Kindergarten. Schadenfreude. Delicatessen. Und demnächst auch – Hausbank? Wenn es nach Christian Sewing geht, sollte dieses deutsche Wort wohl alsbald einen festen Platz im englischen Sprachsatz finden. Und zwar als Synonym für die von ihm geführte Deutsche Bank. Die soll nach dem Willen ihres Chefs in den kommenden vier Jahren so richtig durchstarten und ihren über Jahre leidgeprüften Aktionären eine stets wachsende Freude machen. Und zwar als „global Hausbank of choice.“
Details zu diesem Plan hat die Deutsche Bank nun vor Investoren ausgebreitet. Bis vor wenigen Wochen war dieser Termin einer der meist erwarteten in der Frankfurter Finanzwelt. Denn er markiert für Sewing eine Zäsur – und Reifeprüfung.
Als der damalige Privatkundenvorstand vor knapp vier Jahren an die Spitze der Bank rückte, sollte er vor allem eins tun: möglichst entschlossen sparen. Die Bank hatte damals immer wieder die Erwartungen der Investoren enttäuscht und galt als so angeschlagen, dass viele damals glaubten, Sewing habe den Job vor allem deshalb bekommen, weil ihn sonst keiner wollte.
Seitdem ist es vor allem wegen eines so nicht vorhersehbaren Booms im Investmentbanking deutlich besser gelaufen als es selbst Optimisten erwartet hatten. Sewings Notrettungsmission kann deshalb als vorerst glücklich abgeschlossen gelten. Aber was kommt jetzt? Kann der Sparmeister mehr bieten als Aufrufe zur Disziplin und eine Rückbesinnung auf traditionelle Stärken?
Zumindest bemüht er sich nach Kräften, die Rolle des weitblickenden Strategen auszufüllen. Immer wieder betont er den langfristigen Fokus und richtet den Blick über 2025 hinaus. Auf alle großen Trends, die die kommenden Jahre prägen werden, soll die Deutsche Bank bestens vorbereitet sein. Vom Kampf gegen den Klimawandel etwa will sie mit einem weiteren Ausbau nachhaltiger Finanzierungen profitieren. Sewing macht immer wieder klar, dass es künftig um eine Wachstumsstory geht. Die Erträge sollen 2025 von aktuell 25 auf 30 Milliarden Euro steigen und so die Eigenkapitalrendite von aktuell angepeilten acht über die Schwelle von zehn Prozent heben.
Im Detail wird schnell klar, dass der Optimismus ganz wesentlich auf einer Annahme fußt: auf höheren Zinsen. Mit der Unternehmensbank und dem Privatkundengeschäft sollen davon vor allem zwei Sparten profitieren, deren Ergebnisse in den vergangenen Jahren eher dahin dümpelten. Bis zu sieben Prozent sollen die Erträge hier nun jährlich zulegen – das ist deutlich mehr als das Marktwachstum und damit ein äußerst ambitioniertes Ziel. Für die Vermögensverwaltung und die Investmentbank fallen die Vorgaben nominell deutlich bescheidener aus. Allerdings hatten diese zuletzt auch von einer Sonderkonjunktur profitiert.
Parallel zum Wachstum will die Bank weiter sparen – und zwar kräftig. So sollen die Kosten abermals um zwei Milliarden Euro sinken. Das ist nach etlichen bereits absolvierten Sparrunden eine ehrgeizige Ansage, die an vielen Stellen im Konzern für Unruhe sorgen dürfte. Dass Sewing etwa in einem Nebensatz ankündigt, bis 2025 abermals jede dritte Filiale dichtzumachen, mag angesichts des digitalen Wandels realistisch sein. Für die Mitarbeiter dort, die auch während der Pandemie die Stellung hielten, ist es dennoch bedrückend.
Was die Bank an einer Stelle spart, will sie – zumindest teilweise – an andere wieder ausgeben. Aus eigener Kraft soll sie höhere Investitionen in Technologie und ausgewähltes Personal finanzieren. Und von höheren Erträgen und niedrigeren Ausgaben sollen dann endlich auch mal die Aktionäre profitieren – über eine jährlich um 50 Prozent steigende Dividende. Acht Milliarden Euro will die Bank so bis 2025 an ihre Anteilseigner ausschütten.
Die Ziele, die Sewing damit vorgibt, sind ehrgeizig – und zeigen das wieder gewonnene Selbstbewusstsein einer schon abgeschriebenen Institution. Realistisch sind sie dann, wenn wirklich alles glatt läuft – und genau das ist derzeit völlig offen.
Der Krieg in der Ukraine macht auch Sewings Ankündigungen fast zur Nebensache. Zwar hatte die Bank schon am Abend zuvor ihr tatsächlich ziemlich überschaubares Engagement bei russischen Kunden offengelegt. Und Sewing erklärte, dass die ersten beiden Monate 2022 besser gelaufen seien als im Jahr zuvor. Aber welche Folgen hat der Krieg für die Konjunktur? Wie betroffen sind ihre Kunden?
Es sind Fragen, die Sewing kaum seriös beantworten kann. So bleibt ihm nur der Verweis auf die Kompetenz des hauseigenen Risikomanagements. Und das Versprechen, dass die Bank auch in schwierigen Zeiten an der Seite ihrer Kunden stehe.
Die optimistischen Zukunftspläne stehen damit unter einem gewaltigen Vorbehalt. Denn sehen auch die Aktionäre. Fast wirkt es so, als hätten sie die Veranstaltung der Deutschen Bank fürs erste einfach ignoriert. Der Aktienkurs blieb nahezu unverändert.
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