Bahnchef Rüdiger Grube muss viel erklären in diesen Tagen. Dem Aufsichtsrat präsentiert er am Dienstag eine mega-schlechte Bilanz. Der Umbau des Staatskonzerns und Probleme im Güterverkehr haben das Unternehmen 2015 erstmals seit zwölf Jahren in die roten Zahlen gedrückt.
Nun will Grube einerseits sparen, zum Beispiel bei der Güterbahn DB Cargo, bei der 3500 Jobs und 500 Verladestationen auf der Kippe stehen. Anderseits muss Grube Milliarden investieren, um den Konzern wieder fit für die Zukunft zu machen. Das Geld für Investitionen soll zum Großteil über den Teilverkauf der Auslandstochter DB Arriva und der Spedition DB Schenker hereinkommen.
Doch über die Details hüllte sich der Konzern bislang in Schweigen. Nach Informationen der WirtschaftsWoche könnten die Verkaufspläne wie folgt aussehen:
Arriva und Schenker Logistics sollen jeweils zunächst in Paketen von 20 bis 25 Prozent verkauft werden. Der Teilverkauf erfolgt über den Kapitalmarkt. So soll die Auslandstochter Arriva über die London Stock Exchange veräußert werden, die Speditionstochter würde über die Deutsche Börse gehandelt. Ein Verkauf an Kleinaktionäre gilt jedoch als ausgeschlossen. Geplant sind Paketverkäufe an strategische Investoren. Die Pakete sollen jeweils so groß sein, dass die jeweiligen Unternehmen in wichtigen Aktienindices landen: Arriva im FTSE 250, Schenker im MDax.
Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll der Teilverkauf an Hedgefonds ausgeschlossen sein. Die würden nur versuchen, zu viel Einfluss auf die Strategie der Unternehmen auszuüben, heißt es aus Bahn-Kreisen. Zudem würden sich beide Unternehmen nicht in Krisensituationen befinden – das wäre ein typisches Betätigungsfeld von Hedgefonds. Darüber hinaus plant der Konzernvorstand, mit der Zeit weitere Pakete von Arriva und Schenker zu veräußern. Die Deutsche Bahn werde aber mittel- und langfristig die Mehrheit behalten.
In den Aufsichtsratsgremien stößt das auf ein geteiltes Echo. Es gibt nicht wenige, die sich einen Komplettverkauf vorstellen können. Vor allem die Auslandstochter Arriva gilt als lukrativer Verkauf. Der Verkehrskonzern, der im europäischen Ausland Bus- und Nahverkehrsbahnen betreibt und seit Jahren Gewinne einfährt, ist in den vergangenen Jahren erfolgreich gewachsen.
Ende 2015 gewann die Bahn-Tochter zum Beispiel einen Zehn-Milliarden-Euro-Vertrag über eine Laufzeit von neun Jahren. Das sind mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Als die Deutsche Bahn 2010 Arriva für knapp drei Milliarden Euro kaufte, lag der Jahresumsatz von Arriva bei etwas mehr als drei Milliarden Euro. Ein Komplettverkauf würde viele Milliarden Euro einbringen.
Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn
Sparte: Spedition
Deutschland 2002
Wert: 2500 Mio. Euro
Sparte: Spedition
USA 2006
Wert: 1300 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Großbritannien 2007
Wert: 370 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Spanien 2007
Wert: 130 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Spanien 2007
Wert: 150 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Großbritannien 2008
Wert: 170 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Rumänien 2009
Wert: 100 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Polen 2009
Wert: 450 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Großbritannien 2010
Wert: 3000 Mio. Euro
Quelle: Deutsche Bahn
Auch bei Schenker fordern einige einen Komplettverkauf, aber aus anderen Gründen. Zwar erwirtschaftet der Logistiker ebenfalls Gewinne, allerdings auf niedrigem Niveau. Die Speditionssparte der Deutschen Bahn steht international unter hohem Wettbewerbsdruck.
Der Logistiker wäre deshalb wohl nicht sehr viel wert. Vor allem aber hat die Logistiksparte nicht die in sie gesteckten Erwartungen erfüllt. Synergien etwa mit der Güterbahn gibt es so gut wie nicht.
Im Klartext: Schenker Logistics ist für das Kerngeschäft der Deutschen Bahn verzichtbar.
Kritiker der Deutschen Bahn wie Grünen-Verkehrsexperte Matthias Gastel fordern deshalb keine halben Sachen. „Arriva und Schenker Logistics sind im konzerninternen Vergleich der Geschäftsfelder derzeit überdurchschnittlich ertragsträchtig, erwirtschaften jedoch nicht ihre Kapitalkosten und tragen nicht zur Konzernstrategie bei“, sagt Gastel.
Neue Anteilseigner würden die Komplexität des Bahnkonzerns nur erhöhen. „Aus meiner Sicht braucht es eine klare Lösung: Entweder Arriva und Schenker Logistics komplett oder gar nicht veräußern.“