mein Zimmer hier in der Zentrale hatte ich damals nur ein paar Meter weiter.





Seitdem ist viel passiert: Erst hat sich BMW von Rover samt Land Rover getrennt, dann war Ford Besitzer von Jaguar und Land Rover – und schließlich wurden beide Marken nach Indien verkauft.
Letzteres war ein Glücksfall. Jaguar und Land Rover sind exklusive Premiummarken. Wenn man hier erfolgreich sein will, muss man sich ganz auf den Kunden und das Produkt konzentrieren. Leder und Holz im Interieur reichen heute nicht mehr aus, um Käufer für ein britisches Premiumprodukt zu begeistern. Die Leute wollen auch die neuesten Technologien haben.
Vom Jaguar X-Type konnte man das nicht behaupten. Mit dem XE versuchen Sie sich nun erneut in dem Segment. Können Sie einen neuen Reinfall ausschließen?
Die Autos sind nicht miteinander zu vergleichen. Der neue Jaguar XE verfügt über eine Aluminiumstruktur und hocheffiziente Motoren, darunter unser neuer Dieselmotor aus eigener Fertigung...
Jaguar Land Rover in Zahlen
2013 war für Jaguar Land Rover das beste Verkaufsjahr weltweit, in 38 Ländern konnten die Briten Rekordergebnisse erzielen. Insgesamt fanden 425.006 Neuwagen der Marken Jaguar, Land Rover und Range Rover einen Besitzer, was einem Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Von 2011 (274.280 Autos) auf 2012 (357.773 Fahrzeuge) war der Zuwachs mit 30 Prozent noch größer. Auch im laufenden Jahr gehen die Geschäfte bei JLR gut: Im ersten Halbjahr wurden 240.372 Autos verkauft – ein Plus von weiteren 14 Prozent.
Am 31. März endete das Geschäftsjahr 2013/2014 mit einem Umsatz von 19,4 Milliarden Pfund. Vor Steuern blieb ein Gewinn von rund 2,5 Milliarden Pfund (umgerechnet 3,15 Milliarden Euro) beim Unternehmen übrig.
Gesamt: 80.000 Fahrzeuge
Jaguar XK: 3000 Fahrzeuge
Jaguar XJ: 20.000 Fahrzeuge
Jaguar XF: 49.000 Fahrzeuge
Jaguar F-Type: 9000 Fahrzeuge
Gesamt: 118.000 Fahrzeuge
Defender: 17.000 Fahrzeuge
Discovery: 45.000 Fahrzeuge
Freelander: 56.000 Fahrzeuge
Gesamt: 236.000 Fahrzeuge
Range Rover: 46.000 Fahrzeuge
Range Rover Sport: 67.000 Fahrzeuge
Evoque: 123.000 Fahrzeuge
Seit 2009 hat sich die Zahl der Beschäftigten mit 30.000 mehr als verdoppelt. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden 12.000 neue Stellen geschaffen.
…mit vier Zylindern. Auf dem Papier sieht das nicht nach Premium aus.
Unsere Motoren sind echte Leckerbissen in allen technischen Details. Der Dieselmotor hat, wo immer es geht, Nadel- und Rollenlager statt Gleitlager. Allein die kosten sehr viel Geld, aber erhöhen aufgrund niedriger Reibwerte nochmals die Effizienz des Aggregats. Auf diese Weise emittiert ein relativ großes Fahrzeug nur 99 Gramm CO2 pro Kilometer. Die besten Wettbewerber aus Deutschland in dieser Klasse liegen bei 103 Gramm.
Sie wollen mit aller Macht Jaguar an die Spitze setzen?
Nein, aber wir wollen uns sicherlich anschließen. Jeder andere Anspruch würde meine Ingenieure unterfordern (lacht).