Da hat die Commerzbank noch nicht verkündet, dass sie in den kommenden vier Jahren netto 7300 Stellen abbaut. Und da hat das amerikanische Justizministerium auch noch keine Strafe von umgerechnet 12,5 Milliarden Euro von der Deutschen Bank gefordert, die in dieser Höhe die Stabilität, gar die Existenz des Instituts bedroht. Und so hallen Feldmanns Worte heute nur noch seltsam nach, für Birgit Braitsch klingen sie gar wie Hohn. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich die Unterlagen, bunte Klebezettel sollen für Orientierung sorgen, und über ihrer Tastatur liegt ein großer Terminplaner. Kein Wunder, Braitsch muss sich in diesen Tagen um viele Projekte kümmern, die gebürtige Stuttgarterin leitet den Bereich Finanzdienstleistungen bei der Gewerkschaft Verdi in Hessen. „Der Aderlass bei den Banken hat gravierende Auswirkungen für die Beschäftigten und die Rhein-Main-Region“, sagt sie. Um ihre Jobs fürchten müssten vor allem gewöhnliche Angestellte, die nicht davon ausgehen könnten, schnell wieder eine Stelle zu bekommen. Jobs gäbe es in Frankfurt derzeit allenfalls bei Direktbanken. „Die Institute werden immer digitaler“, sagt Braitsch. Schon deshalb dürften der aktuellen Kürzungsrunde in den Frankfurter Türmen weitere folgen.
Die Lage ist trist, der Ausblick düster, niedrige Zinsen, harter Wettbewerb, strenge Regulierung und der digitale Wandel halten die Banken in einer Abwärtsspirale gefangen. Selbst ihr oberster Lobbyist findet kaum tröstende Worte. „Die Banken können weiter sparen und so die Effizienz verbessern“, gibt Michael Kemmer, Geschäftsführer des Bankenverbandes, als Zukunftskonzept vor. „Da bleibt wenig Raum für Visionen.“
Das macht den Job von Hubertus Väth nicht leichter, er muss die Bedenken ausblenden, aber Pessimismus ist auch nicht wirklich die Sache des 56-jährigen Geschäftsführers der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance. Von seinem Büro aus blickt er über den Main hinweg direkt auf die Zentrale der EZB, aber allzu oft ist der Lobbyist dort derzeit nicht anzutreffen, er hetzt von einem Termin zum anderen, pendelt zwischen London, Frankfurt und dem Rest der Welt.
„Wir sind in einer ganz heißen Phase“, sagt Väth, der, wie er sagt, bei allen großen Banken der Welt vorspricht, um so viele wie möglich an den Main zu holen. Etwa jede zweite Woche sei er in der britischen Hauptstadt unterwegs, und das hat offensichtlich auf seine Sprache abgefärbt. Der Brexit sei „very real“, meint Väth, und das „greater Frankfurt“ habe gute Chancen, dass „Decisions“ auf den „Battlegrounds“ zu seinen Gunsten ausfielen. „Ich glaube, dass wir in der Poleposition sind“, sagt er mit Dauer-Siegeslächeln.
Dabei ist weiter völlig offen, wie viele der derzeit rund 400.000 Finanzjobs aus der britischen Hauptstadt tatsächlich abwandern, wie viele der insgesamt 2,2 Millionen Stellen, die dort an der Industrie hängen, ihnen folgen. Derzeit wickeln Banken mehr als ein Drittel ihres Großkundengeschäfts in der EU über die britische Hauptstadt ab, im Devisenhandel sind es 78 Prozent, bei Derivaten 74 Prozent. So bleiben wird das nicht. Bisher profitieren Institute vom sogenannten „Passporting“, das ihnen erlaubt Produkte von London aus in der gesamten EU anzubieten. Nach dem Brexit dürfte das so nicht weiter gelten. „Hände schweben bereits zitternd über dem Schalter, der die Umzugsentscheidung in Gang setzt“, sagte deshalb Anthony Browne, der Chef des britischen Bankenverbandes kürzlich.
Die Zukunft? Ungewiss
Doch die Beharrungskräfte sind stark. „Die meisten Banken werden versuchen, möglichst viel Personal in London zu halten“, sagt Stefan Wintels, Deutschlandchef der US-Bank Citi. Der Finanzplatz werde seine dominierende Rolle in Europa wohl behalten. Die Banken vor Ort seien jedoch gut beraten, „auf den besten Fall zu hoffen und für den schlechtesten zu planen“.