Wenn sich ein Vorstandschef mit einer Nachricht an alle seine Mitarbeiter wendet, hat er meist Außergewöhnliches mitzuteilen. Wenn er bloß Gewöhnliches mitteilt, muss die Situation außergewöhnlich sein. Das ist sie bei der Deutschen Bank in der Tat. Wieder einmal.
Eineinhalb Tage nachdem die britische „Times“ berichtet hatte, dass der Aufsichtsratschef Paul Achleitner die Suche nach einem Nachfolger von John Cryan eingeleitet habe, ist der Deutsche-Bank-Chef in die Offensive gegangen. Wenn man es denn so nennen will. Denn sonderlich offensiv sind seine Aussagen nicht. So versichert Cryan, sich weiterhin mit all seiner Kraft für die Bank einzusetzen und gemeinsam mit den Mitarbeitern den Weg gehen zu wollen, den sie vor rund drei Jahren angetreten sind. Zudem müsse sich die Bank weiter darauf konzentrieren, die mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Strategie umzusetzen. „Hier gibt es keinen Dissens“, schreibt Cryan.
Dass er den Weg tatsächlich weiter gehen wird, schreibt er nicht. Dass es in anderen Punkten keinen Streit gibt ebenso wenig. Beides wäre auch unglaubwürdig. Sein Verhältnis zu Aufsichtsratschef Achleitner ist schon länger belastet. Der Österreicher soll etwa alles andere als begeistert davon gewesen sein, als Cryan in Interviews erklärte, den Job gerne länger machen zu wollen. Tatsächlich hatten selbst Vertraute des Briten schon bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren vermutet, dass er ähnlich wie in seiner Zeit als Finanzvorstand bei der UBS die größten Altlasten aufräumen und sich dann verabschieden werde. Obwohl er immer wieder das Gegenteil behauptete, war das wohl auch Achleitners Plan. Im kleinen Kreis soll er im vergangenen Jahr verkündet haben, dass die von ihm zu Vize-Chefs beförderten Christian Sewing und Marcus Schenck Cryan folgen würden.
So wird es nicht kommen. Gerade die Ergebnisse des von Schenck geleiteten Investmentbankings sind dafür schlicht zu schlecht. Zudem hat er sich innerhalb des Vorstands nicht nur Freunde gemacht, als er sich Ende des Jahres für höhere Boni einsetzte. Schenck ist nicht die einzige umstrittene Person. IT-Chefin Kim Hammonds steht stark unter Druck, seit ihre als abfällig empfundenen Äußerungen über die Bank bei einem Führungskräftetreffen öffentlich wurden.
Wegen der schlechten Zahlen liegen die Nerven auch ganz oben blank. Das erklärt die Reibereien vielleicht. Und doch stellt sich die Frage, warum Konflikte immer ausgerechnet bei der Deutschen Bank so aus dem Ruder laufen. Bei der Commerzbank etwa waren die Probleme über viele Jahre mindestens ebenso gravierend. Auseinandersetzungen auf höchster Ebene blieben aber weitgehend aus. Und der aktuelle Deutsche-Bank-Vorstand war eigentlich mit dem Ziel angetreten, sich anders als früher gemeinsam um das Wohl der Bank und weniger um die eigene Position zu kümmern.
Das Unternehmen hatte in den Jahren zuvor schließlich genug Stoff für Dramen und Possen geliefert. Josef Ackermann bekriegte sich wegen seiner Nachfolge heftig mit Aufsichtsratschef Clemens Börsig. Anshu Jain verkrachte sich wegen der Strategie der Bank mit dem für das Privatkundengeschäft zuständigen Rainer Neske. Bei den früheren Konflikten ging es der Bank aber zumindest gefühlt so gut, dass sie sich ihre Manager leisten konnte. Nun aber ist sie so angeschlagen, dass Ruhe eigentlich lebenswichtig wäre. Einige Kenner des Instituts halten dieses bereits für so rettungslos abgeschlagen, dass es allenfalls noch in der Fusion mit einem Wettbewerber eine Zukunft hat.
