Wochenlang harrten die Polizisten vor den Packstationen aus, um den Täter zu schnappen. Immer wieder tauchte der 20-jährige Leipziger bei den gelben, großen Schließfachsystemen auf, um seinen Drogenvorrat aufzufüllen. 314 Kilo Kokain, Ecstasy, LSD oder Haschisch fanden die Beamten später im Besitz des Drogendealers. Von seinem Kinderzimmer aus hatte der Leipziger tausende Kunden in Deutschland und dem Umland mit Drogen versorgt. Seine Ware verkaufte er über das Darknet, am liebsten versendete er sie per Post und Packstation.
Eigentlich hat die Deutsche Post ihre Packstationen neben Supermärkten oder auf Parkplätzen gebaut, damit Berufstätige dort nach Feierabend ihre online bestellten Sendungen abholen können. Mit einer Nutzerkarte und einer aufs Handy gesendeten Transaktionsnummer können die Kunden ein Schließfach öffnen und ihr Paket in Empfang nehmen.
Doch die gelben Kästen locken neue, ungebetene Kunden an: Drogendealer wie der 20-jährige Leipziger vertreiben über sie ihren Stoff, Hehler missbrauchen das System als Umschlagort. Das fand der japanische Sicherheitsanbieter Trend Micro in einer Studie über den kriminellen Teil des Internets, das sogenannte Darknet, sowie über das System der Packstationen heraus.
„Das ist eine beliebte Art des Warenaustauschs, weil beide Seiten anonym bleiben können“, sagt Udo Schneider, Experte bei Trend Micro. So unterlässt es die Post, bei den Absendern die Identität zu überprüfen. Und Empfänger können sich hinter einem falschen Namen verstecken. Dazu verwenden sie gefälschte Ausweise, um sich für die Packstation zu registrieren. Oder sie stehlen beziehungsweise kaufen die Daten in Internetforen, sagt Experte Schneider. „So ein Account kostet 20 bis 30 Euro.“
Die Post bestreitet den Missbrauch nicht. Das Problem sei bekannt, heißt es aus der Bonner Zentrale. „Wir verfolgen umfangreiche Maßnahmen zur Prävention und entwickeln diese kontinuierlich weiter.“
Betrüger ordern massenhaft Amazon-Pakete
Auch die Kriminellen entwickeln ihre Technik weiter: Vor einem Jahr warnte die Polizei vor Betrügern, die sich mit der Identität von Kunden für die Packstation registrierten und in deren Namen hochwertige Elektronikartikel im Internet bestellten. Der Trick: Die Täter meldeten sich online unter einem fremden Namen für die Packstation an. Die Post schickt den vermeintlich neuen Kunden daraufhin ein Begrüßungspaket mit einer Nutzungskarte. Kurz darauf tauchen die Täter bei ihren Opfern auf. Sie geben sich als Post-Mitarbeiter aus, die das Missverständnis mit der falschen Anmeldung aufklären wollen. Mit diesem Vorwand entlocken sie den Kunden ihre Nutzungskarte.
Ein anderer Trick zielt auf bereits registrierte Packstations-Nutzern: Die Täter verschickten gefälschte E-Mails im Namen der Post, mit denen sie den Postkunden deren Zugangscodes für die Packstation entlockten.
Der Briefmarkt in Zahlen
Dank E-Mail und Smartphone schreiben die Deutschen immer seltener Briefe. In diesem Jahr stellen die Briefdienste nur noch etwa 15,7 Milliarden Briefe zu. Vor fünf Jahren waren es noch 16,4 Milliarden Briefe, berichtet die zuständige Bundesnetzagentur in ihrem Tätigkeitsbericht.
Die meisten dieser Briefe stellt die Deutsche Post zu. Ihr Marktanteil liegt bei 87,3 Prozent, berichtet die Bundesnetzagentur. Damit hat sich die Situation in den vergangenen fünf Jahren nur leicht verändert: 2010 kamen die Konkurrenten der Deutschen Post gemeinsam auf etwa 10 Prozent Marktanteil, heute sind es 12,7 Prozent.
Trotz der sinkenden Briefzahlen: Der Umsatz des Marktes ist kaum geschrumpft. Vor fünf Jahren lag er noch bei rund 9 Milliarden Euro, 2015 liegt er bei etwa 8,7 Millionen Euro. Den Großteil davon erwirtschaftet die Deutsche Post. Nur etwa 1,1 Milliarden Euro Umsatz machen die Konkurrenten.
Grund für den fast gleichbleibenden Umsatz sind auch Preiserhöhungen: 55 Cent kostete vor fünf Jahren noch die Briefmarke für einen Standardbrief bei der Deutschen Post. Seit dem hat der Bonner Konzern das Porto in drei Schritten auf 62 Cent erhöht. Im kommenden Jahr wird das Porto auf 70 Cent steigen.
Für Großkunden ändern sich die Preise nicht so stark, auch, weil die Post ihnen Rabatte gewährt. Doch wenn die Post das Porto erhöht, heben oft auch die Konkurrenten die Preise an.
Das Problem sei jedoch eingedämmt, erklärte die Post, weil Kunden für jede Abholung inzwischen einen neuen Code eingeben müssen, den sie aufs Handy erhalten. "Damit erschwert die Post, dass Zugangskonten verteilt werden können", sagt Sicherheitsexperte Schneider.
Gänzlich verhindern konnte die Post den Missbrauch jedoch auch mit diesen Maßnahmen nicht. In der Darknet-Szene hat man längst einen Weg gefunden, die Hürden zu umgehen. Die Täter eröffnen ein Nutzerkonto bei der Post unter falschem Namen und kaufen eine Sim-Karte für ein Handy bei einem Billiganbieter, der schon mal auf die vorgeschriebene Ausweiskontrolle verzichtet. Die Post erklärt dazu nur: „Wir entwickeln die Sicherheitsmaßnahmen auf Basis von neuen Erkenntnissen und Vorgehensweisen von Kriminellen ständig weiter.“ Bei bekannten Fällen werde Strafanzeige gestellt.
In Deutschland hat der Konzern seine 2750 Packstationen bereits in 1600 Städten. Acht Millionen registrierte Nutzer zählt die Post, damit hat beinahe jeder zehnte Deutsche eine Karte für die Packstation. Die Post hofft, dass das bald auch für anderen Länder gilt: Der Konzern investiert einen dreistelligen Millionenbetrag, um auch den Paketmarkt in Österreich zu erobern - die Packstation spielt dabei eine wichtige Rolle. Erst im November eröffnete der Konzern in Wien das erste der Schließfachsysteme, „mehrere hundert“ sollen folgen.