Den Reedern fordern deshalb weitere Maßnahmen: "Die deutsche Flagge unterliegt im internationalen Vergleich bei der Besetzung den strengsten Vorschriften", kritisiert VDR-Geschäftsführer Ralf Nagel. Mindestens vier europäische Seeleute müssen auf einem Schiff mit deutscher Flagge beschäftigt sein - und ein Schiffsmechaniker.
Alleine die Heuer und die Lohnnebenkosten für den Schiffsmechaniker kosten die Reedereien um die 100.000 Euro. Dabei bräuchte man solch spezialisierten Fachkräfte nur auf bestimmten Schiffstypen, sagt Nagel. Die Gewerkschaft Verdi kämpft für den Erhalt des Berufs. Schiffsmechaniker seien Fachkräfte mit Fähigkeiten, die überall gebraucht werden könnten.
Dabei sind die Ausbildungsstandards in Deutschland und Europa längst mit denen in Sri Lanka, Indonesien oder den Philippinen vergleichbar. Die Löhne der asiatischen Seeleute betragen dabei oft nur ein Viertel. Und im Gegensatz zu den europäischen Seeleuten müssen die Reeder die asiatische Besatzung nicht für die Monate bezahlen, in denen sie auf Land bei ihrer Familie sind. „Indische und Philippinische Seeleute arbeiten für einen kleinen Teil des Geldes, auf dem Niveau kann kein deutscher Seemann eigenständig eine Familie zuhause ernähren“, sagt Klaus Schroeter, Leiter der Bundesgruppe Schifffahrt bei Verdi.
Im harten Wettbewerb auf der See will keine Reederei mehr auf diese Kostenvorteile verzichten. Die Reederei NSB holt nun Seeleute und Offiziere aus Sri Lanka, China oder Osteuropa auf ihre Schiffe, die mittlerweile unter portugiesischer Flagge fahren. Im Gegensatz zur deutschen ist mit der portugiesischen Flagge keine Besetzung der Schiffe mit bestimmten Nationalitäten.
58 Millionen Euro Subventionen in einem Jahr
„Diese Vorschriften, die die Beschäftigung von deutschen Seeleuten eigentlich sicherstellen sollen, bewirken genau das Gegenteil. Die deutsche Flagge hat erst mit einer flexibleren Regulierung eine Zukunft“, sagt Branchenvertreter Ralf Nagel. Wenn die Besetzungsverordnung geändert würde, könne das Ausflaggen vielleicht gestoppt werden, sagt er. Davon, dass die Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge wieder mehr werden, redet er nicht.
Trotzdem, die Abgeordneten der Regierungsparteien haben in ihrem Antrag bereits signalisiert, die Reedereien noch mehr zu unterstützen und diese Regularien zu lockern. Dabei fördert die Regierung die Branche bereits mit 58 Millionen Euro im Jahr. Damit erhält die Schifffahrt laut dem jüngsten Subventionsbericht der Bundesregierung den Platz 19 der Branchen mit den höchsten Subventionen. Weitere 20 Millionen Euro steckt die Regierung über die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland jedes Jahr in die Ausbildung von nautischem und technischen Personal.
Verbessert hat sich die Beschäftigungssituation der deutschen Seeleute dadurch bisher nicht. "Zu viele Absolventen gehen direkt in die Arbeitslosigkeit", sagt Verdi-Experte Schroeter. 2009, zu Beginn der Krise, fanden noch 829 Berufseinsteiger einen Job auf See. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 441, so das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung PWC.
Die Gewerkschaftler ist skeptisch, ob die neuen Subventionen nun das Verschwinden des deutschen Seemanns beenden können. „Die Politik unterstützt die Reeder, ohne dass daran ausreichende Bedingungen geknüpft sind", sagt Schroeter. Er verlangt, dass die Reeder im Gegenzug für die Steuervergünstigungen auch in die Pflicht genommen werden, wieder mehr deutsches Personal zu beschäftigen. "Solange von den Reedern keine Arbeitsplätze mit deutschen Seeleuten besetzt werden, hilft das den deutschen Seeleuten nicht."
Für die Mitarbeiter bei NSB kommt die Gesetzesinitiative der Bundesregierung es ohnehin zu spät: Man bedauere es, dass die Maßnahmen nicht bereits vor zwei Jahren auf der politischen Agenda gestanden hätten, heißt es aus der Zentrale in Buxtehude. Vielleicht gäbe es dann heute noch mehr Schiffe mit deutscher Flagge - und deutschen Seeleuten.