Bahnstreik Lokführer gehen auf Kollisionskurs

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Wie weit liegen die Parteien auseinander?

Eigentlich ist die Differenz auf dem ersten Blick nicht sehr hoch. In dem Branchentarifvertrag zwischen der Eisenbahnergewerkschaft EVG, Deutsche Bahn und den Wettbewerbern (G6) liegen die Lohnunterschiede bei maximal 6,25 Prozent. Lokführer der Wettbewerbsbahnen liegen also nur noch geringfügig unterhalb der Löhne beim Staatskonzern. Die Parteien feierten das Ergebnis bereits als fairen Ausgleich. Insbesondere die G6-Gruppe unter Vorsitz der Unternehmen Benex und Veolia betonten wiederholt, dass der Branchentarifvertrag die „spezifischen Erfordernisse und Charakteristika der Nahverkehrsbranche“ anerkenne. Obwohl die G6-Gruppe sich beim Lohn recht weit an das Niveau der Deutschen Bahn heran wagte, behielten die Unternehmen ein Stück Flexibilität. Diesen Wettbewerbsvorteil will die GDL einkassieren. Aus dem Umfeld der Arbeitgeber ist zu hören, die GDL hätte sich bislang keinen einzigen Zentimeter bewegt. Sie fordert weiterhin ein Lohnniveau von 105 Prozent des derzeitigen DB-Tarifs und sei zu keinerlei Zugeständnisse bereit. Eine Schlichtung lehnte die GDL bislang kategorisch ab.Insofern sind die Fronten durchaus verhärtet. Die Nahverkehrsunternehmen argumentieren, der Job eines Lokführers in einem Regionalexpress oder bei einer S-Bahn sei leichter als die Arbeit im Schienengüter- und Fernverkehr, wo grenzüberschreitende und ermüdende Nachtfahrten die Regel seien.

Geht es der GDL nur um bessere Löhne?

Nein. Die GDL fordert auch, die Lokführer künftig besser gegen Berufsunfähigkeit abzusichern. Pro Jahr gebe es im Schnitt 800 Suizidfälle, und nicht jeder Lokführer könne nach einem Unfall mit Personenschaden weiterfahren. Deshalb müsse er tarifvertraglich geschützt, statt in die Arbeitslosigkeit entlassen zu werden. In diesem Punkt dürfte es im Laufe der Verhandlungen Annäherung geben. Entscheidend für die starre Haltung der GDL ist aber ein ganz anderer Aspekt. Vor drei Jahren haben die Lokführer in einer harten Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn einen eigenständigen Tarifvertrag erzwungen. Seit 2008 kann nur noch die GDL Löhne und Arbeitsbedingungen der Lokführer mit der Deutschen Bahn verhandeln. Die GDL steht dadurch im Wettstreit mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG, die erst jüngst durch die Fusion der beiden Eisenbahnergewerkschaften Transnet und GDBA entstanden ist. Vor allem bei den Wettbewerbsbahnen sind EVG und GDL erbitterte Feinde, da beide Gewerkschaften um die Gunst der Lokführer buhlen. Beide Gewerkschaften haben bei den G6-Bahnen Mitglieder. Nun geht es vor allem GDL-Chef Weselsky darum, sich als besserer Vertreter der Lokführer zu profilieren und der EVG Mitglieder abzujagen. Nach eigenen Angaben vertritt die GDL bislang 70 bis 80 Prozent der Lokführer in Deutschland. Da ist noch Potenzial.

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