Unter Cryan dürfte diese Ruhe in absehbarer Zeit nicht mehr einkehren. Dass Aufsichtsratschef Achleitner zu der Personalie schweigt, spricht für sich. Die Frage, wann und nicht ob Cryan geht, wird spätestens dann wieder akut, wenn die Ergebnisse der Bank für das erste Quartal Ende April enttäuschen. Bis dahin wird es allenfalls eine Atempause geben. Wenn es für die Personalie an der Spitze keine überzeugende Lösung gibt, geht das Chaos anschließend erst richtig los.
John Cryans Stationen bei der Deutschen Bank
Der frühere UBS-Finanzvorstand John Cryan wird Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank.
Es wird erstmal spekuliert, dass Cryan den umstrittenen Anshu Jain ablösen könnte.
Jain ist nicht mehr haltbar. Cryan wird neben Jürgen Fitschen Co-Chef der Bank. Ende Juli kritisiert er in einer internen E-Mail das Kostenniveau als „einfach inakzeptabel“. Wegen der Ankündigung des Wechsels steigt der Börsenwert der Deutschen Bank auf 39 Milliarden Euro.
Cryan gibt Details zur künftigen Strategie bekannt. Die Bank soll einfacher und effizienter werden, die Kosten sollen bis 2018 unter 22 Milliarden Euro sinken. Die Postbank soll wie bereits zuvor angekündigt verkauft, das Investmentbanking in zwei Sparten aufgespalten werden. Eine Dividende soll es erst 2017 wieder geben.
Wegen hoher Kosten für Rechtsstreitigkeiten und Abfindungen sowie Abschreibungen verkündet die Deutsche Bank einen Verlust nach Steuern von 6,8 Milliarden Euro für das Jahr 2015. Das ist das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Instituts.
Mit dem Ausscheiden von Fitschen wird Cryan alleiniger Chef der Bank. Cryan kündigt an die Bank „wieder auf die Wachstumsstraße“ zu bringen und sieht „viel Aufbruchstimmung“.
Wegen hoher Schadenersatzforderungen aus den USA wird über eine Pleite der Bank spekuliert. Der Aktienkurs fällt erstmals unter zehn Euro.
Die Deutsche Bank einigt sich mit dem US-Justizministerium über die Strafzahlung. Die Existenzkrise ist damit überstanden.
Die Deutsche Bank schließt das Jahr mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro ab, das ist mehr als erwartet. Die Erträge sinken deutlich. Cryan kündigt ein besseres Ergebnis für 2017 an.
Die Deutsche Bank erhöht ihr Kapital um acht Milliarden Euro. Sie will die Postbank nun doch behalten und stattdessen einen Teil der Vermögensverwaltung an die Börse bringen. Die beiden gerade erst getrennten Sparten der Investmentbank werden wieder zusammengelegt. Die Vorstände Christian Sewing und Marcus Schenck werden zu Vize-Chefs ernannt.
Cryan erklärt in einem Interview, dass viele Banken mit der Hälfte der Mitarbeiter der Deutschen Bank auskämen. Die Äußerung halten viele für die Ankündigung eines weiteren Stellenabbaus.
Die Deutsche Bank kündigt an, dass sie 2017 anders als ursprünglich erwartet mit einem „geringen Verlust“ abschließen wird. Grund ist vor allem die US-Steuerreform.
Die Deutsche Bank hat das Jahr 2017 mit einem Verlust von 500 Millionen Euro abgeschlossen. Die Erträge im Investmentbanking sind abermals gesunken. Die Bank kündigt an, bei der Bezahlung zur Normalität zurückzukehren. Cryan kündigt an, 2018 mit einem Nettogewinn abschließen zu wollen.
Der Verlust erhöht sich auf 735 Millionen Euro. Die Bank zahlt gleichzeitig 2,2 Milliarden Euro Boni. An der Börse ist die Deutsche Bank nur noch gut 23 Milliarden Euro wert.