Deutsche Bahn Die wichtigsten Aufgaben des neuen Chef-Aufsehers

Der designierte Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht muss die Kontrollbehörde der Deutschen Bahn neu ausrichten. Er gilt als B-Lösung, doch das kann ein Vorteil sein.

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Wie so oft, fiel die Entscheidung am Ende auf einen Kandidaten, dessen Name anfangs überhaupt nicht gehandelt wurde.

Es fielen die Namen von möglichen Kandidaten wie beispielsweise Ex-Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller, BASF-Chef Jürgen Hambrecht oder BDI-Präsident Hans-Peter Keitl.

Schließlich wählte die Bundesregierung Utz-Hellmuth Felcht, den ehemaligen Deguassa-Chef, zum Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze.  

Dass sein Name keiner auf der Agenda hatte, muss kein Nachteil sein. So war auch Rüdiger Grube damals kein Favorit für den Posten des Bahnchefs. Inzwischen hat er dem Unternehmen seinen Stempel aufgedrückt. Kompromisslos tauschte er den gesamten Vorstand aus. Nichts ist in den Führungsetagen bei der Deutschen Bahn mehr wie unter Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. 

Das könnte nun auch beim Aufsichtsrat passieren, dessen neuer Chef Felcht seinen Dienst am 25. März antreten wird. Der als spröde und knorrig beschriebene Doktor der Chemie könnte für einen Politikwechsel stehen. Er löst Noch-Chef-Aufseher Werner Müller ab ­- und damit einen früheren Intimfeind. Als Müller noch Chef des Bergbaukonzerns RAG war, wurde Felcht als Degussa-Chef abserviert. Die Ablösung Müllers ist für Felcht nun eine späte Genugtuung. Doch die Herausforderungen, die Felcht lösen muss, sind gewaltig.

Ein Vorteil könnte sein, dass er viele Umwälzungen miterlebt hat und Diskussionen niemals aus dem Weg ging. Als 30-Jähriger begann er bei Hoechst, arbeitete sich dort bis zum Vorstand hoch. Häufig geriet er dort mit dem damaligen Vorstandschef Jürgen Dormann aneinander, der den Traditionskonzern zerschlug.

Felcht verließ das Unternehmen und wurde 1998 Chef von SKW Trostberg, der Chemietochter des damaligen Mischkonzerns Viag. Nach der Fusion von Veba und Viag zu Eon führte Felcht die Chemiebeteiligungen der  beiden Unternehmen zusammen. Daraus ging die neuformierte Degussa AG hervor, die Felcht seit 2001 führte.

2006 verließ Felcht das Unternehmen - nach Streit mit Müller.      

Die fünf wichtigsten Probleme, die Felcht lösen muss

Streitigkeiten werden auch in seinem neuen Job kaum abnehmen. Die fünf wichtigsten Probleme, die Felcht lösen muss: 1. Fehlende Kontrolle: Felchts Job ist vor allem ein politischer. Als entsandter Vertreter des Bundes vertritt er dessen Interessen - am besten mit einer Stimme. Doch bislang herrschte ein großes Stimmengewirr.

Vor allem die Staatssekretäre aus Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsministerium stimmten bei wichtigen Projekten wie Stuttgart 21 und dem Kauf von Wettbewerbsunternehmen im Ausland uneinheitlich ab. Felcht muss dafür sorgen, dass sich die politischen Streithähne vorab besser miteinander abstimmen, ihre Meiungen bündeln und nicht in den Aufsichtsratssitzungen ihre Glaubenskämpfe austragen.

Nur so arbeitet ein Aufsichtsrat als echte Kontrollinstanz und weniger wie ein studentischer Debattierclub. 2. Fehlendes Bekenntnis: Die Ausrichtung der Bahn als privatwirtschaftlich geführter Konzern bleibt weiter unklar. 2008 wurde der Börsengang auf Eis gelegt und ein eindeutiges Bekenntnis des Bundes zur Teilprivatisierung fehlt bis heute. Grube will den Logistikteil an die Börse bringen, doch nicht vor 2014. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat in letzter Zeit mehrfach die Gemeinwohlverpflichtung der Bahn wiederholt.

Also doch kein Börsengang? Felcht, dessen eigene Position bislang unklar ist, muss hier eine Debatte in Gang bringen, in der die Regierung eindeutig Position beziehen muss. Am Ende fährt die Bahn nur dann erfolgreich, wenn ihr eine klare Marschroute vorgeben wird. 3. Fehlende Expansionsstrategie: Die Erfolgsmeldungen der Deutschen Bahn in jüngster Zeit lassen aufhorchen. Die Nahverkehrstochter DB Regio gewann Ausschreibungen in England und Skandinavien.

Immer mehr engagiert sich der Konzern im Ausland. Doch Kritiker nehmen der Bahn ihre Expansionsgelüste übel.

Darf sich ein Konzern im Ausland beteiligen, wenn ihre Qualität in der Heimat teils mangelhaft ist?

Die Berliner werden der Deutschen Bahn das S-Bahn-Chaos lange Zeit nicht verzeihen. Felcht muss eine Qualitätsdebatte führen: Nur, wenn die Deutsche Bahn ihre Hausaufgaben in Deutschland erledigt, darf sie auf die Spielwiese ins Ausland.

Mehr Wettbewerb bringt auch der Bahn Vorteile

4. Fehlende Fernverkehrsqualität: Die Probleme der Deutschen Bahn mit ihren ICE-Zügen sind nicht allein ihr zuzuschieben.

Doch die Probleme muss sie selber in den Griff bekommen. So drohen dem Unternehmen auch im kommenden Jahr noch erhebliche Probleme mit der Fernverkehrsflotte.

Rund 250 ICE-Züge stehen ihr zur Verfügung - zu wenige für einen reibungslosen Betrieb.

Denn inzwischen muss fast jeder ICE zehn Mal häufiger in die Werkstatt als von den Herstellern vorgesehen. Droht der nächste Winter ähnlich hart zu werden wie dieser, drohen den Fahrgästen ähnliche Verzögerungen. Felcht muss den Fokus seiner Arbeit auch auf solche Themen legen. Grube muss die Probleme dringend in den Griff bekommen und Felcht muss es überwachen. 5. Fehlender Wettbewerb: Noch steht das Ende des Gewinnabführungsvertrages zwischen der Netztochter DB Netz und der Bahn-Holding nur in den Koalitionspapieren.

Solange das so ist, fließen etliche Millionengewinne aus dem 34.000 langen Schienennetz in die Konzernkasse.

Doch in Zukunft muss die Bahn ihre Sparten stärker voneinander trennen. So will es die Bundesregierung. Es wäre zu begrüßen, wenn damit die subtile Diskriminierung der privaten Eisenbahnunternehmen ein Ende hat. Es wäre auch zu begrüßen, wenn Felcht sich der Stärkung des fairen Schienennetzzugangs verschreiben würde.

Denn mehr Wettbewerb auf der Schiene stärkt langfristig auch der Bahn: So führt mehr Verkehr zu steigenden Trassen- und Stationspreisen - und einer Stärkung der Wettbewerbsposition gegenüber der Straße.

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